„Kazel… mein lieber Junge. Deine Frau wird es mal gut mit dir haben.“ Sie nahm ihm die Wäsche ab und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Der junge war gerade mal 8 Jahre alt, aber er half seiner Mutter wo er es nur irgendwie konnte und er versuchte ihr immer ein guter Sohn zu sein. Nachdem sie ihm erklärt hatte, dass sein Vater nicht bei ihnen sein konnte und sie auch sonst niemanden hatten, der annährend als Familie zu bezeichnen war, lebten sie allein und Kazel war der Mann im Haus.
Am Abend hatte die Mutter Kazels ihm sein Lieblingsessen gemacht. Er hatte Geburtstag und den ganzen Tag hatte er sich auf das Festessen gefreut. Selten gab es was Anständiges zu beißen, aber es reichte. Sie wurden satt, wenngleich man nicht gerade behaupten konnte, dass es das Beste war, was man finden konnte.
„Acht Jahre, Kazel… Acht Jahre schon machst du mich glücklich und erheiterst meine Tage. Ich hab dich so lieb. Du hast dir dieses Essen verdient und nach dem Essen, gibt es noch ein kleines Geschenk.“ Kazel strahlte seine Mutter an und bedankte sich für die lieben Worte, ehe er seiner Mutter den Stuhl zurück zog und ihn wieder heran schob, als sie sich setzte. Es sollte ein wundervoller Abend werden.
Was die beiden nicht ahnen konnte, war die große Ungerechtigkeit, die sich vor dem Haus zusammen braute. Männer auf Pferden kamen herbeigeritten. Das Haus, in dem der Kerzenschein eine Art von Gemütlichkeit an diesem tristen Tag widerspiegelte, stand einzeln mitten auf dem Land. Es gab keine Scheune und keinen Stall, was die beiden Bewohner zum Essen brauchten besorgte die Mutter stets zu Fuß und ihr kleiner Sohn half ihr dabei. Die Reiter fackelten jedenfalls nicht lange und stiegen ab. Kazel hatte sie bereits gehört und sich nicht hingesetzt, während seine Mutter ihn beunruhigt betrachtete. „Was ist?“, flüsterte sie fast.
„Männer auf Pferden.“ Er ging zum Fenster, doch seine Mutter hielt ihn auf umarmte ihn dabei von hinten und sah geängstigt selbst aus dem Fenster, als schon die Tür eingetreten wurde. Ein großer hässlicher Mann trat ein und Kazels Mutter schrie. Sie hatte sich mit einem Küchenmesser bewaffnet und rief erbost: „Was wollt ihr! Wir besitzen nichts!“
„Das sehe ich anders.“
Das noch unberührte Essen wurde gemustert und mit großen Augen sah Kazel den Mann an, der ihm wirklich Angst machte. Seine rötlichen Augen fixierten ihn regelrecht und die länglichen Pupillen wurden zu hauchdünnen Schlitzen. Er wollte etwas sagen, aber er war starr vor Angst.
„Wenn ihr keine Wertsachen habt, dann nehmen wir eben das Kind.“
„NEIN!“, schrie sie ihn an und ging auf ihn los. Kazel verfolgte den wirklich kurzen Kampf, der darin endete, dass seine Mutter gegen den Tisch geschleudert wurde. Der Becher mit dem Saft ging zu bruch und Kazel begriff endlich, dass das hier kein Spiel mehr war. Seine Mutter griff nach der kleinen Schachtel, die auf dem Tisch lag. Zum Vorschein, kam ein Amulett und sie sagte: „Bitte! Nehmt es! Es ist viel wert, aber lasst mir meinen Jungen!“ Sie flehte und Kazel verfolgte, wie dem Mann SEIN Geburtstagsgeschenk überreicht wurde. Er starrte den Mann an und der setzte ein Grinsen auf. „Bestimmt gestohlen. Und was macht man mit Dieben? Richtig! Man schlägt ihnen die Hände ab!“
„NEIN! Ich habe es von einem Freund bekommen!“, sagte sie und der böse hässliche Mann grinste irgendwie ekelhaft. Kazel kamen nun die Trnen. Er verstand das alles nicht. Er lief zu seiner Mutter und im Kerzenlicht, sah er nun zu dem Mann auf, der seine seltsamen Augen bemerkte. Für einen Moment erstarb sein Grinsen. Als nächstes betrachtete er das Amulett und eine Erkenntnis schien ihm über das Gesicht zu huschen. Er blickte wieder zu Kazel, gab seiner Mutter dann eine so kräftige Ohrfeige, dass die Haut an ihrer Wange auf platzte und hockte sich vor Kazel, der ihn starr vor Angst an sah.
