Los Angeles

Es hieß ja auch immer einem hungrigen Bauch schmeckt alles. Und das schien zumindest bei Dorian der Fall zu sein er schlang jetzt zwar nicht unbedingt, aber er aß dennoch ohne Pause und es schien ihm auch zu schmecken. Besonders übrigens der Ahornsirup, den er ganz offenkundig kannte. Er sah Lea an. „Danke.“ Es klang nicht mehr so schwerfällig, sondern viel normaler als sonst und schließlich sah er sich kurz um. Sie schien hier etwas vorzubereiten. Vielleicht für die Kinder? Er wusste es nicht. Aber Lea ließ ihn sowieso auch nicht mit machen. Sie sagte, er müsse sich schonen und Dorian seufzte tonlos. Das sah auch wieder so niedlich aus. Er wolle wieder lernen zu sprechen. Warum ausgerechnet das Sprachzentrum gestört war und er ansonsten aber alles verstand war ihm ein Rätsel.
Eine Schwester kam herein. Sie blieb kurz stehen und begrüßte dann Lea mit einem fröhlichen guten Morgen und dann Dorian mit einem höflichen Morgen. Sie sagte: „Ich bin Schwester Magda. Schön, dass es dir besser geht, Dorian.“

Sie verbrachten den Morgen jedenfalls zusammen und gerade nach dem Frühstück, als Dorian eben hinaus in den Garten ging hörte Lea von draußen. „Habe ich dich endlich!“ Das konnte nur Graham sein. „Du glaubst wohl, du kommst mir so einfach davon?“ Dorian hob die Hände zur Verteidigung, allerdings eben nur als Geste. Er schüttelte leicht den Kopf.

Wieder bedankte er sich. Dieses Mal für das Frühstück. Hach er war einfach zu lieb. Lea mochte ihn gern. Er war ... besonders. Seine Haare fielen nun so, das man die kahle Stelle nicht mehr sah. Er sah aus, wie man sich einen Engel in Menschengestalt vorstellen würde. Wunderschön. Er langweilte sich sichtlich, aber ... ehe er nicht wieder gesünder war, würde sie ihn auch keine leichten Arbeiten machen lassen. Magda kam herein. Lea begrüßte sie eben so fröhlich.
"Ich hab schon fast alles vor bereitet. Wir brauchen eigentlich nur noch alles in den Speisesaal bringen,"
erklärte Lea, was sie dann auch gleich in Angriff nahmen. Sie betrachtete den lieben Dorian mahnend, aber doch lächelnd.
"Und du wartest schön, bis ich dich holen komme. Nicht das das wieder auf geht."
Sie deutete dabei auf seine Bauchwunde.

Nach dem Frühstück, räumte Lea noch alles mit ab, was recht schnell ging, da dieses Mal wirklich jeder mit half. So hatte sie mehr Zeit für Dorian. Im Garten gab es auch was zu tun. Während er sich dort also ausruhte, konnte sie ein paar Arbeiten erledigen. So weit kam es jedoch noch gar nicht erst. Sie konnte schon die Stimme Grahams hören, wie er wieder seinen sonderbar feindlich gesinnten Ton an schlug. Sofort stellte sich lea wieder vor Dorian.
"Mr Graham! Er ist für sie immer noch ein Fremder und er ist Gast unserer Kirche. Sie werden ihn also auch mit Sie ansprechen,"
erklärte sie gefasst und ruhig.
"Er ist noch nicht in der Verfassung Fragen zu beantworten, ausser sie bedienen sich Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können."
Lea seufzte. Sie verteidigte Dorian wie eine Löwin ihr Junges.
"Hören sie. Ich will ihren Ermittlungen nicht im Wege stehen. Können wir in Ruhe und Vernünftig bei einem Tee darüber sprechen? Ich bin sicher, unser Mr Doe wird ihnen gern ihre Fragen beantworten, soweit er dazu in der Lage ist. Leider kommt bisher nicht mehr als Ja, Nein oder Danke, oder eben mein Name. haben sie bitte Geduld. Wenn sei Druck ausüben, wird er ihnen auch nicht mehr oder eher helfen können."

Graham funkelte Lea an. „Ach? Meine Ermittlungen unterstützen? Sind sie deshalb heimlich aus dem Krankenhaus geflüchtet? Ich bin geneigt Männern und Frauen der Kirche mehr Freiheiten zu lassen, aber halten sie mich nicht für dumm. ICH bin es nicht, vor dem dieser Mann beschützt werden muss. Da draußen rennt ein Serienkiller rum und seitdem dieser Kerl dort im Krankenhaus war, ist nichts wieder vorgefallen, ich bin ebenfalls geneigt das als Zufall zu betrachten, aber ihr Verhalten macht ihn eher verdächtig, als ihn zu entlasten!“ Er warf die Hände in die Luft.
Dorian stand dort, wie vom Donner gerührt. Serienkiller? Was sollte das heißen. Er tastete neben sich nach dem Stuhl, ohne sich hinzusetzten und Graham sah nun zu ihm. Er war kurz überrascht über Dorians Verhalten, der immer wieder ins leere fasste, ehe er einen Schritt auf ihn zu machte und ihn dann direkt zum Stuhl geleitete.
Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Also schön… Sie haben Recht. Das bringt so ja auch nichts.“ Graham musterte Dorian und dieser sah nun wie betäubt zu ihm. Graham musterte den jungen Mann. „Sie können sich also an nichts vor dem Krankenhaus erinnern?“ Dorian antwortete nicht. Viel zu viel schwirrte ihm durch den Kopf und Graham sah nun hoch zu Lea.

