Ragnar sah Darius an und die offensichtliche Verwirrtheit von Drakon war deutlich zu sehen. Er bekam nicht mal die Aussage mit dem Kind mit, aber Darius schon, der Tessa scharf an sah. DAS war eine Information aus dem Raum, wenn auch über Umwege. Das war doch wohl ein eindeutiger Vertrauensbruch. Er schwieg erst mal dazu. Ragnar setzte sich nun hinter seinen Schreibtisch und deutete auf die Stühle am Tisch. Alle setzten sich nun erst mal an den Gästetisch. „Bist du immer noch der Meinung, dass es dir nicht schadet einen Erzdämon zu beherbergen?“
Drakon sah auf seinen Schoß. Ein Erzdämon? Das konnte doch nicht sein. Er hatte ihn „gesehen“ als Drache, aber... konnte es sein, dass Vaelastrasz ihm nur vorgespielt hatte? Nein. Er... er würde ihn nicht anlügen oder? Drakon war verwirrt. Er plumpste auf den Stuhl und wirkte dabei ziemlich kraftlos. Ragnar beobachtete ihn. „Ich wollte es dir immer sagen, aber ich konnte nicht, Drakon.“
„Immer?“
„Dein ganzes Leben lang.“ Drakon sah ihn stumpf an. „Mein ganzes Leben lang?“ Er wirkte etwas abwesend. „Ja. WIR haben den Dämon in dir versiegelt. Deine Mutter und ich.“ Drakon sah ihn an. Er verstand es nicht. Hatten nicht die Anhänger... oh natürlich. Sie hatten Vaelastrasz aus ihm heraus holen wollen. Sie hatten... es versucht, aber etwas war schief gegangen. Drakon war ihnen in die Quere gekommen, weil er ausgebrochen war oder?
„Ich... bin entkommen.“, sagte er leise zu sich selbst. Nein, nein... er war halb nackt gewesen. Er hatte keine Erinnerung daran, wie er entführt worden war und auch nicht, wie er entkommen war. Vaelastrasz... bitte, ich brauche deine Hifle! Nichts. Er schüttelte leicht den Kopf.
„Was?“, fragte Ragnar. „Du bist wo entkommen?“ Drakon sah auf. „Hm?“ Er versuchte sich zu sammel. „Nein, nichts, ich meine...“ Sein Herz schlug wie wild. „Schwarze Schuppen, ja...“ War das nicht eher ein Beweis für einen Drachen? Hatte Tessa nicht von Drachen erzählt, di sich versteckten? Hatte Vaelastrasz nicht mehrfach darauf hingewiesen, dass seine Art nicht mehr wirklich existierte? War das alles gelogen. Er schüttelte nun bestimmt den Kopf. „Nein!“ Er sah Darius an. „Ihr habt keine Ahung!“
„Was meinst du damit Drakon?“ „Er IST kein Dämon.“ „Und woher willst du das wissen?“ „Ich weiß es einfach!“ Er biss sich auf die Lippe, das war natürlich kein glaubhaftes Argument. „Ich bin mir sicher, dass er kein Erzdämon oder so was ist.“ „Er?“ Drakon hätte sich ohrfeigen können. Der Name. Er durfte ihn auf keinen Fall sagen! „Ja, er. Ich spüre ihn und er strahlt nichts böses aus. Eher ist es so, als sei er … traurig oder... als habe er nicht viel für andere übrig. Aber ich spüre, dass er nicht böse ist! Er hat mir geholfen!“
„Wie?“, fragte Darius nun und seine Augen blitzten. „Er hat mich geheilt, hat mich aus dem Bann der Vampire befreit und auch so hat er mir ständig geholfen!“ Darius und Ragnars Augen wurden immer größer. Sie sahen sich an und Ragnar schüttelte leicht den Kopf. Darius aber sagte: „Dann geht es nicht anders.“
„Hm?“ Drakon verstand nicht, was er meinte. „Du bist ihm viel zu nahe gekommen. Am Ende wirst du ihn noch befreien.“ Vaelastrasz hatte ihm von Anfang an gesagt, was sein Ziel war: Ein neues Gefäß finden. Drakon stand auf. „Moment was? Was habt ihr denn vor? Und was meinst du eigentlich, dass IHR ihn in mir versiegelt habt? Erklärt es mir!“ Erneut fing Ragnar an zu erklären, was getan wurde. Seit Generationen. Drakon sagte: „Ihr habt mich 16 Jahre lang belogen?“ „Wir haben dir nur nicht alles gesagt.“ „Wann hattet ihr das denn vor?!“ „In zwei Jahren. Aber du konntest ja nicht warten... Drakon, bitte hör mich an. Das hier ist viel wichtiger, als du glaubst.