Herzogtum Amaran

Velkyn sprang auf und atmete etwas schneller, dann hielt er sich die Hand vor die Augen und mit der anderen den Kopf. „T-tut mir leid.“, stammelte er. Er zeigte selten Gefühle, aber wenn, dann schienen sie ihn ja förmlich zu überrollen. Sie kam zurück in den Unterstand, obwohl sie kurz gezögert hatte und ging in die Ecke.
Er hatte Naira jetzt schon ein paar Mal angefasst, sie sogar nackt auf der Schulter getragen, aber das hier war anders. Sie hatte auf ihm gelegen. Ohne, dass er es zugelassen hatte. Er drückte sich regelrecht in die andere Ecke des Unterstandes und schien sich für sein Verhalten zu schämen. Mehr als sich zu entschuldigen viel ihm nicht an. Er wusste ja selbst, dass das eben nicht besonders „normal“ und auch nicht besonders „nett“ gewesen war, aber er hatte… dieses Gefühl, dass sie auf ihm gelegen hatte. Er hatte die Kontrolle über sich verloren. Es tat ihm wirklich leid und Naira.

"Schon gut,"
nuschelte sie so, wie sie saß. Es klang sicher trauriger als gewollt. Sie hob schließlich den Kopf und sah zu ihm rüber. Er schien etwas aufgewühlt zu sein. Armer Kerl. Was hatte er denn nur dagegen, wenn ihm so etwas geschah?
"Du warst überrascht. Ich weiß nicht, warum du so reagierst, aber ich werde versuchen besser auf zu passen."
Sie konnte ihm nicht böse sein. Schließlich wurde er verfolgt, war gequält worden, wie man an den Narben deutlich hatte sehen können, und ... nun wahrscheinlich hatte all das mit dazu geführt, das er eben keine Berührungen mochte.
"Lass uns versuchen, die Nacht rum zu kriegen und dann gehen wir weiter. Wir brauchen neue Vorräte und so was,"
erklärte sie nun verständnisvoll.

Velkyn hob den Blick. Naira hatte das Gefühl, als würden seine Augen weniger leuchten als sonst. Er nickte. „In Ordnung.“ Er deutete mit dem Kopf kurz zur Bank, oder besser dorthin, wo er gelegen hatte und sagte: „Ich passe auf.“ Was sie vielleicht auch gleich hätten machen können. Wache halten, war nicht die schlechteste Idee, nicht wahr? Velkyn stand auf und stellte sich hin, um in den Regen hinauszustarren, seine Arme hatte er um seinen Körper geschlungen. Nicht weil ihm kalt war, er fror in der Regel nie, sondern weil er an die Vergangenheit dachte.
Naira wusste nicht, wieso er sich so verhielt, und er glaubte, dass sie es auch nicht wissen wollte. Wie lange hatte Victoria gebraucht, um ihn zugänglich zu machen und wie lange noch danach, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen? Ihr Kind… Sein Kind… Velkyn unterdrückte die tiefe Traurigkeit in seinem Herzen und blickte stumpf in den Regen, ein verirrter Tropfen streifte seine Wange und er wischte ihn ab und betrachtete ihn. Der Himmel weinte für ihn, denn er hatte keine Tränen mehr.

Naira wollte ihm nicht zu nahe treten. Er wollte nicht darüber reden und sie wollte ihn nicht drängen etwas zu sagen. Es würde nur zu Streit führen und dann würden sie sich vielleicht gegenseitig mit Worten verletzen. das war das, was sie am wenigsten wollte.
Naira kroch also zurück auf die Bank, drehte sich aber so, das sie noch ein wenig in den Regen schauen konnte. Natürlich betrachtete sie auch Velkyn, wie er da stand. Es sah aus, als würde er sich eine Träne weg wischen. Naira wollte ihn trösten, aber wie? Sie ließ es besser. Gerade nachdem er sie eben noch so energisch weg gestoßen hatte. Er musste wirklich eine schreckliche Vergangenheit gehabt haben. Seine Augen wirkten trauriger, als sonst. Das leuchten war nicht so stark wie sonst. Vermutlich wirkte es deshalb viel trauriger. Naira schloß die Augen, traurig darüber, Velkyn nicht helfen, und trösten zu können und lauschte dem Regen. Es dauerte nicht lange, ehe sie wieder ein schlief. Nur das rauschen des Regens begleitete sie in ihre Träume.

