„Nein.“ Jetzt hatte Carl ein fragendes Gesicht. „Ich will diese Bastarde vernichten. Und das kann ich nur von hier.“
„Aber, Cian.“
„Schluss jetzt!“ Cian erhob sich und sah hinauf in die Sternenklare Nacht.
Carl sah nun finsterer aus, als Elena es je zuvor bei ihm gesehen hatte. Die Schatten um Carls Augen waren tief und dunkel. „Jetzt hör mir mal zu! Nur weil du dich jetzt unendlich stark fühlen magst, heißt das nicht, dass du einfach da rein spazieren kannst und alles abschlachtest, was dir in den Weg kommt, klar?“
Cian wollte was sagen, doch Carl unterbrach ihn mit lauter Stimme: „Nein! Jetzt rede ich! Schau dir dein Herzblatt doch mal an, sie kann sich ja kaum im Sitzen halten. Ihr müsst euch ausruhen und euch auf einen Kampf vorbereiten, sonst seid ihr sofort tot!“
Cian sah Elena an und erkannte erst jetzt, dass es ihr nicht – so wie ihm – nach der Verwandlung besser ging. Im Gegenteil, sie war erschöpfter denn je. Sofort kniete er sich wieder zu ihr herunter und legte ihr seine Hand auf den Rücken, indem er sie unter den Flügeln durchschob. Die andere strich über ihr Gesicht und wischte, die nun weißen Haare wag, die an ihrer Wange klebten. Sie hatte immer noch Fieber. Er war zu weit gegangen. Er nickte einsehend und Carls Ausdruck hellte sich wieder auf.
„Gut, jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir nach Irland kommen.“
„Mit dem Schiff.“, sagte er leise und Carl fiel es wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Der Luftraum wurde strengstens überwacht, aber die See? Auch da gab es in den Häfen Ein- und Abreisekontrollen, aber an der Küste? Zudem konnte sich Cians Yacht tarnen und war vor Radar und elektronischer Überwachung geschützt. Von dort konnten sie sogar direkt einen Satelliten anzapfen, der eine Sicherheitsstufe hatte, von denen manch einer nur träumen konnte. Der stammte jedoch noch aus McKenna Seniors Zeiten.
„Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir die Yacht in die Finger bekommen, sie werden dein Haus rund um die Uhr überwachen.“
„Ich muss unbedingt noch mal zurück Carl. Ich muss die Daten transferieren und löschen. Ich werde das Haus vernichten. Die Gefahr ist zu groß, dass jemand all die Dinge findet, die in meinem Keller sind und noch schlimmer, die Pläne. Du muss auf Elena aufpassen Carl. Ihr müsst versuchen, zur Küste zu kommen. Während ich das Boot hole. Tuna Canyon Park.“
Er beugte sich zu Elena hinab und gab ihr einen Kuss. Dann ging er in das Häuschen und holte eine Decke, in die er sie einwickelte. Anschließend gab er ihr ein Kissen und holte aus dem Geröll einen Handwagen, Carl bekam ganz normale Straßen-Sommer-Kleidung und eine Schirmmütze, da er mit dem jetzigen Aufzug ziemlich auffallen würde. Cian hatte sie in weiser Voraussicht mitgebracht, als er Klamotten für Elena und ihn besorgt hatte. Während Carl sich umzog, legte er Elenas Kissen in den Vergleichsweise großen, langen Handwagen und hob Elena hinein.
„Bei Tage versteckst du dich komplett unter der Decke, versstanden? Carl wird dich transportieren, soweit er kann, selbst wenn er eine Pause macht, bleibst du versteckt, hast du mich verstanden?“ offenbar konnte er es besser ertragen, sollte Carl etwas zustoßen als ihr. Oder es lag einfach daran, dass Carl weitaus unauffälliger war als sie. Er gab ihr einen langen Kuss, als Carl wieder aus dem Häuschen kam. Carl grinste übers ganze Gesicht und pure Freude erschien auf seinen Zügen. Endlich! Dachte er sich und war überglücklich, dass Cian es endlich geschafft hatte, sich in eine Frau zu verlieben.
„Schau mal.“, sagte er, als Cian und Elena fertig waren. „Handys.“
„Zu gefährlich.“
„Man kann sie auslassen, bis es notwendig wird.“
Cian schien zu überlegen und nickte dann. Sie machten Ort und Zeit aus, wo sie sich treffen würden. Die Zeit gaben sie mit plus-minus einer halben Stunde an. Sollte eine Partei es nicht rechtzeitig schaffen oder Probleme auftreten, würden sie die Handys an machen. Die Nummern standen, auf den Telefonen. Cian schien sich die andere innerhalb von Sekunden zu merken, während Carl sie sich aufschrieb.
