„Varus.“ Angesprochener sah hoch zu dem Richter. „Wir stehen hier vor einem Dilemma.“ Varus lauschte dem Mann. „Deine Verfehlungen auf Erden sind der Gerichtsbarkeit des Ordens der Pfeile des Lichts zugeordnet worden. Das Strafmaß wurde bereits festgelegt und das Urteil bereits vollzogen.“ Oh? Varus wagte ja kaum zu hoffen. „Deine Eingangsverfehlung jedoch, die Menschenwelt betreten zu haben und mit dem Chaos verbrüdert zu sein, untersteht unserem Recht.“ Varus senkte den Blick. „Eine Strafe in unserer Dimension wäre demnach angemessen, doch darf der Fakt deiner wahrhaftigen Liebe und deiner Familie, die auf Erden lebt, nicht vernachlässigt werden.“ Varus sah wieder auf. Himmel, was sollte das denn bedeuten???
„Was deinen Pakt betrifft, werden wir gesondert tagen und eine Lösung oder ein Urteil sprechen. Für heute soll das Urteil der anderen Vergehen gefällt werden.“ Er erhob sich nun selbst. Seine Flügel spannten sich leicht auf. Weiße Schwingen golden durchsetzt und geschmückt.
„Dein Urteil lautet: Ein Äon in den Diensten der Ordnung. Du wirst diese Zeit in Ketten verbringen und deinem eigenen Willen abschwören, solange er gegen unsere Gesetze verstößt. Du wirst diesen Dienst in der Hauptstadt verrichten und keinen Kontakt zur Menschenwelt haben, bis deine Strafe verbüßt ist, oder deine Existenz endet.“ Varus sah ihn mit großen Augen an. Er war kreidebleich und er hörte Bella schluchzen. „Ferner, werden die Erinnerungen aller, die dich kennen ausradiert und ersetzt. Du wirst nie auf der Erde existiert haben.“ Varus Beine wollten nachgeben, aber er stand wie gelähmt am Tisch und krallte sich dort in den erstaunlich bequemen Stein. „Nein…“, hauchte er. Eher würde er sterben.
„Aber: Das Urteil wird ausgesetzt. Es wird erst vollstreckt, wenn deine einzige und wahre Liebe, Isabella Auditore, selbst den eines Menschen vorgesehenen Tod gefunden hat. Bis zur Vollstreckung seist du aus unserem Reich verbannt!“ Varus Ohren rauschten. Was war das? Wie war das? Er sah den Mann an. Tränen liefen unwillkürlich aus seinen Augen und Varus wusste nicht, was er sagen sollte. „Nimmst du dieses Urteil an?“ Varus bekam kaum Luft. Hatte er das richtig verstanden? „J…ja…“, sagte er nur wie vor den Kopf geschlagen. „Ja!“ Er wollte sein Leben mit Bella verbringen, bis sie alt und grau einen natürlichen Tod fand und er sie zu grabe tragen konnte. Was danach war, war ihm scheißegal.
„Dann sei es so! Das Urteil ist jetzt gültig.“ Die ruhige und doch donnernde Stimme des Richters wurde nun weniger donnernd und fast normal. „Varus. Hast du eine Ahnung, was dein Handeln deinem Volk angetan hat?“ Varus sah einfach nur auf. „Nach deiner Rebellion gegen unsere Gesetze, haben immer wieder die jüngsten unseres Volkes versucht, es dir gleich zu tun. Sie sind ebenso gescheitert wie du und wir haben sie für immer verloren.“ Vermutlich, weil sie nicht den Willen gehabt hatten weiter zu machen. „Dein Handeln, hat Zwietracht und Unfrieden in unser Reich gebracht und es hat lange gedauert, bis wir es wieder unter Kontrolle hatten.“ Varus schwieg. Jeder musste ja wohl seine eigenen Erfahrungen sammeln. Er senkte den Blick. „Das war nicht meine Absicht.“ „Natürlich nicht. Aber es war das Resultat. Die Verhandlung ist beendet. Es steht dir ab sofort frei zu gehen.“ Er stieg nun herab von der Empore und stellte sich zu Varus. Er legte ihm die Hand auf seine Wange. „Als Richter kann ich dir diese Taten nicht vergeben und deshalb wurdest du auch verurteilt.“ Varus liefen noch immer Tränen aus den Augen. „Aber als Vater… vergab ich dir dein Handeln bereits in dem Augenblick, als du uns verließt.“ Varus schluchzte und die Frau neben Bella senkte den Blick. Auch ihr liefen Tränen. „Oh, Khalidan… Was hast du dir nur angetan?“ Er meinte natürlich die abgeschnittenen Flügel. „Achte auf dich, mein Sohn. Ich bedaure es sehr, dass ich dich nicht aufhalten konnte, damals. Ich bereue es, dir nicht gesagt zu haben, was geschehen würde.“ Varus schmiegte die Wange an die väterliche Hand und sagte: „Ich… hätte nicht… auf dich gehört.“ Er jammerte es eher und der Mann lächelte nun etwas traurig. „Ja… das hast du von deiner Mutter.“ Varus wischte sich die Tränen weg und die anderen Wesen zogen sich nun alle nach und nach zurück, da das Gericht ja auch nicht mehr tagte. Varus hauchte ein leise: „Danke…“ Er wusste, dass die Strafe ganz anders hätte ausfallen können. Sehr viel schlimmer. Und ohne die gewährte Gnadenfrist. „Du musst jetzt gehen, Khalidan. Komm nicht zurück.“ Dann beugte er sich nach vorn und flüsterte leise: „Und nutze deine Kräfte weise.“ Varus Augen weiteten sich, als sein Vater ihm noch mal die Hände auf die Schultern legte.
Varus sah zu Isabella und streckte die Hand nach ihr aus. Sie kam zu ihm und der große und wunderschöne Engel sprach: „Ich verbanne dich aus dieser Welt, Khalidan.“
Ein unglaublich heller Lichtblitz und plötzlich standen sie inmitten des Hauptquartiers des Ordens in der Eingangshalle. Vollkommen verheult waren sie und zu allem Überfluss standen Charles und Dean keine 3 Meter neben ihnen. Sie schauten sie vollkommen verwirrt an. Dean fragte schließlich irgendwie betäubt: „Was ist passiert?“ Damit meinte er nicht nur, warum die zwei ohne Unterlass heulten, sondern auch, wo sie den letzten halben Tag gewesen waren. Es war bereits Mittag des Folgetages.