Velkyn ließ Naira ausschlafen. Er brauchte ohnehin Zeit für sich und sie brauchte den Schlaf. Der Regen legte sich auch bald wieder und die Sonne ging auf und schließlich kroch sie hoch in den Himmel. Als die ersten Strahlen in Nairas Gesicht fielen erwachte sie auch. Velkyn stand auch nicht mehr am Eingang, sondern hatte sich auf die Bank gesetzt und betrachtete sie beim Aufwachen. Er lächelte, wie immer und sagte: „Guten Morgen.“ Er hatte das Rührei schon langsam über dem Feuer erwärmt, welches behaglich knisterte.
Es schien, als sein nichts mehr von der schlechten Stimmung des Vortages übrig. Er hatte mit einem ausgestreckten Bein und einem angewinkelten Bein dort gesessen und dabei den Arm über letzteres gelegt. Er sah etwas verwegen aus, erhob sich nun aber. „Ei?“, fragte er Naira und ging zu selbem hinüber. Sie würden Frühstücken und dann weiterziehen.
Hätte Naira ihn gefragt, warum er so unbedingt nicht angefasst werden wollte, er wusste nicht einmal ob er es erzählen würde oder nicht, da er ja auch nicht als verschlossen gelten wollte, aber manche Dinge hatte er nicht mal Victoria erzählt.

Naira blinzelte, als ihr die Sonnenstrahlen ins Gesicht fielen. Langsam öffnete sie die Augen und streckte sich.
"Guten Morgen,"
lächelte sie nun wieder. Ach Velkyn. Immer lächelte er, doch es erreichte nie seine Augen. Wie er da saß. Wirklich niedlich, wenn man denn gefallen daran fand.
"Gern,"
antwortete sie auf die Frage nach dem Ei.
"Geht es dir etwas besser heute morgen?"
wollte sie wissen, als sie sich nun setzte und noch einmal die Arme streckte. Sie hatte geglaubt, r habe geweint, doch das hätte eben so der Regen gewesen sein können. Sie hatte ihn nicht gefragt, warum er sich nicht anfassen ließ, sondern lediglich für sich gemutmaßt, das ihm etwas schreckliches widerfahren sein musste.
"Du lächelst, aber es ist nie echt. Warum?"

Velkyn holte mit der einen Holzschale etwas von dem Ei hervor und reichte es Naira. Sie fragte nach seinem Befinden und er antwortete: „Es ging mir nicht schlecht.“ Er bezog das auf seinen Körper und dachte gar nicht daran, dass sie seine aufgewühlten Gedanken gemeint haben könnte. Sie sah ihn skeptisch an. „Ich habe DICH gestoßen, also sollte ich eher fragen, wie es dir geht.“ Das Lächeln auf seinen Lippen blieb und er wollte wohl noch mal guten Willen zeigen, indem er sagte: „Es geht mir…“ Er suchte nach einem Wort und fand es: „Normal.“
Er fing an den übriggebliebenen Rest Ei in sich hineinzuzwängen, als Naira ihn weiter musterte und noch inne hielt mitessen. Und dann stellte sie ihm eine Frage, die ihn erstarren ließ. Außerdem gefror sein Lächeln in diesem Moment und er ließ seinen Holzlöffel etwas sinken. Er blickte unentwegt in das Ei und schien nach Worten zu suchen. Ja. Jemanden, den er einfach auf der Straße traf, dem er nicht so lange ausgestzt war, wie Naira, konnte er mit diesem Lächeln täuschen. Sie aber nicht. Vielleicht hatte sie es auch von Anfang an bemerkt? Er wusste es nicht.
„Ich…“ begann er und wagte nicht sie anzusehen. „Ich versuche mich zu bessern.“ Als wäre das eine Antwort auf ihre Frage! Er aß weiter. Das sollte wohl heißen, er würde versuchen sein Lächeln noch besser zu schauspielern.

Sie nahm einen Löffel voll Ei, sah aber Velkyn weiterhin an. Sie schluckte das Bisschen Ei runter und musterte ihn.
"Nein ... Du solltest nicht lächeln, wenn es nicht echt ist. Du solltest dann lächeln, wenn du es ehrlich meinst, oder du dich wirklich freust. Zum Beispiel, wenn du dich an etwas schönes erinnerst, oder du etwas siehst, was dich erfreut. Vielleicht ein Schmetterling, oder etwas anderes. Ein Lächeln sollte ehrlich sein und von Herzen kommen."
Nun das war ihre Meinung. Sie lächelte nicht, wenn sie es nicht ehrlich meinte.
"Also ... bessere dich nicht im Schauspielern deines Lächelns. Wir finden sicher etwas, was dich zum lächeln bringt."
Sie wollte ihn nicht belehren, aber wenigstens klar stellen, das sie es längst bemerkt hatte. Sie ließ Velkyn Zeit darüber nach zu denken und verschlang ihr Ei. Als sie fertig war, konnten sie auch bald aufbrechen.
"Glaubst du, wir treffen nun öfter auf solche Kreaturen, wie die, der du das Ei geklaut hast?"