„Ich liebe dich.“, sagte er zu Elena. Zu Carl: „Lauf immer weiter und blicke nicht zurück, mein Freund.“
Carl nickte und drückte Cian. Er wünschte ihm viel Erfolg und schnappte sich den Griff des Handwagens, der trotz seiner Größe, sogar von einem Kind hätte gezogen werden können. Cian drehte sich noch ein letztes Mal zu Elena um und sagte: „Bis später, A Chroi.“
Ohne es zu bemerken, hatte er gerade Gälisch gesprochen, was ihm sein Vater vor etlichen Jahren einmal beigebracht hatte. Die Familie McKenna hatten ihre Wurzeln nämlich in diesem Land und Mr. Der alte McKenna hatte das nie vergessen.
Cian erhob sich, mit seinen mächtigen Schwingen. Die Nacht über konnte er durch fliegen, sofern sein Körper dies zuließe. Er musste sich erst an das Ziehen im Rücken gewöhnen. Vielleicht kam er auch gar nicht so weit, wie er hoffte. Sicher war nur, dass er ab einem bestimmten Punkt laufen musste, um nicht so sehr aufzufallen.
Carl zog sofort an dem Wagen und sie setzten sich in Bewegung. Die Nacht würde er durchlaufen müssen, damit sie weit genug von dem Ort entfernt waren, wie möglich, an dem sie angegriffen wurden. Jetzt wo Carl keinen Anzug trug, konnte man deutlich sehen, dass er wohl auch ebenso stattlich ausgesehen haben mochte, wie Cian jetzt. Carls Muskeln waren jedoch etwas zurückgegangen und die Haut war faltiger, aber sonst, schien er immer noch viel Kraft und Ausdauer zu besitzen. Er bemerkte Elenas Blick und sagte: „Ich trainiere manchmal mit Cian… Schätze jetzt wäre das ein noch unfairerer Kampf, als er ohnehin schon war.“ er lächelte und hob gerade die eine Achse das Wagens über eine zu hoch stehende Wurzel. „Schlafen sie gut und ruhen sie sich aus. Bald werden sie wieder bei ihrem liebsten sein.“
Die meiste Zeit der Fahrt war holprig und schaukelte den kleinen Wagen immer wieder hin und her, aber Carl achtete genau darauf, dass der Handwagen nicht umkippte. Erst als der Morgen graute, hielt der Wagen an, die letzte Zeit, war die Strecke auch nicht so holprig. Es war nämlich ein Schotterweg. Carl legte Elena die Abdeckung über den Kopf und wartete. Er streckte sich und beugte seinen Rücken auf und ab. Ein Auto fuhr vorbei. Dann ging die Fahrt weiter.
„Wie geht es dir?“, konnte Elena Carls Stimme hören, wenn sie denn wach war.
Cian erreichte die ersten Ausläufer der großen Stadt und landete. Es war noch dunkel, und er konnte ungesehen in den Schacht klettern, der ihn zu dem unterirdischen Geheimgang führte, über den er in sein Haus gelangen konnte. Er fühlte sich schlapp und müde. Die ganze Anstrengung verlangte seinen Tribut. Der Rücken schmerzte, genau wie sein Brustkorb. Eigentlich tat ihm alles weh. Er stützte sich an der Wand ab. Fast war er da, nur noch ein paar Biegungen. Der Morgen graute bereits. An der Tür angekommen, gab er den Code ein. Jetzt nur noch die Iriskontrolle…
„Scheiße!“ rief er aus, ein Countdown war auf der Anzeige zu erkennen und zwar von 20 rückwärts. „Fuck! Was mach ich denn jetzt?“ Er überlegte hin und her und her und hin, aber er hatte keine Wahl würde er seine Augen nicht ran halten, würde sich das System verabschieden und ihn hier einfangen. Der Countdown war bei 5 - 4 - 3 - 2 – 1. Er hielt seine Augen an die Kamera und…
„Zugriff gewährt. Herzlich willkommen, Mr. McKenna.“
Cian fiel ein Stein vom Herzen, er schleppte sich hinein und stützte sich an eine Wand. Dann kickten seine Beine ein und er glitt an eben der Wand zu Boden. Er fiel sofort in einen tiefen Traumlosen Schlaf.