“ Drakon massierte sich die Schläfen. „Ihr wollt mir sagen, dass ihr das einfach so gelassen habt, in der Hoffnung, dass nichts passiert? Weil es schon immer so war? Was soll das denn für ein Müll sein?“ „Mäßige deinen Ton!“ Drakon schüttelte den Kopf. Er wollte Vaelastrasz nicht hintergehen, aber hatte er denn eine große Wahl? Er sah zu Tessa. Was würde sie sagen? Und jetzt, wo er sie ansah, fiel ihm auch wieder ein, was sie gesagt hatte. „Und was heißt das, dass sie kein Kind auf Befehl bekommen würde?“ Ragnar senkte den Blick. Darius sah wieder zu Tessa, dann zu Drakon. Es heißt, dass die Linie der Dracaris immer einen Nachfolger braucht. Drakon sah ihn an. „Aha. Und das wolltet ihr mir wann sagen? Auch in zwei Jahren? Was wenn ich auf Männer stehen würde?“ „Dann hättest du eine geeignete Frau schwängern müssen, auch wenn sie nicht deine Frau wäre.“ Unwillkürlich dachte er an Lilith. Und wenn sie schwanger wäre? Er schob den Gedanken zur Seite. Er war ja nicht fertig geworden. „Habt ihr sie noch alle?“ Darius seufzte. Ragnar schüttelte abermals den Kopf. Drakon musste die Gedanken neu sortieren.
„Also Drakon. Jetzt wo du all das weißt, möchtest du uns Vielleicht erzählen, was DU vermeintlich zu wissen glaubst?“ Eigentlich nicht. Er schwieg. „Drakon, hilf mir es zu verstehen.“ Es war Darius der sprach. „Wieso glaubst du all das über ihn zu wissen?“ Seine Augen funkelten. Weil er es gesagt hat... Er saugte die Lippen zwischen die Zähne. Ragnar ahnte das Schlimmste. „Kann es sein, dass er... Kontakt zu dir aufgenommen hat?“ Drakon sah erschrocken auf und das alleine reichte den beiden Männern wohl nun aus. Sie sahen sich erneut an und Ragnar schien bestürzt.
„Uns gehen langsam die Möglichkeiten aus, Drakon. Hat er mit dir Kontakt aufgenommen?“ Er schwieg hartnäckig, was wohl auch eine Form der Zustimmung war. Das hatte er nicht gewollt. „Hat er dir seinen Namen gesagt?“ Drakon schwieg weiter. Er presste die Zähne aufeinander. „Drakon... Du musst es uns sagen. Hast du einen Pakt mit ihm geschlossen?“ Drakon sah auf. Seine Augen glänzten leicht, wenn man es so sah... Passte alles zusammen. Drakon ließ alles woran er sich erinnerte noch mal vor seinem inneren Augen ablaufen. “Du darfst niemandem von mir erzählen...“ „Ich werde nach einem passenden Gefäß für meine Seele suchen...“ „Sag niemandem, was hier geschehen ist.“ „Ich brauche dich lebend!“ „Mein schlechtes Karma, reicht für uns beide...“ „Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst...“ „Niemand darf wissen, dass ich IN dir bin.“ Aber auch so was, wie: „Du bist echt ein Skalventreiber!“ „Du bist er netteste Mensch, den ich je getroffen habe.“ „Noch nie ist mir jemand mit so viel Freundlichkeit und Güte entgegen getreten.“ „Ernsthaft... du bist hilflos, wie ein Küken.“ „Das ist ein Freundschaftsdienst! Sei mal etwas dankbarer!“ „Liebe ist kostbar und rein...“ „Schutzengel? Ich bin doch kein ENGEL.“ Aber dann waren da auch Sachen, wie „Töte ihn!“ „TÖTE IHN!“ „Er verdient den Tod...“ Aber eines war ihm ganz besonders im Gedächtnis geblieben: Er hatte Vaelastrasz gefragt,ob er nicht mal seinen Körper übernehmen wollte und er hatte geantwortet: „Nein... Weil ich dich nicht zerstören will.“ Und da war noch was, was ihn störte. Er hatte gesagt: „Du bringst uns noch BEIDE um!“
Warum sollte ein Gefangener seinen Käfig nicht zerstören wollen, wenn er so frei käme? Und diese Aussage, dass er sie beide töten würde, passte auch nicht zu der Beschreibung der Kommandanten. Und dann dachte er daran, was Vaelastrasz zuletzt zu ihm gesagt hatte. „Lass sie nicht los... deine Menschlichkeit.“ Nein... so jemand konnte doch kein Dämon sein!
