Herzogtum Amaran

Velkyn sah auf. Woher sollte er das wissen? Er kannte die Leute auch nicht. Außerdem musste sie doch so etwas schon in den Büchern gelesen haben. Nun, vielleicht stand sowas ja auch nicht drin. Velkyn zuckte die Schultern. „Weiß ich nicht.“ Zugegeben. Es war überaus wahrscheinlich. „Vielleicht.“ Er blickte sich um. Ja er erkannte unterschiedliche Kleidungsstile konnte einzelnen Landstrichen zuordnen und sagte dann: „Ja, vermutlich.“ Er wollte sich trotzdem nicht zu hundert Prozent festlegen.
Er trank noch einen Schluck und schließlich kam auch die Suppe sehr schnell. Natürlich hatte sich niemand die Mühe gemacht Nairas Suppe vom Fleisch zu befreien. Extrawürste wurden ganz klar nicht gemacht und die Suppe war ja in einem großen Kessel zubereitet. Der durchwachsene Speck war jedenfalls deutlich sichtbar.
Velkyn jedenfalls beobachtete sie kurz. Er wusste nicht so richtig, was er davon halten sollte, das Naira ihn nun begleiten würde. Und er hatte noch keine Antwort darauf, wie lange diese Gemeinschaft bestand haben würde, aber… sie war an sich eine sher freundliche Person. Lieb und verständnisvoll. Und trotzdem ein Energiebündel. Er mochte sie. Und aus diesem Grund, wollte er auch eigentlich nicht, dass sie bei ihm war. Er schüttelte leicht den Kopf und beobachtete, was Naira nun tun würde.

Es war so interessant diese Menschen u beobachten, ohne sie wirklich an zu starren, denn das war ja unhöflich. Velkyn beantwortete ihre Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Auch er war sich nicht bei allem Sicher, aber sie war eh viel zu fasziniert. Etwas zu lesen und tatsächlich zu erleben, war nun wirklich was ganz anderes. Die Schankmaid kam mit der Suppe.
"Vielen lieben Dank,"
meinte sie, wie immer lächelnd und begann den Speck and en Rand zu schieben. Sie versuchte das Fleisch irgendwie zu ignorieren, was ihr nicht so recht gelingen wollte. Sie nahm einen Löffel der Suppe.
"Schmeckt sehr gut,"
kommentierte sie. Eigentlich war es auch egal was sie zu essen hatten, Hauptsache sie mussten nicht hungern.
"Dann können wir hier ja auch unsere Vorräte aufstocken oder? Also morgen ehe wir gehen?"

Velkyn nickte auf ihre Frage. Sie schob den Speck zur Seite und probierte die Suppe. Sie mochte kein Fleisch du das hatte sie auch gesagt. Sie wollte dennoch nicht unhöflich sein. Er schob ihr den Teller ran, brach sein Brot in kleine Stückchen und fischte ihr Fleisch raus, was er auf seinen Teller legte, ehe er ihr das Brot in die Suppe warf. Dann sog er seinen Teller zurück und fing an zu essen.
Das Vorgehen, was er gerade gemacht hatte, erinnerte ihn an etwas. Es waren schöne Tage gewesen. Es war, als Shannon noch kein Irrer gewesen war. Velkyn hatte immer den Rosenkohl, aus Shannons Suppe gefischt, wenn er auf seinem Zimmer gegessen hatte. Das Brot hatte er ihm damals ebenso reingeworfen und so ließ er kurz den Löffel sinken, als er daran dachte. Sie hatten sich einst so gut verstanden…
Er sah auf. „Ja. Üblicherweise.“ Dann blickte er Naira an. „Besser so?“

Einen Moment war Naira ganz irritiert, aber dann strahlte sie wieder.
"Danke,"
lächelte sie. Sie sah wie er seinen Löffel sinken ließ. er schien sich an etwas zu erinnern und hatte gar nicht mit bekommen, das sie sich bedankt hatte. Dieses Mal wollte sie nicht nachhaken und so aß sie einfach ihre Suppe. Als er nun fragte, ob es besser war, beantwortete sie das mit einem bejahenden "Mhm" und einem dazugehörigen Nicken.
"Danke das ist viel besser."
Sie genoss das Essen sehr. Es war immer schwierig, wenn sie nicht selbst kochte, irgendwas ohne Fleisch zu bekommen. Ihr Teller war im Nu leer und Naira durchaus gesättigt.
"Weißt du schon, wann wir morgen früh aufbrechen wollen?"
Nun sie konnten hier eh nicht viel mehr machen, als den Gesprächen lauschen, was an sich ja nicht unbedingt verkehrt war, wollte man Neuigkeiten mitbekommen. Anders herum war es natürlich auch sehr unhöflich. Sicher wollte Velkyn schon früh los, um eventuelle Verfolger ab zu schütteln.

