Drakon Di März 06, 2018 7:41 pm
Drakon sah sie einen Moment nur an und dann sah er wieder an die Decke. „Das war kein Leichtsinn.“ Er dachte an den Abend zurück, als die Männer in auf Vaters Befehl, die Glieder zerschmettert hatten. Er schloss die Augen. Wie konnte so ein Mann von liebe sprechen, wenn er seinem Sohn derartiges antat. „Es war nur ein Ausweg.“ Und schließlich hatte er es doch überlebt. Allerdings fragte er sich, wie es wohl gelaufen wäre, wenn er die ganze Dosis genommen hätte. Er hob den rechten Arm und prüfte die Beweglichkeit seiner Finger. Es ging. Wenngleich es wehtat. Er würde eine ganze Zeit herumliegen müssen und sein Vater würde die Situation nutzen, um ohne ihn auszuziehen, dessen war er sich sicher. Aber was sollte es? Er konnte nichts dagegen tun und es war auch nicht wichtig, ob er nun eine Mission noch hier bliebe.
Die Tränke, Salben und Medikamente wirkten wahre Wunder, wenngleich natürlich nicht alles sofort verheil war. Er sah Aya wieder an. „Wirklich du musst hier nicht sitzen. Widme dich lieber deinen Aufgaben, ehe noch alle seltsame Dinge denken.“ Oh haha. Drakon war ja so dämlich, was Liebesdinge anbelangte. Er schien nicht zu merken, DASS bereits alle „seltsame Dinge“ dachten.
Ares öffnete die Tür zum Lazarett. Er stellte sich zu ihnen. Er wollte ganz sicher das Gespräch nicht stören, aber er hatte Fragen: „Geht es dir gut?“ Drakon nickte. „Du hättest das Engelskraut nicht nehmen dürfen. Und du hättest deinen Kameraden der auch noch Diensthöher war nicht so bedrohen dürfen.“
„Der Zweck heiligt die Mittel.“, sagte Drakon nur und Ares schüttelte leicht den Kopf. Er sah ein wenig grau im Gesicht aus, wie er da so auf Drakon herab blickte. „Die Knochenbrüche… Woher kamen die?“
„Mangelnde Weitsicht.“
Ares musste einmal tonlos lachen und witzelte: „Ja, das passt zu dir.“ Dann wurde er wieder ernst: „War deine Mutter schon hier?“ Drakon sah zu Aya. Er hatte die ganze Zeit geschlafen, woher sollte er es also wissen? Sie jedoch schüttelte leicht den Kopf. Weshalb er auch antwortete: „Nein.“
Ares seufzte lang gezogen. „Dein Vater will heute aufbrechen.“ Ja, das hatte sich Drakon bereits gedacht. „Der Lordkommandant hat es ihm untersagt.“ Drakon sah überrascht aus. „Er ist wohl der Meinung, dass du erst gesund werden und dann mitkommen sollst.“ Nun das erfreute Drakon nun wieder. „Ist das wahr?“ Ares war über die offenkundige Freude ein wenig bestürzt, doch dann lächelte er milde. „Ja.“ Das verschaffte Drakon nun wieder grimmige Genugtuung. Schließlich sagte Ares: „Drakon? Ganz gleich, was du von deinem Vater denkst… er ist ein guter Mann.“ „Er ist ein Feigling.“ Ares Schüttelte den Kopf. Auch er hatte einmal Kinder gehabt. Auch sie waren dem Aufklärungstrupp beigetreten. Das war bevor Ragnar der Anführer geworden war. „Wenn es um unsere Kinder geht… dann sind wir alle Feiglinge. Ich bete dafür, dass auch du das irgendwann erkennen wirst.“ Damit wandte er sich zum Gehen, blieb aber noch einmal stehen und drehte sich halb zu ihm. „Und dafür, dass du niemals den Schmerz erfahren musst, sie zu verlieren.“ Er hatte alle drei seiner Söhne verloren.
Drakon war ja nicht gänzlich dumm. Er konnte den Schmerz des Verlustes begreifen. Er wusste ja auch, dass er selbst jedes Mal bangte, wenn seine Eltern fort waren. Aber er hatte sich schon langer Zeit damit abgefunden, dass sie eines Tages einmal nicht zurückkämen. Er verstand den ganzen Wirbel nicht. Bei den anderen fünf Rekruten wurde nicht so ein Wirbel gemacht! Waren die den anderen etwa egal? Das war nicht in Ordnung! Was fanden denn alle an ihm? Er hatte immer geglaubt, dass die anderen ihn doof fanden und doch wohl eher glücklich waren, sich nicht mehr mit ihm herumärgern zu müssen! Als er gerade diesen Gedanken äußern wollte, kam Dario in das Lazarett. Er stiefelte zum Bett und sah Drakon grinsend an. Dann schlug er ihm freundschaftlich auf die Schulter und Drakon zuckte zusammen. Eigentlich weniger vor Schmerz, als vor Überraschung. Was war denn nun los? Er sah wieder zum Eingang, wo Makoto, Lara, Leo, Johann und all die anderen nun kamen und Drakon verstand nicht, was hier nun los war.
„Was…?“
„Du elender Teufelskerl! Du hat Kommandant Dracaris fertig gemacht!“ Drakon sah zur Seite. Aya hatte Recht, es war vor allem den Skrupeln seines Vaters geschuldet. Das war auch seine einzige Trumpfkarte gewesen. Er fand jedoch nichts dabei, diesen Plan ersonnen zu haben. Es geschah ihm erstens ganz recht und wenn das Leben einem ein scheiß Blatt in die Hand gab, musste man entweder schummeln oder das beste draus machen. „Ja…“, sagte er leise. Die anderen traten mit ans Bett und sahen schnell, dass es Drakon recht gut ging. „Man! Wie konntest du überhaupt laufen?“, fragte Leo. „Ich bin froh jemanden wie dich dort draußen an meiner Seite zu wissen!“ Drakons Augen weiteten sich leicht. „Was echt?“
„Hä, klar! Du bist nicht nur ein unglaublich zäher Hund, sondern auch ein wahrhaftiger Krieger! Du weißt nahezu ALLES über die Kreaturen dort draußen, während WIR das alles jetzt erst lernen! Man, woher hast du dein Wissen?“ Das allerdings war wirklich eine interessante Frage, denn bis zum übergang in die verschiedenen Einheiten, wurde dieses Wissen doch eigentlich von den Wächtern gehütet, um die Rekruten nicht schon vorab zu erschrecken.
„Der Koch.“
„Hä?“
„Unser Koch – Gravis – er war auch im Aufklärungstrupp. Ich habe ihn ausgequetscht und das Wissen dann niedergeschrieben.“
Ungläubige Blicke, die einen Moment regloser Stille erzeugte. Drakon lächelte. „Nach zwei drei Schnäpsen ist er redselig, wie ein altes Waschweib.“ Die Kameraden brachen in Gelächter aus. Es war ja wohl nicht zu fassen.