Er sagte nach diesem Moment der Stille und gerade als Darius fortfahren wollte: „Nein.“ Ragnar und Darius sahen ihn an. „Ich habe keinen Pakt mit einem Erzdämon geschlossen.“ Sie musterten ihn. Und Drakons Augen wieteten sich plötzlich. Drakon... ihm stiegen fast die Tränen in die Augen. Vaelastrasz. Hilf mir... sie wissen Bescheid! Dachte ich mir schon...
„Und da bist du dir sicher?“
Sie halten dich für einen Dämon! Vaelastrasz! Bitte sag es mir. Bist du ein Dämon? Würde das was ändern? Red nicht drum herum! Er klang so furchtbar schwach! Was hatte er getan? Drakon schüttelte leicht den Kopf. Geht es dir gut? Nein... Drakon senkte den Blick wieder. „Du bist dir nicht sicher?“ Drakon schloss die Augen und ballte die Fäuste. Um dir zu antworten: Ja und nein. Das verwirrte Drakon nur noch mehr.War es denn nicht auch egal, was er war?
„Uhm... ich weiß nicht.“, antwortete er nun. „Hat er dir seinen Namen verraten und hast du den Namen benutzt?“ Drakon sah auf. Er konnte nicht lügen. Er konnte Vealastrasz nicht verraten und er wusste nicht, welcher Schwur mächtiger war. Der Eid, den Wächtern zu dienen oder der Schwur, Vaelastrasz gegenüber. „Bitte... ich...“ Er hielt sich den Kopf. Und Darius und Ragnar waren alarmiert. Sie standen auf. Drakon konnte es nicht entscheiden und schließlich spürte er eine tiefe Traurigkeit in seinem Herzen. Unweigerlich liefen ihm die Tränen.
Du kannst es ihnen sagen... Ich fürchte unsere Wege werden sich hier trennen... Ich werde dich nicht darum bitten, aber es wäre wirklich schlecht für mich, wenn sie meinen Namen erfahren. Drakon fragte daraufhin resignierend: Wieso hast du ihn mir dann erst gesagt?
Er sah nun auf. Tessa wusste, dass er den Namen kannte. Sie hatte ihn gehört. Er hatte ihn laut ausgerufen. „Ja. Ich kenne seinen Namen. UND ich habe ihn ausgesprochen, aber ich werde ihn euch niemals verraten.“ Ragnar sah ihn vollkommen entsetzt an und der Lord Kommandant sagte nun: „Und wenn ich fragen würde und du nicht antwortest, wäre das nicht Hochverrat?“ Drakon senkte den Blick und sagte: „Ja.“
„Du würdest lieber sterben, als den Namen desjenigen preiszugeben, den wir schon so lange vernichten wollen?“ Drakon! Lass es gut sein! Es ist vorbei! Es war lustig, aber es ist vorbei!
„Ja.“ Ragnar hauchte: „Wieso?“ Und nun wurde Drakons Blick fest und sein Mund würde die unumstößliche Wahrheit aussprechen. Was machst du denn?! Wieso kannst du nicht ein Mal auf mich...
„Weil er mein FREUND ist!“, antwortete er entschlossen. Er machte sich auf den emotionalen Cocktail gefasst, der ihn gleich überrollen würde, aber er konnte die Tränen trotzdem nicht zurück halten, die Vaealstrasz Gefühle auslösten.