Tatsächlich hätte er das sonst so gemacht, aber sein jetziges Ziel war es gesehen zu werden. Die Platzwahl war letzten Endes also an sich viel besser. Er wollte eine falsche Fährte legen, dazu musste sich aber auch irgendwer an ihn und Naira erinnern.
„Wir Frühstücken und brechen auf. Nicht vor Sonnenaufgang.“ Auch er hatte die Suppe aufgegessen und auch ihm hatte sie geschmeckt, wobei er auf sowas sowieso keinen Wert legte. Hauptsache nahrhaft. Er wollte eben was Sagen, als sich ein gewaltiger Kerl an ihren Tisch setzte und seinen Krug derart auf diesen schmetterte, dass Velkyns und Nairas Bierkrug hüpften und etwas überschwappten. Velkyn sah den Kerl an.
„Kann man euch helfen?“, fragte er gelassen. Der Hüne lachte. „Durchaus! Ihr seid die zwei, die das letzte Zimmer bekommen haben.“ Velkyn wusste nicht, ob der Mann nun eine Antwort wollte oder nicht. Er hatte das offensichtliche ja schon selbst ausgesprochen. Velkyn hielt also einfach dem Blick stand. Die zwei stierten sich also an und irgendwann sagte Velkyn. „War das eine Frage?“
„Natürlich nicht! Ich möchte euer Zimmer haben!“
„Aber ich habe es bereits bezahlt.“
„Das ist mir egal.“ Velkyn sah kurz zu Naira, dann wieder zu dem Mann. „Na wenn es euch egal ist. Mir ist das auch egal.“ Er wollte aufstehen, aber der Kerl drückte ihn an der Schulter zurück auf den Stuhl. Velkyn hätte ausweichen können, aber eigentlich wollte er nun keinen Kampf riskieren.
„Gib mir den Schlüssel, Bürschchen.“ Velkyn musterte den Kerl. Hinter ihm waren noch zwei von diesen Kerlen. Was wollten die mit einem Doppelzimmer?

Ja. Velkyn hatte gesagt, er wolle eine falsche Fährte legen, nur hatte Naira ja so gar keine Ahnung, wie das gehen sollte. Velkyn würde schon wissen, wie er das anstellen sollte. Ein ziemlicher Brocken von einem Kerl kam zu ihnen an den Tisch. Das war doch einer der Typen die zuletzt rein gekommen waren. Es knallte nur so, als er seien Krug auf den Tisch klatschte. Man der Kerl war wirklich unheimlich. Er wollte das Zimmer und das ohne dafür zu zahlen? Naira sah den Kerl verwirrt an.
"Ihr seid sehr unhöflich,"
stellte sie etwas entrüstet fest. Sie selbst hätte auch mit einer Scheune leben könne, solange genug Stroh vorhanden wäre. Hätte der Kerl vernünftig um das Zimmer gebeten, hätte man sich gewiss einigen können, aber so? Durch Drohen?
"Velkyn ...?"
Sie wusste so gar nicht mit der Situation um zu gehen. Natürlich wollte auch sie keine Schlägerei riskieren. Nicht nur das hier alles zu Bruch gehen würde, auch Velkyns Wunde könnte aufreißen.

Ja richtig. Die Wunde auf seiner Brust war erst vier Tage alt. Er blickte zu Naira. Sie sagte seinen Namen und er fragte sich, was sie denn von ihm wollte. Den Mann ignorierte er unterdessen. „Was ist?“ Sie erklärte ihm, dass sie es doch nicht einfach abgeben könnten und er antwortete ihr. „Nein. Das können wir nicht.“ Dann sah er zu dem Hünen und meinte: „Ich habe es bezahlt, also benutze ich es. Überlegt euch etwas anderes.“
Der Kerl schien nun doch etwas ungehalten. „Ich kenne 5 Arten einen Mann mit meinen Händen einfach umzulegen. Wenn du mir nicht gleich den Schlüssel gibst, werde ich dich heute Nacht zu meinem Püppchen machen und dich dann an meine Brüder weiterreichen, während ich mir einen Nachtisch mit der Kleinen gönne!“
Velkyn holte einmal tief Luft. Erhob sich ganz langsam, damit der Kerl nun nicht noch dachte, er wolle angreifen. Velkyn musterte den Mann. Dann sagte er: „Ich kenne eine Abfolge von 5 Schlägen, die dafür sorgen, dass du gleich sabbernd auf dem Tavernenboden liegst, wenn du und deine Brüder nicht augenblicklich Leine ziehen und uns in Frieden lassen. Du willst mich nicht als dein Püppchen.“ Der Kerl wurde rot vor Zorn. Er wollte eben aufspringen, als Velkyn exakt fünf Schläge verteilte. Zuerst schlug er ihm gegen den Kehlkopf, dann in den weichen Bauchteil unter dem Brustbein und gegen die Halsschlagader. Den Ellenbogen rammte er gegen die Schläfe des riesigen Mannes und zuletzt trat er seitlich mit einem gegen das ihm Knie, welches hörbar knirschte und denn Mann auf den Tavernenboden beförderte. Bewusstlos sabbernd und ganz sicher einige Zeit außer Gefecht.
Er sah schneidend scharf zu den anderen beiden. „Und wenn ihr beide ihn jetzt nicht hier raus bringt und uns in Frieden lasst, werde ich mich vergessen und noch weit Schlimmeres mit euch anstellen.“ Die Männer schienen vollkommen verstört und erschrocken