Velkyn ließ den Löffel wieder sinken und sah sie nun an, als sie ihm zu verstehen gab, was sie von ihm wollte. Das war das exakte Gegenteil von dem, was er glaubte gelernt zu haben. Die Leute lächelten sich ständig zu, auch wenn sie es nicht so meinten. Was sollte schon schön daran sein einen Menschen zu treffen, den man nicht ausstehen konnte. Dennoch lächelten die hohen Herren immer dabei! Er hatte versucht die Leute zu imitieren. Es gelang nur nicht so richtig. Es sollte von Herzen kommen? Dann würde er nie lächeln. Was sollte ihn schon zum Lächeln bringen? „Ein Schmetterling? Wieso sollte mich ein Insekt erfreuen?“ Nicht dass er Schmetterlinge eklig fand, aber Insekten waren einfach generell nicht so sein Ding. Was sollte ihn überhaupt erfreuen? Schöne Erinnerungen? All seine schönen Erinnerungen gipfelten jedes Mal in einer Welle von Gram und Trauer, denn alle schönen Erinnerungen hatte er mit Frau durchlebt. Und die war tot. Ermordet.
„Ich habe keine schönen Erinnerungen mehr.“, sagte er wahrheitsmäßig, nachdem sie ihre letzte Frage gestellt hatte und erhob sich. Er hatte etwas düsterer geklungen als sonst und fügte an. „Dann werde ich das Lächeln einstellen, wenn du es so lieber magst.“ Er sah nun wieder gänzlich nüchtern aus. „Ich denke nicht, dass es noch einmal dazu kommen wird. Ich werde in Zukunft keine Eier mehr stehlen. Und wenn doch… Tja. Ich kenne mich hier ebenso wenig aus wie du.“ Ihm viel noch eine wichtige Frage ein: „Sag mal… Kannst du eigentlich kämpfen?“ Wo sollte sie das auch gelernt haben?

"So war das nicht gemeint. Weißt du ... es gibt mehrere Formen des Lächelns. Es gibt das Lächeln aus Höflichkeit. In dem Fall lächelt man halt, weil man höflich ist, wie wenn man jemanden begrüßt. Es Gibt einem eben ein besseres Gefühl. Dann gibt es das wirklich falsche Lächeln. Dabei sieht man schon manchmal, das Derjenige keine guten Absichten hat oder etwas im Schilde führt. Dann gibt es das ehrliche Lächeln. Es ist dann da, wenn man sich über Dinge oder Geschehnisse freut, oder jemanden den man mag sieht und begrüßt oder so. Ah und es gibt das Schadenfrohe Lächeln, was die Leute auf legen, wenn jemandem etwas dummes geschieht. Meistens erkennt man es an den Augen. das mit dem Schmetterling war ja nur ein Beispiel. Ich weiß noch nicht, worüber du dich freuen würdest, aber das finde ich noch raus. Dein Lächeln ist bei Begrüßungen angebracht. Ein ehrliches Lächeln, macht auch andere Glücklich ... oder mich. Ich denke, es gibt bestimmt etwas, was dich auch zum lächeln bringen kann. Wir werden sehen."
nun zumindest hoffte sie es. Er konnte wunderschön lächeln nur war ein echtes Lächeln, eines das die Augen auch erreichte, sehr viel schöner. Sie wurde durch seine Fage aus dem Konzept gebracht.
"Ich? Kämpfen? Nein ... wer hätte es mir bei bringen sollen?"

Velkyn folgte ihren Ausführungen. Er wusste das es unterschiedliche Arten des Lächelns gab nur fiel es ihm schwer, dieses Lächeln auf natürliche Weise zu produzieren. Ihre Antwort auf seine Frage fiel aus, wie erwartet. Sie konnte es nicht. Er würde sie schützen müssen und wenn er eines in der Vergangenheit gelernt hatte, dann war es wohl, wie man Personen beschützte.
„Ich weiß, dass man lächelt, wenn man jemanden begrüßt, den man mag.“, murrte er. „Deshalb habe ich es ja auch eben gemacht.“ Mehr gab es dazu wohl nicht zu sagen. Sie wollten los und so liefen sie auch los. Sie folgten dem Fluss erfahrungsgemäß kamen sie so irgendwann auf einen Weg und dann in eine Stadt oder ein Dorf. Hoffentlich blieben sie heute verschont. Sie kämpften sich mehr oder weniger am Fluss entlang. Mal konnten sie auf den seichten Sandbänken des Flusses gehen, mal mussten sie die Böschung hinauf und über den ein oder anderen Felsen klettern, aber schließlich kamen sie an einen guten Platz, wo sie rasten konnten. Velkyn stellte den Rucksack ab und holte eine Angelschnur heraus. Er sagte nichts dazu und würde sein Glück nun einfach mit dem Fischen versuchen. Vielleicht biss ja der ein oder andere an.

