Und doch hielt Varus sich in ihrer Nähe auf. Er ertrug es nicht, nicht zu wissen, was mit ihr war und jetzt, wo er nur noch ein stinknormaler Kerl war, konnte er sie nicht mal mittels Zauber ausspähen, also blieb ihm nichts anderes übrig als bei ihr zu bleiben. Er saß auf einem Stein und dachte nach. Nanami war wirklich höchst bestrebt hier ein Heim zu errichten. Ein Heim… Wie lange hatte er schon keines gehabt? Ja… einen Unterschlupf oder Rückzugsort… aber kein Zuhause. Auch dieser Schrein würde für ihn kein Zuhause sein. Er betrachtete Nanami. Trotz seines Umgangs mit ihr und Zyra schien sie sich zu freuen, hier etwas zu erschaffen. Es schien fast, als würde sie nichts mehr erfreuen, als Dinge wachsen und entstehen zu sehen. Sie war sein genauer Gegenpol. Varus bereitete es diebische Freude, Dinge zu zerstören, an denen sich die Menschen erfreuen konnten. Er sah wieder auf den Boden.
Thalesin hielt sich in Zyras Nähe auf, traute sich aber kaum, mit ihr zu sprechen. Sie war so erschüttert und traurig, dass es ihm weh tat. Er erhob sich nun grummelnd von einem Stuhl und sagte: „Das kann so nicht weitergehen.“ Er sagte es mehr zu sich selbst und stapfte nun den Hügel hoch. Dort stellte er sich vor Varus und pflaumte ihn an: „Wie lange willst du ihr noch grollen!?“
„Bis ans Ende aller Zeiten.“
„Du bist graumsam und ein echtes Arschloch!“ Varus gähnte gesüielt und sagte nichts dazu. „Sie liebt dich!“ „Ist mir egal.“ „Sie hat das nicht verdient!“ „Und was denn? Ich tue doch gar nichts.“ „Du ignorierst sie!“ Varus sah ihm in die Augen. „Und wenn schon. Sie hat doch dich.“ „Aber ich bin es nicht, den sie bei sich will!“ Varus zuckte die Schultern. Er stand auf und funkelte Thalesin an. „Und was willst du jetzt von mir?“ „Du sollst sie in den Arm nehmen, ihr vergeben und ihr nicht mehr grollen!“ „Klar. Mach ich.“ Thalesin sah ihn verdutzt an. „Eh?“ „Sobald sie meinen Befehl ausführt.“ Thalesin überlegte und dann fiel ihm ein, was er meinte. „Mich töten.“, stellte er fest und Varus lächelte übertrieben nett, was ziemlich gruselig aussah. Dann setzte er sich wieder und ignorierte Thalesin.
Jake nickte, als würde er genau verstehen, was Jelais meinte und sah wieder zu Kylar. Er hatte wirklich miserable Laune, wie Jake schnell feststellte. Jake fragte sich nur, wieso, war es doch eine so schöne Landschaft.
Kylar hing seinen Gedanken nach, blieb aber wachsam. Er fragte sich, wie lange diese Reise dauern sollte und was das Ziel war, dazu hatte sein geschätzter Herr nämlich gar keine Angaben gemacht…
Kylar betrat den Thronsaal seines Herrn. Sieben Tage waren nach der letzten Schlacht vergangen. Er hatte Jelais noch gar nicht gesehen. Es war ungewöhnlich, dass sie nicht direkt zu ihm gekommen war, aber vielleicht hatte sie ihn ja vergessen? Er konnte nicht ahnen, dass es die Zofen waren, die sie einsperrten. Nur von fern hatte Jelais ihn sehen dürfen.
„Mein Herr…“
„Ahh, Kylar. Schön, dass du meinem Ruf gefolgt bist, Kylar.“ Verwirrt sah er auf. „Uhm… ja.“ Machte er das nicht immer? Der König verhielt sich seltsam. Er schweig eine ganze Weile und sagte dann. „Komm zu mir, Kylar.“ Wieso sprach er dauernd seinen Namen aus? Er wirkte nervös. Kylar bekam ein Weinglas in die Hand gedrückt. „Sire… ist alles in Ordnung?“ „Aber ja, aber ja!“ Der König lächelte unbeholfen und Kylar wusste sich keinen Rat, was es sein könnte, dass den Herrscher so nervös machte.