Naira wusste, Velkyn war diesem Kerl mehr als nur ein Haus hoch überlegen. Sie grinste den Großen an, zuckte die Schultern und ließ Velkyn tun, was er eben vor hatte. Bei jedem Schlag und Tritt, zuckte sie gespielt zusammen, legte die Hand vor die Lippen, zog die Augenbrauen zusammen und zischte ab und zu, als würde es wirklich weh tun, was Velkyn da tat. Natürlich tat es das.
"Uh, Au das tut bestimmt sehr weh,"
kommentierte sie und sah zu den Anderen Typen.
"Na? Ihr habt doch gehört, was er gesagt hat, also husch,"
meinte sie und wedelte ein wenig mit den Händen vor sich her. Eigentlich war das so gar nicht ihre Art, aber sie konnte solche Menschen einfach nicht ausstehen.
"Wenn du wolltest, das wir auffallen, ist dir das nun ganz sicher gelungen,"
meinte sie und sah sich um. Sämtliche Blicke waren auf Velkyn und sie gerichtet.

Tja. Er hatte die Schläge so schnell verteilt, dass der Kerl wohl kaum irgendwas gespürt haben dürfte und direkt ins Schlummerland gefallen war. Er antwortete also auf Nairas Aussage: „Ich glaube nicht, dass sein Schmerzzentrum Zeit hatte zu realisieren, was passiert ist.“ Allerdings würde das Erwachen doch recht schmerzhaft sein. Die anderen beiden schleiften ihn nun aus dem Gasthaus und Velkyn sagte auf Nairas Kommentar, dass er hatte auffallen wollen: „Ja…“ SO hatte er es sich nicht vorgestellt. Aber nun war es so. Er setzte sich wieder. Es war ja gerade Mal Mittag. Die Bardame kam angelaufen. „Zahlende Kunden zu vertreiben, ist also eure Mission.“ Velkyn antwortete: „Nein. Er wollte uns überfallen.“ Sie schnaubte und ließ es wohl noch mal durchgehen. Velkyn schüttelte den Kopf. Oh man.
Sie blieben nun bis zum Abend hier, aßen noch mal Suppe und machten sich auf in ihr Zimmer. Als sie eintraten stand dort ein Bett. Ein großes Bett. Ja ein Doppelzimmer. Wer wusste schon, wie viele Paare dort… Velkyn lief eine Gänsehaut rauf und runter. Es gab sonst nur einen hohen, aber nicht breiten Kleiderschrank, eine kleine Truhe, die eher Platz für eine kleine Katze, als viele Sachen bot und einen Hocker. Das Zimmer war winzig. Jetzt wo er es sah, kam es Velkyn noch absurder vor, dass die Drei hier hatten nächtigen wollen. Velkyn stellte seinen Rucksack ab, schloss hinter sich die Tür ab, auf und nochmal ab. Außerdem klemmte er eine Angelschnur zwischen Tür und Zage, an der drei Glöckchen befestigt waren. Er prüfte den Staub vor dem Fenster und ging zum Waschtisch, der hier immerhin vorhanden war. Er schnupperte ein Mal an der Schüssel und öffnete dann vorsichtig Schrank und Truhe, ehe er unters Bett sah. Schließlich schien er fertig.
„Du nimmst das Bett, ich den Hocker.“ Das war absurd. Niemand konnte auf einem Hocker schlafen.