Irgendwie kam sich Naira nun ein wenig bescheuert vor. Velkyn war ja nicht von vorgestern. Immerhin hatte er eben zugegeben, das er sie mochte, was Naira natürlich sehr freute. Sie sagte jedoch nichts dazu. Statt dessen ging sie erst einmal gesenkten Hauptes neben ihm her. Erst später, sah sie wieder durch die Gegend und erfreute sich an allem, was sie sah oder neu entdeckte. Zum Beispiel Forellen, die aus dem Wasser sprangen, und wieder darin eintauchten. Der Weg war zum Teil schon etwas beschwerlich, doch Naira fand es auch irgendwie schön, nicht immer einen einfachen Weg zu haben, denn so konnte sie noch mehr entdecken. Da waren Eidechsen, Libellen und andere Tiere, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Auch Pflanzen, die nicht in der Nähe ihres Hauses gewachsen waren, fand sie dort vor. Sie kletterten, wanderten und schließlich hatten sie ein Plätzchen gefunden, an dem sie rasten konnten. Velkyn wollte also angeln. nun gut, dann konnte sie doch genau so gut in der näheren Umgebung nach Beeren und Pilzen suchen, oder? Sie müsste ja nicht weit weg gehen.
"Ich schau mal, ob ich ein paar Beeren und Pilze in der Nähe finde. Vielleicht auch ein paar frische Kräuter."
Sie würde versuchen in Sicht, oder wenigstens Hörweite zu bleiben. Schließlich wollte sie nicht auch noch eine böse Überraschung erleben. Sie konnte sich kaum selbst verteidigen.

Velkyn konzentrierte sich auf den Angelhaken und nickte. „Geh nicht zu weit weg.“ Er wollte keinesfalls, dass sie in Schwierigkeiten geriet. Vor allem, wo sie nicht kämpfen konnte. Das könnte böse für sie enden. Eine Weile angelte er ziemlich erfolglos vor sich hin, aber schon bald wurde es interessanter. Eine Forelle hatte sichtlich Interesse an dem glitzernden hüfenden Haken und Köder. Velkyn zog an, als sie zu schnappte und hakte sie direkt an. Ha! Er zog das Tier an Land und beendete sein Leid mit einem heftigen Schlag auf den Kopf. Immerhin Angeln konnte er. Wenn er schon sonst recht nutzlos in der Wildnis war. Ein Fisch reichte jedoch nicht, also warf er seine improvisierte Angel gleich wieder aus.
Er sah sich einmal um nach Naira. Er stand dazu auf und erblickte sie, wie sie durch die Büsche kroch. Er wusste nicht, ob es hier Schlangen oder andere giftige Tiere oder gar Monster gab. Aber im Moment war wohl alles recht friedlich. Hatte sie was gefunden? Kannte sie sich mit Pilzen aus? Vermutlich besser als er. Sie wusste schon, was sie tat.

Naira suchte und fand auch wonach sie suchte. Da waren Pilze. Giftige, aber auch essbare. Die giftigen ließ sie natürlich stehen, dafür nahm sie die Essbaren mit. Natürlich fand sie auch Beeren. Es gab hier viele und sie sah auch wirklich genau hin, damit ihr so etwas wie am Anfang mit der Schlange nicht noch einmal geschehen würden. Schließlich fand sie auch ein paar Kräuter, die wunderbar zu den Pilzen passen würden. Ab und zu sah sie zu Velkyn, um die Entfernung nicht zu groß werden zu lassen. Schließlich sorgte sie sich auch ein wenig um ihn. Er hatte eben einen Fisch gefangen, als sie zuletzt hin sah . Als sie herunter blickte, fand sie gerade einen wunderbar großen Pilz, aus dem sie auch Schnitzel schneiden könnte. Den einfach ab zu brechen wäre nicht einfach, aber die Wurzel wollte sie nun auch nicht heraus ziehen. Nun da half alles nichts. Alles was sie hatte, war ein Messer, das man einklappen konnte. Mit diesem kleinen Werkzeug machte sie sich nun daran, den Pilz ab zu schneiden. Dazu musste sie schon ein wenig durch die Büsche krauchen, doch als sie ihn endlich hatte, stand sie stolz mit ihrer Beute da und betrachtete den riesigen Pilz. Er war so groß wie ein Kürbis und ihr lief schon bei dem Gedanken daran, wie er geröstet schmecken würde, das Wasser im Mund zusammen. Sie brachte ihre Ausbeute direkt zum Lager und breitete alles dort auf einem Tuch aus. Den riesigen Pilz begann sie direkt in scheiben zu schneiden. Ob Velkyn ihn mögen würde? Wenn nicht, hätte er den Fisch für sich und sie eben den Pilz.

