Drakon Di Aug 16, 2022 10:32 am
Tessa verteidigte ihren Ehemann so weit sie es konnte. Das ganze hier war ohnehin nicht richtig. Die meisten hier glaubten sowieso nicht daran, dass man ihn hier hinrichten würde, oder? „Welches Versprechen kann so wichtig sein?!“, schrie einer. „Ruhe!“, mahnte Darius ruhig. Drakon hätte sich auch selbst verteidigt, aber irgendwie fasste es Tessa viel besser zusammen, als er es gekonnt hätte. „Jemand von der Anklägerseite?“
Bosco trat vor. Er war ziemlich lädiert. „Er hat uns im Stich gelassen. Das ist so viel, wie Eidbruch! Unsere Leute sind abgeschlachtet worden, während ER zugesehen hat!“ Ein anderer trat nun vor. „Er war kreidebleich, als ich ihn zuletzt sah. Für mich sah es aus, als habe er schreckliche Angst!“ Das war ungewöhnlich. Derjenige der gesprochen hatte, war der Koch gewesen. Gerade DER wusste doch, dass Drakon niemals auch nur den Hauch von Angst gegen diese Biester gezeigt hatte.
Es ging jedenfalls noch eine Weile hin und her und es sprachen auch nicht so viele vor.
„Also schön. Wir haben uns alles angehört, was es zu hören gab. Wir alle hier wissen, dass die Regeln unserer Gemeinschaft unbedingt eingehalten werden müssen. Unsere Regeln sind außerdem streng und unmissverständlich. Du bist ein wertvoller Teil der Gemeinschaft. Schon immer gewesen, um so unverständlicher war es, wie du dich verhalten hast. Es gab schon viele Deserteure in unserer Festung. Es gab viele, die dem Druck nicht standhalten konnten und viele Verbrecher, die wir hinrichten mussten. Aber du… Du bist ein Wächter aus Leidenschaft und Hingabe.“ Er machte eine Paus und erhob sich nun. „Noch nie haben wir jemanden hingerichtet, weil er Angst hatte in die Schlacht zu ziehen. Zumindest nicht, wenn es das erste Mal passiert. Absichtliche unterlassene Hilfeleistung hingegen, musste ich schon oft vollstecken.“ Drakon sah auf. „Sag mir Drakon: Und überlege dir nun sehr gut, was du sagst. Hattest du Angst oder hast du deinen Kameraden absichtlich nicht geholfen?“ Drakon wusste nicht, wie er antworten sollte. Würde er nun rund heraus sagen, dass es Absicht gewesen war, würde er schneller im Wind baumeln, als er schauen konnte. Tessa, Luna und sein ungeborenes Kind mussten dann ohne ihn klarkommen. Gebrandmarkt, als die Familie eines Verräters. Würde er etwas anderes sagen würde er lügen. Durfte er einen Kommandanten belügen? „Hattest du schlicht und ergreifend Angst, Drakon?“ Er schluckte und sagte dann ohne weiter nachzudenken und wie ein Reibeisen: „Ja…“
Ein Raunen ging durch die Reihen. „Blödsinn!“, rief jemand. „Ruhe!“, mahnte Darius. „Ich werde das im Urteil berücksichtigen.“ Darius schrieb ein wenig in ein Buch und beriet sich nur sehr kurz mit den beiden Kommandanten, die neben ihm saßen. Ragnar war nicht involviert. Schließlich erhob er sich. Es hatte keine fünf Minuten gedauert. „Drakon Dracaris. Ich werde dich nicht für Eidbruch verurteilen.“ Lanara schluchzte erleichtert auf. „Was ich jedoch tun werde, ist dich streng zurechtzuweisen.“ Drakon sah zu ihm auf. Immer noch so, als stünde er über allem, aber keinesfalls respektlos. „Fakt ist, dass du deine Kameraden im Stich gelassen hast. Wir alle wissen, dass jeder schon einmal Furcht empfunden hat und deshalb werde ich dir nun folgendes auf den Weg geben: Dein Verhalten war eines Wächters nicht würdig. Wären deine Leistungen im Vorfeld nicht so wichtig für uns gewesen, hätte das alles heute anders aussehen können. Deshalb warne ich dich jetzt einmal. Sollte etwas dieser Art noch einmal geschehen, wartet auf dich der Strick.“ Drakon sah auf. „Ich werde ferner festlegen, dass du deinen Teil zur Rehabilitierung beiträgst. Du wirst jede Nacht eine Schicht Wache halten. Sollte ein Angriff auf die Festung erfolgen, will ich dich auf dem Schlachtfeld sehen. Bis dahin wirst du gemeinnützige Arbeit verrichten. Zusätzlich zu deinem Dienst.“ Darius musterte ihn. „Du bekleidest ferner den niedrigsten Rang um erneut zu lernen, was es heißt, für seine Familie da zu sein.“ Er war zwar immer noch ein Wächter, nun aber eher Mädchen für alles. „Ich werde diesen Rang so lange aufrechterhalten, wie es mr nötig scheint.“ Drakon senkte den Blick. Dieser ominöse Freund… er hatte ihm seine Tochter gerettet, aber das hier… das war die Hölle… „Mein Urteil ist gefallen und ab sofort gültig. Alle wegtreten!“