Der rest des Tages verging also recht Ereignislos. Um so besser. Es regnete auch den ganzen Tag. Selbst am Abend schüttete es noch, als sie endlich auf das Zimmer gingen. Ein Doppelbett stand im Raum. Es war sehr spärlich, aber für eine Nacht brauchte man hier nicht viel Platz. Velkyn sah überall nach. So Vorsichtig hatte sie noch nie jemanden erlebt. Das mit der Angelschnur fand sie durchaus einfallsreich. Nachdem er dann nun den Raum gesichert und gesichtet hatte, beschloss er, wer wo schlafen sollte.
"Nein. Ich traue dir wirklich einiges zu, aber auf einem Hocker schlafen, in deinem Zustand? Auf keinen Fall. Ich lege mich so weit von dir weg, wie es geht. Keine Angst. Ich werde dir nicht zu nahe kommen, oder mich ankuscheln,"
feixte sie.
"Im Ernst Stern. Du schläfst auf der einen Seite und ich rutsche ganz weit an den Rand und schlafe auf der anderen Seite. Du brauchst etwas Ruhe und dein Körper wird es dir Danken, wenn du nicht auf dem Hocker schläfst. Eher schlafe ich auf dem Boden."
Wie sollte er denn jemals Fit, oder besser gesund werden, wenn er sich ständig solche Dinge an tat?

Velkyn musterte sie und lauschte ihr. Schließlich war sie wohl fertig und er sagte: „Ich hatte nicht vor auf dem Hocker zu schlafen. Das wäre absurd.“ Jetzt stellte er es wohl auch noch so hin, als sei sie diejenige, die nicht klar denken könnte. Aber sie sagte, er müsse sich ausruhen. Und der Rucksack hatte den ganzen Marsch hier her auch wirklich schmerzhaft auf die Wunde gedrückt. Davon abgesehen. Hatte er ihn überhaupt mal gewechselt? Sie hatte es jedenfalls nicht mitbekommen und war ja ständig bei ihm gewesen.
Velkyn musterte das Bett. Er wollte nicht mit ihr in einem Bett schlafen, aber sie hatte schon ein gutes Argument. Es wäre wohl wirklich eine Wohltat, wenn er sich endlich mal richtig ausruhen könnte. Er prüfte also die Weichheit des Bettes und ließ sich noch mal alles durch den Kopf gehen. „Also schön.“ Stern nannte sie ihn. Nun fairerweise hatte er ihr ja gesagt, dass sie ihn nennen sollte, wie sie wollte. Also konnte er wohl kaum was dagegen sagen. Er legte sich also wortlos aufs Bett. Angezogen, komplett grade auf dem Rücken und an die Decke starrend. Zumindest hatte er zuvor den nassen Mantel abgelegt und die Schuhe ausgezogen.

Naira sah ihm liebevoll lächelnd bei seinen Handlungen zu. Als er nun im Bett lag, schüttelte sie leicht den Kopf. Nein, er hatte den Verband nicht gewechselt. Sie kramte einen weiteren aus ihrem Rucksack heraus und legte ihm diesen auf das Tischchen.
"Du wirst ihn wechseln müssen,"
meinte sie und legte sich ebenfalls ins Bett, ohne sich groß aus zu ziehen. Sie wollte ihn nicht beschämen und selbst wollte sie sich auch nicht unbedingt entblättert vor ihm zeigen. Nicht das sie es schlimm fand, nur er war ohnehin schon schrecklich prüde.
"Schlaf gut und erhol dich,"
meinte sie, schloß dann die Augen und versuchte ein zu schlafen, was ihr tatsächlich sehr schnell gelang. Sie war ein wahres Energiebündel, aber all die Eindrücke, die neuen Dinge, die sie gesehen hatte ... all das musste sie auch irgendwie mal verarbeiten. Ihr Körper holte sich nun die nötige Ruhe. Sie hielt Wort und hatte sich ganz nah an die Kannte gelegt.

Auch Velkyn sah ihr bei ihren Handlungen zu. Er sollte den Verband wechseln. Hm. Ja. Wurde wohl mal Zeit. Es schmerzte. Er wartete also, bis er sich sicher war, dass sie eingeschlafen war. Sie war auch sehr müde. Er zog sein Oberteil aus und legte die Wunde frei. Den Verband wickelte er ab und betrachtete das Unglück auf seiner Brust. Er wusch die Wunde noch einmal ab. Entzündet hatte sich nichts und es heilte gut. Velkyn verband die Wunde neu und zog sich wieder an. Dann legte er sich erneut aufs Bett. Er sah rüber zu Naira und sah ihr eine Weile beim Schlafen zu. Es war lange her, dass er nun so neben jemandem gelegen hatte. Es kam ihm nicht richtig vor, aber er war wirklich wahr müde. Er würde hoffentlich erwachen, wenn irgendwas war, aber sein Körper forderte den Tribut und so schlief er nun einfach ein. Und er schlief so tief ein, dass ihn nicht mal der krähende Hahn am Morgen weckte.