Velkyn sah Naira zurückkommen. Er hatte mittlerweile zwei Fische gefangen und sie bereits getötet. Sie fing gerade an, einen riesigen Pilz zurechtzuschneiden, als er sie aufhielt und sagte: „Warte. Wir sollten die Pilze heute Abend essen. Die Fische sollten wir sofort zubereiten, solange sie noch frisch sind.“ Er könnte sie auch räuchern, aber er hatte eben keinen Räucherofen. Nun sie könnte vermutlich dennoch alles so weit zubereiten, aber eben noch nicht kochen oder braten. Velkyn unterdessen steckte die Fische auf einen Stock und hing sie über das Feuer, was er aufgeschichtet hatte. Das schien er schon öfter gemacht zu haben, denn es schien toll zu klappen. Vorher hatte er die Fische natürlich ausgenommen und gesalzen, sowie sich ein paar Kräuter von Naira geben lasse, von denen sie der Meinung war, dass sie schmecken könnten. Er würde es sich merken.
Sie würden nun eine Weile dort sitzen müssen. Velkyn sah Naira zu, wie sie die Schnitzel aus dem Pilz fertigte und reichte ihr ein Tuch, wo sie sie bis zum Abend drin einwickeln könnte, damit sie nicht beschädigt würden. Er lächelte nicht. Er nahm sich zu Herzen, dass sie es nicht mochte, wenn er unecht lächelte. Aber ob ihr die Alternative gefallen würde? Fraglich. Ausdruckslos starrte er nun ins Feuer.

Sie hielt inne, doch was konnte es schon schaden, wenn sie nun die Pilze zubereitete? Eigentlich mochte sie eh nicht so gern Fisch. Das Pflanzenreich bot ihr fast alles, was sie wollte. Als sie fertig war, reichte er ihr ein Tuch für die Pilze. Die Fische sahen wirklich gut aus, aber sie wollte dann doch lieber den Pilz. Zumindest zwei Scheiben.
"Du hast so was schon öfter gemacht, nicht? Es sieht wirklich gut aus. Kannst du mir bitte zwei Scheiben Pilzschnitzel ins Feuer legen? Ich hab mich schon drauf gefreut, seit ich ihn gefunden habe. Wenn du möchtest, ess ruhig beide Fische."
Würde sie jetzt Kräuter drauf packen, würden sie verbrennen. Es wäre wirklich zu schade, also würde sie diese erst kurz bevor die Pilzschnitzel fertig waren drauf verteilen. Sie reichte Velkyn die Pilzschnitzel und packte die restlichen, wie auch die anderen Pilze, in das Tuch. Bis heute Abend wären sie da drin sicher. Die Beeren konnten sowohl zu Fisch, als auch zu Pilz oder eben als Nachtisch gegessen werden. Hoffentlich war Velkyn nun nicht enttäuscht. Er sah zwar ausdruckslos aus, aber in den Augen sah man doch immer Gefühle, auch wenn sie leuchteten, oder gerade dann.

Velkyn sah sie skeptisch an. „Ich schaffe keine zwei Fische.“ Dann sah er zu den Pilzen. „Wenn du sie einfach ins Feuer schmeißt, werden sie ohne Zweifel verbrennen.“ Er betrachtete ihr Tun. Warum hatte er den zweiten Fisch geangelt? Sie hätte doch vorher sagen können, wenn sie keinen Fisch mochte. Er verstand nicht, was los war. Dann antwortete er trotzdem auf die Frage: „Ich kenne mich nicht aus. Fische sind nicht giftig und ich kann sie fangen. Ja… das ist das Einzige, was ich gemacht habe, wenn ich kein Essen mehr hatte.“ Er stand auf.
„Na sieh mal einer an.“ Er blickte hinauf zu einem Mann, der die Sonne im Rücken hatte, weshalb Velkyn die Augen abschirmte. „Hey Jungs. Die haben Essen für uns gemacht. Wie höflich!“ drei Weitere Männer kamen über den Hügel über ihnen. Sie lachten. Velkyn fragte: „Wer seid ihr?“ Der Redner sprang den Felsen hinab. „Reisende?“ Velkyn betrachtete die Ausbeute die Naira eben hatte verstauen wollen und die Fische. „Wir haben genug für alle.“ Der man sah ihn kurz verdutzt an. Er schien nicht erwartet zu haben, höflich eingeladen zu werden. Fakt war jedoch, dass diese Männer keine Reisenden waren, sondern irgendwelche Halsabschneider.