„Nicht mein Kind…“, jammerte die junge Frau.
„Kind?“, fragte der hässliche große und böse Mann. „Du meinst wohl Brut! Das ist das Werk eines Dämons!“ Er lächelte jedoch dabei und war nicht etwa empört. Kazel machte einen Schritt zurück und kniete sich hinab zu seiner Mutter er fasste ihre Hand und sagte: „Mama, steh auf. Mach dass die Männer weg gehen, ich habe Angst. Mama!“ Die junge Frau jedoch weinte nur hemmungslos und Kazel stand wieder auf. Auich wenn er Angst hatte, sah er dem Mann nun ins Gesicht und sagte klar und deutlich: „Geht weg!“
Nun lachte der böse Mann und ging auf Kazel zu. Er packte ihn einfach am Schlafittchen und zog ihn zu sich heran. „Selbstredend, aber dich nehme ich mit. Mein Herr wird sich sicherlich über dich freuen.“ Das Amulett hing ihm um den Hals und aus irgendeinem Grund ärgerte es Kazel, dass ER diese Kette trug. Ohne noch viel machen zu können wurde er plötzlich durch den Raum geschleudert und kam benommen auf dem Boden auf. Er hörte seine Mutter schreien, begriff nicht, was der Mann meinte, als er seinen Männern befahl, sich noch einmal prächtig mit ihr zu amüsieren, wo das hier doch alles andere als lustig war. Im Gegenteil. Kazel schmeckte Eisen in seinem Mund. Es schmeckte als habe er sich auf die Zunge gebissen. Hatte er das nicht auch? Kazel wusste es nicht. Er wollte aufstehen, doch schon wurde er wieder gepackt und in einen Sack gesteckt. Ohne es aktiv zu wissen, rief er nach seiner Mutter, doch er hörte nur ihr Wimmern ihr schreien und dann wurde es Schwarz, als ihm jemand einen Knüppel über den Kopf zog.
Kazel würde von diesem Tag an seinen Geburtstag hassen. Jawohl. Nichts Schönes war an diesem Tag. Das Essen stand unberührt, wie ein Stummes Versprechen auf dem Tisch bei Kerzenschein. Das kleine Päckchen war aufgerissen und der wertvolle Inhalt geraubt. Die Frau, die ihm das Leben geschenkt hatte, lag auf dem Küchenboden, besudelt und beschämt und er? Er steckte in einem Sack und würde das Gesicht, dieser schönsten aller Frauen nie wieder sehen. Wie konnte man sich also über einen solchen Tag freuen?
Eine Woche später
Die Reise war furchtbar gewesen. Er war die meiste sack in diesem schwarzen Sack und nur ab und zu durfte er einen Schluck Wasser haben. Man hatte ihn an Händen und Füßen gefesselt und gab ihm andauernd irgendwelche schmerzhaften Schläge und Tritte, wenn er anfing zu weinen. Das hatte er schnell begriffen und so tat er es nur noch still und ohne seine Peiniger wissen zu lassen, wie traurig und verzweifelt er war. Manchmal schlugen sie ihn nur um zu sehen, ob er noch am Leben war.