Naira schlief tief und fest. Sie bekam gar nicht mit, das Velkyn noch einmal aufgestanden war. Sie träumte von der Reise, von den Orten, die sie besucht hatten und sie träumte von ihren Freunden. Hoffentlich ging es ihnen gut. Naira wusste nicht, ob sie sie je wieder sehen würde, doch sie alle waren immer gut zu ihr gewesen und gerade Tora und Yuri waren so liebe Menschen gewesen. Naira wurde vom ersten Hahnenschrei direkt wach. Sie streckte sich, stand auf und wusch sich erst mal. Sie nutzte, eben so wie Velkyn es bei ihr getan hatte, das er schlief. Als sie fertig war, legte sie sich noch ein wenig aufs Bett. Sie wollte es auch ausnutzen, noch etwas liegen zu können. Dieses Mal war sie es, die Velkyn beim schlafen zu sah. Was musste er nur erlebt haben, das er so ... so unnahbar war? Er tat Naira irgendwie leid. Nicht nur die Narben auf seinem Körper sprachen von Schmerz. Allein an seiner Reaktion, als sie ihn Vel nannte, und der, als sie ihn nach der Bezeichnung Schatten gefragt hatten, bewiesen, das er schlimmes erlebt haben musste. Wenn er bereit war zu reden, würde sie da sein, um ihm zu zu hören. Bis dahin konnte noch viel Zeit vergehen, doch davon hatte sie ja reichlich. Nach gut einer weiteren Stunde, versuchte sie ihn sacht zu wecken. Er wollte früh los, oder?
"Velkyn ... wach auf. Wenn wir bald aufbrechen wollen, müssen wir noch Sachen besorgen."

Er war durch ihr Tun nicht wachgeworden, aber wo sie ihn nun deutlich ansprach und zwar erst leise sprach, aber dann etwas mehr Intensität in die Stimme brachte, regte er sich. Er machte die Augen einen Spalt breit auf, blinzelte und machte sie ganz auf. Er sah rüber zu Naira und fragte: „Was hast du gesagt?“ Er hatte es irgendwie nicht wirklich mitbekommen. Sie sah irgendwie fröhlich aus. Oder bildete er sich das ein? Aber sie sah auch irgendwie immer fröhlich aus. Meistens. Er stand auf und prüfte seinen Körper. Es ging ihm mittlerweile generell auch schon sehr viel besser.
Sie nahmen ihre Sachen und gingen nach unten, wo Velkyn einiges an Proviant kaufte und diesen in den Rucksäcken verstaute. „Nach Westen wolltet ihr, nicht?“ Velkyn nickte. „Ja.“ Die Frau, die gestern hier schon gewesen war, musterte ihn und nickte auch. „Seid vorsichtig. Es wurden in letzter Zeit einige Orkstämme gesichtet.“ Velkyn nickte und sagte: „Wir werden vorsichtig sein.
Dann fragte er: „Sagt… ist der Pass im Norden noch passierbar?“ Die Frau sah ihn über ihre Brille an. „Wieso wollt ihr das wissen?“ „Nur so.“ „Hm. Ja, ich denke schon.“ „Danke.“ Dann sah er zu Naira und gab ihr mit einem Nicken das Zeichen, dass sie wohl nun gehen könnten.
Er ging mit ihr hinaus und blickte sich draußen um. Dann steuerte er nach Norden. Sie verließen den Posten und liefen einen halben Tag, ehe Velkyn den Weg plötzlich verließ und nach westen abdrehte.

Naira wiederholte lachend, was sie eben gesagt hatte und schaffte es nun auch, sich erneut aus dem Bett zu bewegen. Es war Zeit auf zu brechen. Unten besorgte er noch Proviant und andere Dinge die sie brauchten. Alles wurde in den Rucksäcken verstaut. Die Dame unten fragte noch einmal, in welche Richtung sie auf brechen wollten. Velkyn antwortete ihr und dann ging es auch schon wieder los. Naira folgte Velkyn einfach. Sie wusste, das es nach Norden ging und glaubte, die Frau würde sie doch sicher sehen, wenn sie in diese Richtung gingen. Einen halben tag später, als Velkyn die Richtung änderte, runzelte sie die Stirn.
"Du hast der Frau gesagt, das wir nach Westen wollen .... dann wegen des Passes gefragt ... Sollte sie glauben, das wir ihr die falsche Richtung an gegeben haben?"
Anders konnte sie sich das hier nicht erklären. Schließlich würden ihre Verfolger doch ganz schnell spitz kriegen, in welche Richtung sie nun unterwegs waren, oder nicht? Das war doch sehr verwirrend.