Ganz einfach, weil er sie nicht gefragt hatte. Er wusste, das sie Fleisch nicht mochte. Da war es vermutlich naheliegend, das sie auch keinen Fisch mochte. Nun die Entscheidung darüber, was wer von ihnen essen konnte, oder wollte, wurde ihnen gleich abgenommen. Ein Mann tauchte plötzlich auf und allein an der Art wie er sprach, erkannte Naira schon, das dieser Kerl nichts Gutes im Schilde führte. Velkyns Reaktion wäre ja nur all zu süß gewesen, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre. Es kamen noch drei Männer und Naira war durchaus klar, was das zu bedeuten hatte. Schnell schlug Naira das Tuch zu, so das die restlichen Sachen zumindest bedeckt waren.
"Ich fürchte, die wollen das nicht mit uns teilen ... und auch nicht darauf verzichten, unsere Rucksäcke liegen zu lassen,"
erklärte sie Velkyn, der offensichtlich dachte, diese Leute wollten nur etwas mit ihnen essen. Naira rutschte automatisch näher zu Velkyn, wobei sie das Tuch mit den Pilzschnitzeln direkt in den Armen hielt.

Velkyn musterte die vier, die nun nur noch 5 Schritte entfernt waren. „Schlaues Kind.“, sagte der scheinbare Anführer. „Unsere Rucksäcke brauchen wir aber.“ „Hm. Zu schade. Schöne Klingen habt ihr da.“, er deutete auf Velkyns Kurzschwerter, und er sah hinab. „Danke.“ Der Mann verzog das Gesicht nun etwas unzufrieden. „Hältst du das hier für ein Spiel, Bursche?“ Velkyn sah zu Naira, die ihre Pilze offensichtlich mit ihrem Leben verteidigen wollte. Er seufzte. „Wir haben euch angeboten, unser Essen zu teilen, unseren privaten Gegenstände brauchen wir. Er zog beide Klingen wenig bedrohlich hervor und hielt sie vor sich. „Nehmt sie, wenn sie euch gefallen. Ich möchte keinen Kampf.“
Das hier schien die Banditen noch einmal zu verwirren. Der Anführer nickte einem seiner Leute zu und der ging zu Velkyn und nahm ihm die Waffen ab, ehe er zurück zu den anderen ging. „So und nun, da du unbewaffnet bist, ist ein Kampf für euch sowieso aussichtslos, also her mit den Rucksäcken!“ Scheinbar vermuteten sie etwas Wertvolles darin. Velkyn seufzte. Er drehte sich um, ging aber nicht zum Rucksack, sondern drehte die Fische einmal. Er hatte ja wirklich die Ruhe weg.

Naira ahnte, wie das Enden würde. Sie wusste genau, das Velkyn nur dann etwas tun würde, wenn es notwendig war. Nun auffallen wollten sie eben beide nicht. Sie rutschte nun noch weiter zurück, um einem eventuellen Greifen des Mannes aus weichen zu können, oder eben aus seiner Reichweite zu gelangen.
"Also ... er hat euch höflich eingeladen und euch auch seine Waffen geschenkt. Das sollte doch wirklich reichen. In den Rucksäcken ist nichts, was ihr gebrauchen könntet und wenn ihr sie mit Gewalt nehmen wollt ... Nun dann möchte ich nicht in eurer Haut stecken,"
kommentierte sie das ganze ziemlich nüchtern. Inzwischen stand sie da, die Pilzschnitzel in den Armen im Tuch und bereit notfalls auf Velkyns Befehl hin zu rennen.
"Ihr solltet das Angebot an nehmen ... wirklich,"
erklärte Naira noch einmal nachdrücklich.