Jetzt jedoch war er irgendwo angekommen. Er hörte, wie die Männer irgendwas sagte von: Herr und waschen. Schon wurde er wieder gepackt. Er wurde förmlich aus dem Sack ausgekippt und er war viel zu verängstigt, als dass er hätte fliehen können. Zusammengekauert lag er im Dreck und eine kräftige schmerzhafte Hand zog ihn hoch. „Waschen wir dir dein schändliches Dämonenblut ab, dann kannst du vor deinen neuen Herrn treten.“ Der lachte und schon wurde Kazel förmlich gegen einen anderen Mann geworfen, der ihn hinter sich her schleifte und ihn kurzer Hand in eiskaltes Wasser warf. Kazel tauchte auf und klapperte mit den Zähnen. Trotz dessen, dass das Wasser alles andere als klar war, fing Kazel an zu trinken. Er hatte solchen Durst… Schon wurde er untergetaucht, als er wieder hoch kam, war er fast erstickt und musste sich anhören, dass er kein Fisch sei, also solle er aufhören das Dreckwasser zu trinken. Wieder liefen die Tränen herab und wieder wurde er untergetaucht. Dieses Mal holte er jedoch tief Luft.
Nach einigen Augenblicken wurde er abgeschrubbt, die vielen kleinen Schürfwunden brannten dabei natürlich, aber Kazel wagte nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben, es war ganz schrecklich, für den kleinen Kinderkörper. Noch schrecklicher jedoch war es für die arme kleine Kinderseele. Man zog ihm neue Kleider an… Nu n ja „neu“ war übertrieben, aber sie waren sauber. Es roch ein wenig nach Seife und schon dachte er an seine Mutter und den Abend von vor einer Woche. Wieder fing er an zu weinen und kassierte eine neuerliche Ohrfeige. „Hör auf zu heulen!“
Und dann wurde er vor eine große Tür gezerrt, die sich verheißungsvoll und quietschend auf tat. Ein Mann … ein dicker Mann. Goldene Ringe an den Fingern, feinste Seide. Er war abstoßend und schön zugleich. Kazel konnte sich da nicht so richtig entscheiden. Riesig waren seine Augen und der Mann lief einfach an ihm vorbei. Als nächstes sah er einen anderen Mann. Er war noch schöner als dieser hier und nicht so abstoßend. Dunkles langes Haar viel seinen Rücken herab. Es hatte die Farbe von warmem Ebenholz. Sein Blick war kalt wie Gletschereis aber sein Lächeln warm, wie ein Frühlingstag. Seine feinen Züge erinnerten an die eines Elfen, aber die Augen waren nicht so Mandelförmig und auch nicht so groß. Sie hatten die Farbe von Mohnblumen. Er war wirklich wunderschön und kurz vergaß sich Kazel in diesem Antlitz, das einem Gott glich.
„Sehr schön. Ich warte auf deinen Boten.“, sagte der Mann noch im Gehen. Nur kurz streifte der Blick den Kazels und dann blieb dieser Engelsgleiche Kerl stehen und sah etwas länger auf Kazel herab, der schnell den Blick senkte. „Na sieh mal einer an.“ Er streichelte Kazel nur kurz durch das zerzauste Haar und ging dann weiter. Schon wurde Kazel in den Raum gestoßen und kam auf Knien vor einem großen Schreibtisch auf dem Boden auf. Der Mann reckte kurz den Hals, um ihn zu sehen, als er so über die Kante des Tisches sah.
„Und? Was soll das?“
„Teufelsblut.“, kommentierte der große hässliche Mann. Nun erhob sich der andere. Kazel befand, dass dieser Mensch recht normal aussah. Weder besonders schön, noch wirklich hässlich weder dick noch dünn oder schmächtig oder stark. Er war auch nicht besonders groß oder zu klein. Eben der absolute durchschnittstyp. Seine glanzlösen und uninteressanten Augen musterten ihn in einem nebligen grau.