Ja genau so war es. Naira war ja auch nicht doof, weshalb sie es durchschaute. Dennoch antwortete er ihr: „Nicht sie soll das glauben.“ Aber die Verfolger. Shannons Hetzhunde waren größtenteils dumm und die Verfolger aus der Schattenebene hatten offensichtlich andere Möglichkeiten, ihn ausfindig zu machen. Egal.
Sie liefen nun also querfeldein und da sie immer noch im Wald waren, war es nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie auf Tiere oder dergleichen stießen, die nicht unbedingt freundlich waren. Auch Monster trieben sich manchmal herum, aber bis jetzt waren sie zumindest unbehelligt geblieben. Velkyn schwieg eine ganze Weile, aber dann stellte er die Frage, die ihm schon eine ganze Weile auf der Seele brannte: „Wie hast du mich gerettet?“ Er blieb nicht stehen und die Frage war vielleicht nicht präzise genug. „Also ich meine: Ich hätte an den Verletzungen sterben müssen. Bin ich aber nicht. Wie hast du es gemacht?“ Sie musste eine exzellente Heilerin sein, aber dass er nicht verblutet war, musste eine andere Ursache haben. Eine magische.

Durch die Geschichten ihres Ziehvaters, wusste sie durchaus, vor welchen Tieren man sich in acht nehmen musste und vor allem wann. Das galt dann auch bei harmlosen Tieren, die sich eigentlich von Menschen fern hielten, oder weg liefen. Der Plan Velkyns war es, die Verfolger nach Norden zu locken, wo sie im Endeffekt gar nicht waren. Die Dame im Handelsposten diente also nur als Mittel zum Zweck, die falsche Nachricht zu übermitteln. Wie auch immer. Sie waren nun mitten im Wald und auch hier fand sie immer wieder etwas, das sie interessierte oder sie einfach fantastisch fand. nach einer Weile, fragte Velkyn dann, wie sie ihn gerettet hatte. Zunächst sah sie ihn nur fragend an, doch dann erklärte er sich.
"Oh das. Also das kann ich mir auch nicht wirklich erklären. Als ich dich aus dem Wasser gezogen habe, wollte ich die Blutung der schlimmsten Wunde stillen und hab Stoff drauf gedrückt. Die Andere Wunde, war weniger schlimm, aber auch da hab ich eine Hand drauf gehalten, um sie ein wenig zusammen zu drücken. ich hab nicht gewusst, was ich tun soll und hab mir gewünscht, ich könnte dich heilen. Dann wurden meine Hände ganz warm und deine ganzen Wunden hörten auf zu bluten. Ich hab dich dann nach Hause geschliffen und dich da verarztet,"
erzählte sie frei heraus. Nun so war es ja auch gewesen.
"Offenbar wurde mir für diesen einen Moment doch ein Wusch erfüllt. Bei Yuri hats schließlich nicht geklappt und auch bei Tora nicht."
Nun in dem Punkt mochte sie wirklich etwas naiv sein, aber wie sonst sollte sie sich das erklären?

Sie wusste nicht, ob es bei Yuri nicht vielleicht auch geklappt hatte. Sie hatte Velkyn vorm Sterben bewahrt. Vielleicht hatte sie das bei Yuri auch getan? Wer wusste das schon? Nachdenklich nickte Velkyn jedenfalls auf ihre Aussage. Dann sah er zu ihr rüber er lächelte. „Vielleicht bist du eine Heilerin.“ Er hatte davon gehört, dass es Leute gab, die göttliche Kräfte anrufen konnten, ohne einer Gottheit zu huldigen, wie beispielsweise ein Kleriker. Diese Leute konnten rein intuitiv ihre Gaben verwenden, wenn auch nicht so viele, wie ein Kleriker, aber dafür genauso mächtig. Diese mystischen Kräfte wurden dennoch von einer höheren Wesenheit verliehen, die sich im speziellen sehr mit dieser Person identifizieren konnte und sie als würdig erachtete, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Meistens blieb diesen Personen jedoch verschlossen WER ihnen diesbezüglich half.
„Wenn du die Wunde wirklich mit Magie versorgt hast, kann es nicht schaden, diesen Pfad zu verfolgen.“ Er überlegte noch einen Augenblick. Er hatte sich schon bei ihr bedankt, aber das kam ihm irgendwie so vor, als sollte er es noch einmal tun. Aber er wollte auch nicht zu oft danke sagen, weil es dann irgendwie an Wert verlor. Er blickte zu ihr. „Du hast mir das Leben gerettet, Naira. Das werde ich nie vergessen.“
Auch wenn er manchmal das Gefühl hatte sterben zu wollen. Aber er hatte hier was zu erledigen. Und er würde nicht eher sterben, ehe er es getan hatte. Was dann aus ihm wurde, war ihm egal.