Der Anführer glaubte ja wohl zu spinnen, was war nur los mit den beiden? Er sagte: „Jetzt hört mal zu! Ihr wisst schon, dass ihr hier keine Wahl habt, ja? Jetzt raus mit dem Zeug und verzieht euch, ehe wir euch Beine machen!“ Velkyn wusste nicht, was er noch sagen konnte, um die Leute zu beschwichtigen. Er war sogar fast gewillt nachzugeben und ihnen alles, was sie hatten zu überlassen. Er hatte genug. Er hatte genug vom Töten.
„Also schön…“, sagte er nun. „Naira. Wir gehen einfach. Lass das Zeug hier. Wir können uns neues besorgen.“ Naira wollte ihre Pilze mitnehmen und Velkyn hielt sie auf, wobei er eindringlich sagte: „Lass die Pilze hier!“ Sie schien nicht glücklich darüber. Sogar ziemlich wehleidig sah sie aus. Sie wollte etwas sagen, aber schloss den Mund wieder und senkte den Kopf.
Das schien nun Gefallen zu finden bei den Räubern. Velkyn sagte nichts mehr und der Anführer sagte: „Geht doch. Wünsche eine angenehme Reise.“ Auch darauf sagte Velkyn nichts und der Kerl lachte leise. Sie wollten eben weiter gehen, als einer der anderen Männer sagte: „Warte Boss! Die Kleine! Die sieht doch so süß aus. Lass uns doch zum Zeitvertreib ein wenig mit ihr kuscheln!“ Er machte eine Anzügliche Geste. Naira, die gerade zu Velkyn hochsah, sah zwei Dinge. Er blieb abrupt stehen und seine Brauen zogen sich so weit zusammen, wie noch nie. Seine Augen leuchteten regelrecht und sie hatte ihn noch nie so zornig gesehen. Vor allem von jetzt auf gleich. „Warum nicht?“, sagte der Anführer nun noch. „He, Kleine. Komm her!“ Einer richtete den Bogen auf sie. „Sonst… müssen wir dich daran hindern zu laufen.“
„Was habt ihr gesagt?“, fragte Velkyn so kalt, wie die Gletscher im Norden. „Hörst du schwer? Wir wollen sie ficken!“ Er lachte.
Velkyn drehte sich um zu ihm und schwarze schlieren lösten sich von ihm. Seine Gestalt schien immer wieder zu verschwimmen, ehe sie wieder eine feste Form annahm. Die vier Wichen zurück und der Pfeil flog von der Sehne. Er flog auf Naira zu, doch Velkyn fing ihn aus der Luft. DAS hatte wohl noch niemand der Anwesenden gesehen. Er zerbrach ihn mit derselben Hand und irgendjemand rief: „W-Was ist das?!“
Velkyn schuf in seiner Hand aus den Schatten eine Klinge, die einem Katana ähnelte und sagte ganz ruhig und leise zu Naira: „Schließ bitte die Augen.“ Dann wandte er sich mit ebenso kalter Stimme wie zuvor an die Leute zurück: „Wir gaben euch Essen, unsere Sachen und ein Lagerfeuer, aber ihr bekommt nicht genug. Nein, stattdessen wollt ihr eine junge Frau schänden und ihr unerträgliche Schmerzen und Narben auf ihrer Seele zufügen.“ Er hatte bis eben noch den Blick leicht gesenkt gehabt, nun aber sah er direkt in das Antlitz des Anführers. Welcher erschrocken zurück wich. Velkyn fragte sich unwillkürlich, wie viele Frauen er schon gegen ihren Willen vergewaltigt hatte. „In euch gibt es keinen Funken Licht!“ Ohne ein weiteres Wort. Stand er plötzlich, ohne sichtbar hingelaufen zu sein hinter dem Mann und durchtrennte die Hauptschlagader des Anführers, dann war er beim nächsten und seine Klinge spießte vorne aus der Brust in Herzhöhe. Zwei stürzten sich auf Naira, doch er war wieder so schnell bei ihr, dass man es nicht sah. Er brach dem einen mit der freien Hand das Zungenbein, was ihn jämmerlich ersticken lassen würde und dem letzten Trieb er die Schattenklinge direkt vorne durch die Stirn. Dann dematerialisierte sich das Schwert und Velkyn stand mit geballten Fäusten bei Naira und sah auf den Boden.

Naja ... auf die Pilzschnitzel hatte sie sich eben gefreut, aber sie wollte ja auch keinen weiteren Ärger. Sie sah gerade hoch, als diese widerlichen Typen davon sprachen, was sie mit ihr machen wollten. Naira drehte sich zu ihnen um. In ihrem Blick stand blankes Entsetzen. Sicher würde sie freiwillig nicht zu ihnen gehen. Velkyn war abrupt stehen geblieben. Sie konnte direkt sehen, das seine Augen viel stärker leuchteten. Er bat sie die Augen zu schließen. Das bedeutete, es würde nicht nett für diese Männer enden. Sie waren widerlich und Naira verabscheute solche Kerle. Allerdings wollte sie auch nicht unbedingt sehen, was gleich geschehen würde. Sie schloß also die Augen und wartete. Was sie hörte war wirklich nicht schön. Einer gurgelte, der andere ächzte, der nächste röchelte und von dem vierten hörte sie nicht einmal mehr etwas, ausser, das er scheinbar zu Boden fiel. Naira hielt die Augen geschlossen. Sie würde sie erst öffnen, wenn Velkyn sie darum bat. Es war scheinbar vorbei. Sie konnte Velkyn bei sich spüren. Diese Männer hatten es nicht überlebt. Sie konnte das Blut .. oder besser den Geruch von dem Eisen im Blut wahr nehmen. Das trug sie Velkyn nicht nach. Diese Männer hätten sie beide getötet, wenn sie es gekonnt hätten. Sie hatten ihr Todesurteil unterschrieben, in dem Moment, da sie beschlossen, ihnen etwas an zu tun.
"Bring mich bitte hier weg,"
murmelte sie. Sie wollte das nicht sehen und Velkyn damit in irgendeiner Form beschämen oder ähnliches.

