Es dauerte eine Zeit, ehe sich Cian beruhigt hatte. Er wusste, dass er den Kampf bald verlieren würde. Er spürte es ganz deutlich, wie seine Seele schon jetzt einen dunklen Schleier in sich trug, den er nicht mehr verbannen konnte. Bald würde er den Verstand verlieren und dann würde es zu spät sein. Er wusste nicht genau woher er das wusste, aber er spürte es ganz deutlich. Elena war das einzige, was ihn antrieb weiter zu machen. Er hatte sein Buch zu Ende geschrieben und beschäftigte sich nun lediglich mit kleinen Bastelarbeiten.
Elena kam nicht mehr zu ihm herunter. Sie besuchte ihn nicht ein einziges Mal und das war vielleicht besser so. Er hatte jedoch auch bemerkt, wie seltsam sich Liam verhielt, wenn er zu ihm herunter kam. Cian hatte mittlerweile seinen Spiegel zerstört, weil er dieses fremde Gesicht, einfach nicht mehr ertrug, ohne von unsagbarem Zorn erfasst zu werden. Heute war der Tag gekommen, an dem er Liam endlich fragen würde, was los war.
Liam kam die Treppe herunter und Cian erwartete ihn bereits. Es war schon einige Tage her, dass Elena nicht mehr zu ihm gekommen war und heute würde er ihn fragen warum. Als Liam ihn sah, wie er bereits am Hörer stand und wartete, war ihm auch sofort klar, was nun folgen würde. Er schüttelte den Kopf und legte den Brief ins Fach. Cian legte wieder auf und nahm den Brief aus der Luke, nachdem die Außenseite wieder geschlossen war. Mit zitternden Händen öffnete er das Couvert und las. Er hatte den Brief überflogen und las ihn nun noch mal genauer, dann blickte er auf und nahm den Hörer in die Hand. Aus dem Lautsprecher drang seine Stimme kalt und leer: „Lass mich raus…“
Die Beiden Wachen schauten sich an und im gleichen Moment feuerte die Platte vor dem Glas zu und verriegelte sich. Liam wollte den Hörer nehmen, doch der war bereits so heiß, dass er ihn nicht mehr anfassen konnte. Er bekam es fast mit der Angst zu tun und befahl den beiden Wachen von der Tür zurückzutreten. Schnell funkte er Sam an, der auf der Stelle herunter kam. Eine rote Rundumleuchte begann sich über der Tür des Käfigs zu drehen, doch der Käfig hielt stand. Man konnte von außen ganz leise Klopfgeräusche hören, die Immer lauter wurden. Mit was für Kräften, mochte Cian gegen die Tür schlagen. Sam kam herunter und Liam sah ihn fast panisch an.
„Hast du nicht gesagt, sie würde halten?“, fragte Liam ihn.
„Nun, noch hält sie ja auch.“ Sam nährte sich nicht weiter der Tür, weil bereits eine Heiße Wand aus Luft vor dieser war. Er schaute gebannt auf die Tür und plötzlich beulte sie aus. „Herr im Himmel…“
Liam betätigte den Alarmknopf, der am Eingang des großen Kellergewölbes war und eine Wand aus eben jenem Material schob sich vor die Zelle, in der Cian gefangen war. Eigentlich waren es zwei Türen. Eine, die sich von oben nach unten Schloss und eine, die sich von rechts nach links schloss. Mirinda kam heruntergeeilt und auch Victoria stieß kurz darauf zu ihnen. Sie alle bangten, dass Cian jeden Moment durch die Türen kommen würde.
„Warum hab ich ihm nur den bescheuerten Brief gegeben?!“, schimpfte sich Liam selbst.
„Was für ein Brief?“, fragte Sam.
„Den von Elena…“ Er fing sich einen Klaps auf den Hinterkopf von Sam und einen unzufriedenen Blick.