Himmel dieses Lächeln. Wie gern hätte sie ihn dafür geküsst, aber das war doch eh nichts, woraus sich etwas ernstes entwickeln könnte. Für einen Moment konnte sie ihn einfach nur ansehen.
"Ach nein. das wäre doch etwas weit her geholt. ich kenne mich mit Kräutern aus, aber Magie beherrsche ich nicht,"
lachte sie.
"Dann hätte ich es doch sicher auch bei den Anderen einsetzen können."
Hätte sich das dann nicht schon sehr viel eher bemerkbar machen müssen?
"Ich hätte dich da nicht sterben lassen können. Was ich tat, tat ich nicht, um Dank zu ernten, auch wenn ich das zu schätzen weiß. Ich meine ... es sollte selbstverständlich sein, jemandem Anderen das leben zu retten, oder nicht?"
Es gab sicher genug Leute, denen man nicht helfen wollte, weil sie eben ... nun eben den moralischen Vorstellungen nicht entsprachen. Mörder, jemanden, mit dem man nichts gutes abgewinnen konnte? Das hatte sie bei Velkyn nicht gesehen. Was sie gesehen hatte, war ein wirklich hübscher Kerl, der Hilfe brauchte.
"Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich es nicht wenigstens versucht hätte,"
setzte sie nachdenklich nach, doch schon im nächsten Moment erfreute sie sich wieder des Lebens und der Umgebung. Es war wunderschön hier in den Wäldern.
"Übernachten wir hier in den Wäldern?"
wollte sie wissen. Sie waren zwar noch nicht so lang unterwegs, das sie sich darüber Gedanken machen mussten, aber interessieren tat es sie schon. Sie konnte sich gut vorstellen, das man auf Moos ganz weich lag.

Sie hätte es sich nicht verzeihen können, einen Wildfremden sterben zu lassen. Sie war wirklich freundlich. Velkyn lächelte leicht. Victoria war auch so gewesen. Sie hätte es sich auch nicht verziehen und mehr noch… sie hatte versucht, Velkyn ein normales Leben zu ermöglichen. Sie hatte ihm beigebracht, sich normal zu verhalten und wie sich Liebe anfühlte. Sie hatte mit ihm eine Familie gegründet. Velkyn sah zu Naira herüber. Victorias Tod hatte ihn aus den Fugen dieses Lebens gerissen und jetzt musste er wieder lernen, sich darauf einzulassen und die Regeln zu befolgen. Er tat sich schwer, aber er wollte es um jeden Preis versuchen. Weil sie es sich gewünscht hätte…
„Ja. Werden wir müssen.“ Die Wälder konnten gefährlich sein. Das wusste sie ja schon. Trotzdem hatten sie diesbezüglich ja auch gar keine andere Wahl. Sie liefen noch eine ganze Weile und kamen an einen breiten Fluss. Velkyn kannte sich hier ebenso wenig aus, wie Naira und so wussten sie nicht, wo die nächste Brücke war. Velkyn sah Naira an. Einen Moment kam ihm ein Gedanke, aber verdrängte ihn gleich wieder.
„Wir können schwimmen. Oder wir suchen eine Brücke.“
Der Fluss war nicht reißend, aber er war auch nicht sehr ruhig. Außerdem waren es gut 20 Schritt, die sie herüberschwimmen müssten.

Genau das wäre es wohl gewesen, was sich Victoria gewünscht hätte. Sie hatte sich immer gewünscht, das er ein normales Leben haben könnte- Naira wusste ja nichts von seiner Vergangenheit, aber auch sie würde ihm sicher das Leben leichter machen, wenn sie wüsste, was Velkyn alles so erlebt hatte. Gemeinsam durchquerten sie den Wald auch weiter, bis sie irgendwann an einen Fluß kamen. Naira konnte schwimmen. Das hatte ihr Ziehvater ihr bei gebracht, für den Fall, das sie mal in den Fluss in der Nähe ihres Dorfes fallen würde. Er wollte nicht, das sie ertrank. Ratlos sah sie auf das Wasser. Auch wenn der Fluss nicht reißend war, hatte er vielleicht seine Tücken.
"Das Problem dabei ist ... in welcher Richtung dürfte die nächste Brücke wohl liegen? Wenn wir schwimmen, werden unsere ganzen Sachen nass."
Die Sachen würden trocknen, das war sicher, aber eine Brücke finden, könnte durchaus eine Weile dauern.
"Was meinst du? Würden wir weit von der von dir Ausgewählten Route ab kommen, wenn wir eine Brücke suchen würden?"
Selbst wenn sie eine Brück finden würde, könnte diese durchaus zerstört oder kaputt sein.