„Also… ich habe einen Auftrag.“ „Mhm.“ Kylar stellte das Glas ab und der König druckste herum. „Was ist los, mein König?“ „Ach, Kylar! Wir sind unter uns, du musst nicht so förmlich sein.“ Ein nervöses Kichern. „My Lord…“ Kylar sah ihm tief in die Augen und legte die Hände auf die Schultern. „Was ist los?“ Der König sah auch Kylar an und schließlich stellte auch er den Wein ab und seufzte langgezogen. „Es wird dir nicht gefallen, aber ich kann mir keinen besseren vorstellen.“ „Ich tat schon so manch unerfreuliche Aufgabe für euch.“ Der König blickte ihn überrascht an. „Ach ja? Welche?“ „Jetzt wechselt bitte nicht das Thema.“ Kylar war wirklich geduldig, aber seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Was konnte denn schlimmer sein, als in einen Krieg zu ziehen?
„Du musst auf eine Reise gehen, Kylar.“ Kylar nickte und entspannte sich etwas. Er war doch dauernd auf reisen. „Ich werde dir etwas mitschicken, was für mich das kostbarste auf der Welt ist.“ Was mochte das sein? Kylar hörte zu, nahm nun den Kelch wieder in die Hand. „Meine Tochter.“ Kylar nickte, als wäre es völlig normal und setzte an zu trinken. Dann schien ihm aber bewusst zu werden, was der König gesagt hatte und er spuckte den Wein geradewegs wieder über den Balkon, weil er sich erschreckte. „Was?!“ Kylar sah den Mann ungläubig an. „Das… was soll ich… wieso?!“
„Sie muss lernen. Sie soll die Welt mit eigenen Augen sehen, Kylar. Sie wurde von ihren Lehrerinnen auf nichts vorbereitet und ich hatte keine Zeit für sie. Sie weiß nichts!“ „Ich BIN aber kein Lehrer. Habt ihr vergessen, wo meine Talente liegen?“ „Nein ganz und gar nicht, deshalb bist du ihr Leibwächter.“ „Das… könnt ihr nicht… ich meine…“ „Kylar… die Kriege sind vorbei, keine Schlachten mehr, wir haben Frieden. Du bist jung und stark, du musst viellecht auch einfach mal reisen, ohne einen Schlachtplan zu entwickeln.“ „Ich bin ein KRIEGSMAGIER!“
„Und das wirst du immer sein.“, sagte die wohl schönste Frau auf Gottes großer Erde. Jelais Mutter – Anna. Kylar neigte den Kopf und beugte den Oberkörper nach vorn. „Meine Herrin Anna.“ Sie stellte sich zu ihrem Gemahl. „Liam… wir waren uns doch einig.“
„Ich wusste nicht, wie ich es NOCH schonender sagen sollte.“
Kylar musterte seine Gebieter und ihm wurde klar, dass er sich hier auf keinen Fall heraus winden konnte. Er stieß die Luft aus, leerte den Wein und stellte den Becher unsanft auf den Tisch. Ungeheuerlich! Aber wenn es so sein sollte, musste er wohl durch. Wie konnte er auch ablehnen. „Wohin?“, fragte er nun. „Es gibt kein Ziel.“ Kylar hob die Braue. „Wie lang?“ „So lang es eben dauert.“ Das war doch wohl ein Witz! „Aber wann weiß ich, dass ich die Aufgabe erledigt habe?“, wollte er nun wenigstens wissen. „Du wirst es erkennen.“ Das schlug doch wohl alles bisher Dagewesene. Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, während Liam versuchte, ihn nicht anzusehen. „Und wann soll es los gehen?“ „Morgen…“
„Ach, kommt schon! Was habe ich verbrochen?“ Anna kam nun zu ihm, legte ihre weiche und zierliche Hand auf seine Schulter. „Kylar… Nichts hast du verbrochen. Du hast stets treu gedient und jetzt wollen wir dir – unseren vertrauenswürdigsten und engsten Verbündeten… nein Freund, unseren Schatz anvertrauen, auf dass sie wohlbehütet zu uns zurück kommt, wenn sie etwas über diese Welt gelernt hat.“ Hahah. Kylar war äußerst unzufrieden. „Du brichst morgen noch vor dem ersten Sonnenstrahl auf, Kylar.“ Der Kriegsmagier sah wieder zu seinem König und sein Blick war ziemlich unzufrieden. Er schlug die Faust auf die Brust, verneigte sich aber nur halbherzig und drehte sich energisch um, um zu gehen.
Kylars Blick wurde noch unzufriedener und wieder fragte er sich, wie es dazu hatte kommen können… Nicht dass er Jelais hassen würde, aber diese ganze Aufgabe kam ihm vor, wie ein Witz auf seine Kosten.