„Bist du bescheuert?“, fragte er. „Was stand da drin?“ Doch Liam zuckte nur die Schultern und Victoria seufzte langgezogen.
„Und was jetzt? Ich meine wir…“ Sie wurde von einem ohrenbetäubenden Lärm unterbrochen und dann konnten sie hören, wie Faustschläge und Tritte gegen die Mächtigen Tore ankämpften, wie Maschinengewehrfeuer.
„Verschwindet von hier!“, befahl Liam. Er hatte Elena versprochen Cian nicht zu töten, aber bald würde er keine andere Wahl mehr haben.
„Nein!“, sagte Victoria. Auch sie ahnte, was Liam tun würde, wenn es nötig sein würde, aber sie hatte geschworen, Cian zu beschützen und sie würde sicher nicht zusehen, wie Liam ihn tötete.
„Dann wirst du auch sterben, Vici. Tu mir den Gefallen und geh!“
„Nein! Du wirst ihn nicht umbringen!“
Mirinda nahm Sam bei der Hand, während Rose auf dem Aufgang auf ihrem Sam wartete. Er schloss sie in die Arme und ging dann mit ihr weiter hinauf. Er würde oben am Eingang bleiben und Cian hoffentlich aufhalten, wenn Liam es nicht schaffte. „Großer Gott steh uns bei…“ Sam bekreuzigte sich und verabschiedete sich von Rose, die zusammen mit allen anderen in einen Sicherheitsraum floh, wo sie vor Cian fast sicher waren.
Unten wurde es fast unerträglich heiß und Sam verwandelte sich in eine gasförmige Gestalt, wo ihm die Hitze egal war. Victoria hingegen stand weiter hinten. Hinter den Beiden verschloss sich eine weitere Tür, die man nur von außen wieder öffnen konnte oder mit Gewalt einschlagen musste. Und dann geschah es. Die Türen gaben nach und Cian trat hervor, wie der Teufel persönlich, der aus der untersten Hölle hinauf gestiegen war. Seine Augen glühten wie Feuer und sein Körper stand von oben bis unten in Flammen. Er hatte die Gestalt des Dämons angenommen, der er nun war und tappte Langsam und mit blutenden Händen auf Liam und Victoria zu.
„Zurück! Oder ich muss dich töten, Cian!“
Cian lachte laut und überaus böse auf. Er streckte die Hand nach vorne und heiße Flammen schlugen Sam und Victoria entgegen, die sich an der bereits erhitzten Tür hinter sich verbrannte. Sie huschte ein Stück zur Seite und war vor Angst fast wie gelähmt. Sam schwebte auf ihn zu.
„Du kannst mich nicht töten…“, flüsterte er mit einem teuflischen Stimme. „Aber ich dich schon. Ich zeig dir was es heißt, den zu verlieren, den man liebt…“
Er ging scheinbar davon aus, dass Elena nicht nur weg sondern sicher bei dem Versuch die Basis zu betreten gestorben sei. Seine wahnsinnigen Gedanken, ließen zumindest nur diesen Schluss zu. Es gab nichts Schönes mehr in seiner Welt.
Schnell wie der Blitz war er bei Victoria und schaute ihr ins Gesicht. Sie sah in entsetzt und voller Furcht an. Das war nicht Cian, das war irgend ein Monster, aber nicht Cian! Er packte sie an der Kehle und sie zog die Schwerter, mit denen sie Cian eins in den Unterarm und ein in den Oberarm rammte. Er schien es nicht mal zu bemerken.
„Sag Lebewohl…“ Sie riss die Augen auf und Cian drückte ihr die Luft ab und auch das Blut, was Victorias Gehirn mit Sauerstoff versorgte. Liam materialisierte sich und versuchte Cian mit Gift und Säure außer Gefecht zu setzen, doch die Säure lief einfach an seiner Drachenhaut herunter und das Gift schien keinerlei Wirkung zu haben. „VICTORIA!“ Liam liebte sie und sie ihn, aber er konnte nichts tun…