„Ja“, sagte er ganz leise. Er sammelte eben alles ein. Nahm die inzwischen garen Fische vom Feuer und trat es aus. Dann ging er zu Naira und berührte leicht ihren Rücken und führte sie den schmalen Weg am Felsen vorbei hoch und hinter die Böschung. „Du kannst sie öffnen.“ Velkyn klang immer noch nüchtern. Er schwieg eine Weile. „Ich… wollte das nicht.“ Nein. Er hatte wahrhaftig mehr Blut in seinem Leben vergossen, als gut für ihn war. Er wollte nicht töten, aber alleine der Gedanke, dass sie mit Naira das taten, was… er senkte den Blick und ließ den Arm mit den Fischen leicht sinken. Er hatte dem Kampf aus dem Weg gehen wollen. Er hatte wirklich geglaubt, dass er nur EINMAL nicht tuen musste, was er am besten konnte.
Naira wusste, dass er ein Leibdiener und Leibwächter gewesen war. Und zwar von einem Herzog. Dass er kämpfen konnte, stand außer Frage. Sie hatte gesehen, wie er mit den Schatten verschmolzen war, wie er das Schwert geformt hatte. So jemand war sicher praktisch, als Leibwächter. Sie sah aber auch, dass es ihm absolut keine Freude machte zu töten. Und doch fiel es ihm so leicht. Ein Hieb, ein Schlag ein Stoß. Es war so einfach ein Leben zu nehmen.
Er reichte Naira ihren Rucksack und ging nun einfach weiter, als sei überhaupt nichts gewesen. Velkyn hatte durchaus Gefühle. Es gelang ihm nur nicht diese richtig zu zeigen.

Naira wartete. Sie öffnete die Augen nicht. Velkyn wollte nicht, das sie das sah und sie legte auch keinen Wert darauf. Als er wieder kam, konnte sie den Fisch deutlich riechen. Velkyn schien ihre Sachen eingesammelt zu haben und führte sie nun hier weg. Erst als sie ausser Sichtweite waren, konnte sie die Augen wieder öffnen. Sie sah zu Velkyn auf. Es schien ihm gar nicht gefallen zu haben und sie verstand das durchaus.
"Ich weiß. Es tut MIR leid ... das du es meinetwegen ... tun musstest. Wahrscheinlich hätten sie uns eh getötet, hättest du sie nicht vorher ... Es tut mir leid Velkyn."
Das tat es wirklich. Könnte sie sich doch nur gegen solche Kerle wehren.
"Bring mir bei, wie man sich verteidigt,"
bat sie ihn recht leise.
"Es muss nur so viel sein, das ich mich selbst wehren kann,"
fügte sie hinzu. Sie nahm ihren Rucksack. Er hatte ihr sogar die Pilze mit eingepackt. Er ahnte ja nicht, wie dankbar sie ihm war und wie gern sie sich für seine Hilfe revangieren wollte.

Velkyn schüttelte leicht den Kopf. „Nein“, sagte er nüchtern. „Es ist nicht deine Schuld. Sie waren selbst schuld an allem. Sie wollten dir schrecklicheres als den Tod antun.“ Er ging nicht weiter darauf ein und schwieg einen kleinen Moment. Dann forderte sie ihn auf, ihr das Kämpfen oder besser die Verteidigung beizubringen und er sah sie an. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Das schien sie nun etwas zu demotivieren und er fügte an: „Ich kann es aber versuchen.“ War vielleicht besser so. Er stellte erneut fest, dass es ihm deutlich besser gefiel, wenn Naira fröhlich war, aber das konnte er wohl kaum erwarten. Er liebte ihre Art, wie sie die Welt betrachtete, wie sie vor Glück zu platzen schien, wenn sie etwas Neues entdeckte. Sie war zwar auch nicht hinterm Mond aufgewachsen, aber hatte eben nur aus den Geschichten gelesen, wie die Welt aussah. Es nun in Echt zu erleben, gab ihr eine Aura puren Glücks. Und das heiterte auch ihn auf. Er überlegte kurz und versuchte einen kleinen Scherz zu machen, um sie lachen zu sehen. Wobei Scherz vielleicht übertrieben wäre… Velkyn war nicht gut in sowas: „Aber ich glaube kaum, dass du am Ende Pfeile auffangen kannst.“ Seine Ausbildung war hart gewesen. Sehr hart.