„Sehr schön.“, sagte er schließlich nur. „Bringt ihn erst mal zu den anderen, lasst ihn auch auf Krankheiten untersuchen und dann findet heraus, ob er uns von Nutzen sein kann. Ich würde ungern meine Zeit mit ihm verschwenden.“
„Ich will zu meiner Mama…“, sagte Kazel leise und fing sich gleich wieder eine von dem hässlichen. Der andere hab die Hand, als Zeichen, dass er inne halten sollte.
„So? Du willst zu deiner Mama?“ Er sah kurz auf und der hässliche schüttelte leicht den Kopf. Daraufhin sah ihn der andere wieder an. Er kniete sich sogar mit zu Kazel herab und sagte dann: „Aber deine Mama schläft jetzt bei den Engeln. Sie ist in einer schöneren, besseren Welt. Dort geht es ihr sehr gut.“
„Dann will ich da auch hin.“, sagte er leise.
„Das geht aber nicht. DU hast noch viele Dinge in dieser Welt zu tun und wenn du alles gemacht hast, was getan werden musst, kannst du dann auch an diesen Ort. Versprochen.“
Jetzt sah Kazel auf, versuchte eine Lüge in diesen langweiligen und schlichten Augen zu finden, fand aber keine.
„Deine Mama ist stolz auf dich, wenn du tust, was wir sagen. Und nun geh mit Bluthund zu den anderen.“
„Bluthund?“
„das bin ich!“, motzte ihn der hässliche, böse Mann an und Kazel sah zu ihm auf.
„Ach und noch eins…“, sagte der andere. Der, den sie „Herr“ nannten. „Ab sofort, ist dein Name Geschichte. Du bist hier nichts weiter als einer von vielen. Sklaven haben keine Namen und wenn dich das nächste Mal jemand fragt, wie du heißt, wirst du antworten, dass du keinen Namen hast.“
Kazel schluckte schon wurde er jedoch wieder mit gerissen und unsanft in der Gegend herumgezerrt. Er wurde in eines der Gebäude gebracht, die keine vergitterten Fenster hatten. Der große Hässliche hatte ihn schmerzhaft am Arm gepackt und schuppste ihn nun durch die Tür, weshalb er auf den bereits aufgeschürften Knien wieder auf den Boden fiel. Das Zimmer war hell eingerichtet und weiße Laken waren auf den Betten zu sehen. WEIß! Kazel traute sich schon gar nicht mehr aufzusehen, schließlich hatte er bisher nicht unbedingt die Erfahrung gemacht, dass die Leute hier nett waren. Er riss sich zusammen nicht gleich wieder los zu weinen und stand auf, als Bluthund es ihm befahl. Er verstand nicht, warum er immer erst hin geschuppt wurde, wenn er dann doch wieder aufstehen sollte.
Der junge Knirps vor der Ärztin dieser Einrichtung gab ein erbärmliches Bild ab. Seine Gliedmaßen waren dünn und von bescheidener Muskelmasse. Also eigentlich gar keiner. Die Knochen ragten unter der Haut hervor, als habe er eine Haut aus Papier. Im Gesamtbild sah der arme Junge unterernährt aus. Die blauen Flecken und Schrammen erweckten den Eindruck, als habe man ihn aus der Gosse gefischt oder eben verprügelt. Aber ansonsten sah er doch recht gesund aus… Zumindest körperlich. Ihm fehlte absolut nichts. Außer seine Mutter. Kazel sah der Ärztin in die Augen und Bluthund verließ den Raum, als sie ihn darum bat. Ihre Hetzreden gegen ihn, wie er die Gefangenen behandelte interessierten ihn schon längst nicht mehr. Es war ihm eigentlich immer sehr egal, was diese Frau zu ihm sagte.
Kazel indes versuchte nicht all zu erbärmlich zu wirken und als Bluthund weg war, traute er sich auch die Frau direkt anzusehen. Sie schien zumindest erst mal auf seiner Seite zu sein. „Ich will nach Hause.“, schluchzte er schließlich.