Velkyn hatte doch auch keinen Plan. Er war ja zuvor schon von seinem Weg abgekommen und hatte nur eine grobe Kart der Welt vor Augen. Er sah den Fluss hinaf und dann noch mal hinab. Dann segte er: „Ich kenne mich in der Wildnis überhaupt nicht aus.“ Er hatte nicht mal gewusst, dass sie diesen Fluss hier kreuzen müssten. Würden sie nach Süden – Flussaufwärst – folgen, würden sie zurück zum Handelsposten laufen. Liefen sie stattdessen nach norden, würden sie vermutlich ewig laufen können, ehe sie einen Weg fanden und außerdem würden sie dann eventuell von ihren Verfolgern wiederentdeckt.
„Wir schwimmen!“, sagte er schließlich gelassen.
Er ging zum Flussufer und inspizierte dieses. Er sah hier keine geeignete Stelle für irgendwelche hinterhältigen Verstecke und stufte das ganze deshalb irgendwie als sicher ein. Er sah noch mal zu Naira und meinte: „Nach dir.“ Er wollte sie im Auge behalten können, um ihr zur Hilfe eilen zu können. Und so stiegen sie ins kalte Nass.

Naira überlegte ebenfalls. Nach Westen war der Ursprüngliche Plan. Verfolger sollten allerdings nach Norden abgelenkt werden. Aus dem Süden kamen sie und nach Osten wollten sie nicht. Also doch schwimmen. Naira nickte lächelnd. Sie hatte ihn ja auch aus dem Wasser gefischt, also scheute sie sich nicht nun in das kalte Wasser zu steigen. Ihre Füße berührten das Wasser, was sie kurz auf quieken und dann kichern ließ. Sie ließ sich schließlich ganz rein gleiten und atmete erschrocken auf.
"Kalt, kalt, kalt, kalt, kalt,"
keuchte sie, bewegte aber direkt die Arme und Beine, und machte die ersten Züge, um auf die andere Seite des Flusses zu schwimmen. Leider hatte sie nicht mit der Strömung unterhalb der Wasseroberfläche gerechnet, die sie plötzlich erfasste und unter Wasser zog. Naira wurde hin und her gewirbelt, schaffte es an die Oberfläche und schnappte ordentlich nach Luft, ehe sie erneut unter Wasser gezogen wurde und erneut umher gewirbelt wurde. Naira verlor die Orientierung. Sie strampelte verzweifelt im Wasser herum, um die Oberfläche zu erreichen, doch schaffte es einfach nicht.

Velkyn hatte den Fluss unterschätzt. Zunächst hatten sie ein paar Schwimmzüge, ohne große Probleme gemacht, aber plötzlich gerieten sie in den tückischen Sog des Gewässers. Naire wurde so schnell herabgezogen, dass er glaubte, ein Tier hätte sie geschnappt. Er tauchte sofort ab und erkannte denn verhängnisvollen Fehler. Er versuchte sie zu erreichen, aber zum einen wurde auch er erfasst und zum anderen schaffte sie es eben kurz an die Oberfläche.
Im Gegensatz zu ihm geriet Naira jedoch in Panik. Zwar wusste auch er, dass solche Strömungen unter Umständen tödlich sein konnten, wenn man ihnen nicht entkam, aber in Panik zu verfallen halt hier auch nicht. Er holte kurz Luft, als er an derselben Stelle hochkam, wie zuvor Naira und tauchte ihr dann hinterher. Er packte sie an ihrem Rucksack und zerrte sie nach oben. „Ruhig!“, sagte er ruhig und gelassen und schuppste sie Richtung Ufer, ehe er wieder erfasst wurde, da er tiefer war als sie. Er kam jedoch sehr schnell wieder nach oben. Ein Felsen unter der Wasseroberfläche hatte ihm als Absprung gedient, ohne dass er dagegen gekracht war. Er schwamm wieder zu ihr und gemeinsam schafften sie es auf die andere Seite. Sie klatschten beide hin, wie die Fische an Land. Kurz kam Velkyn zu Atem, ehe er eben so ruhig, wie zuvor sagte: „Lass uns das nicht wiederholen.“ Seine Muskeln brannten von der Anstrengung.