Lea senkte Schuldbewusst den Kopf. Sie ließ Graham schimpfen und wurde nicht wieder aufmüpfig, sondern versuchte zu verstehen, warum Graham so handelte. Dorian geleitete graham schließlich zu einem Stuhl. Lea blieb noch stehen, während sich die Beiden Herren hin setzten.
"Sie haben ja recht Mr Graham. Sehen sie ... sie haben sicher auch schon Fehler in ihrem Leben gemacht. Als sie jung waren, gab es bestimmt eben solche Personen, die sie fürchteten, oder für unhöflich hielten. Sie wirkten im Krankenhaus gehetzt und schienen unbedingt die Schuld bei ihm zu suchen. Ich wollte ihn beschützen. Allein deshalb sind wir so schnell aus dem Krankenhaus verschwunden. Ich sehe nun ein, das das ein Fehler war. Mr Doe kann sich tatsächlich an nichts erinnern. Er hat eine totale Amnesie. Die Ärzte wissen nicht, ob er sein Gedächtnis je wieder erlangt. Vielleicht war er ja das Ziel des Killers und dieser glaubt nun, das er tot ist oder er weiß von der Amnesie."
Sie erklärte sich und beantwortete auch gleich seine Frage nach dem Gedächtnis ganz ruhig und freundlich.
"Wollen sie nicht doch einen Tee haben? Ich kann schnell welchen holen."
Nicht das sie Dorian gern mit dem Polizisten allein lassen wollte. Eigentlich wollte sie nur guten Willen beweisen.

Und Graham wollte eigentlich nur, dass Dorian mit ihm sprach. Er schüttelte den Kopf. Nein, sie sollte keinen Tee holen. Dorian sah den Polizisten an. Er mochte ihn nicht. Er wusste aber nicht wieso. Er hatte mit Lea geschimpft im Krankenhaus. Graham schüttelte leicht den Kopf. „Fällt ihnen denn wirklich überhaupt nichts ein?“ Glaubte Graham ihm überhaupt? Dorian musterte ihn und Graham verspürte irgendwie ein leichtes Unbehagen in diesem Blick. Wie ein… Hai, der seine Beute anstarrte. Mit kalten toten Augen. Graham war sich sicher, dass dieser Mann hier etwas zu verbergen hatte, auch wenn er es vergessen hatte. Irgendwas stimmte nicht mit ihm! „Es stellt sich doch die Frage, was sie auf diesem Dach gemacht haben. Wir haben ihr Blut dort gefunden, aber sonst nichts. Dorian zeigte keine Regung.
„Er will scheinbar nicht mit mir reden.“, stellte Graham nun fest und lehnte sich zurück. Er sah wieder zu Lea. Er deutete dabei auf Dorian. „Wenn sie es vielleicht versuchen wollen?“ Dorians Blick war wirklich gruselig. Und vor allem war seine Mine förmlich steinern. Er hatte überhaupt nichts mit dem Engel zu tun, den man sonst in ihm sehen könnte.

Nein. Lea mochte Graham auch nicht, aber sie musste sich schon allein um Pater Josephs und Dorians Willen mit ihm gut stellen, wenn sie keinen Ärger riskieren wollte. Tee wollte er schon mal nicht, also blieb Lea auch bei ihnen. Sie lauschte dem Wortwechsel und natürlich kam da diese anklagende Art der Polizei wieder durch. Vermutlich war das eine Taktik, um einen zu verunsichern, wütend zu machen um endlich alles heraus zu posaunen. Polizeiverhöre konnten Menschen so sehr psychisch belasten, das sie irgendwann alles zu gaben, ohne wirklich etwas getan zu haben. Sie waren grausam. Moderne Folter eben. Allerdings gab Graham Lea die Chance, mit Dorian zu reden. Lea ging also vor Dorian in die Hocke und sah ihn freundlich an.
"Du musst nur nicken für ja, oder eben den Kopf schütteln, für nein. Kannst du dich noch daran erinnern, was geschehen ist, bevor du im Krankenhaus wieder aufgewacht bist?"
Natürlich konnte er das nicht. Sie wusste er würde sie nicht an lügen.
"An wirklich nichts mehr? Auch nicht, das du mich gesehen hast?"

Dorian wendete den Blick nun zu Lea herüber. Sie hockte sich vor ihn und sein Blick weichte auf. Sie fragte ihn dasselbe und schließlich holte er einmal nicht hörbar Luft und schüttelte den Kopf. Und auf ihre zweite Frage schien er kurz zu stocken. Sie war dort gewesen. War sie dort gewesen? Er konnte sich nicht wirklich erinnern. Es war alles verschwommen. Oder… war alles wirklich weg? Er legte die Hände an die Schläfen. „Nein.“, sagte er leise. Er schloss die Augen und Graham musterte ihn genau. Er gab Lea die Karte. „Sobald es ihm besser geht, rufen se mich an. Auch wenn sie meine Methoden oder mich nicht schätzen, Leben könnten davon abhängen. Selbst wenn er nichts mit den Morden zu tun hat, vielleicht hat er etwas gesehen. Er sah noch mal zu Dorian, der wieder auf den Boden sah. Dann sagte Graham leise: „Sie hätten ihn im Krankenhaus lassen sollen.“
Er ließ Dorian und Lea allein und Dorian legte den Oberkörper auf den Tisch, als er sich beruhigt hatte. Sollte er wirklich mit einer Mordserie in Verbindung stehen? Er musste endlich lernen, sich wieder zu verständigen.

Und so vergingen weitere Tage und Dorian lernte es tatsächlich wieder. Alle hier freundeten sich mit ihm an. Er hatte eine so sanfte und natürliche Art, er war immer fröhlich und sie alle brachten ihm letztlich bei, wieder sprechen zu können. Selbst die Kinder. Manchmal war er trotzdem noch unsicher, aber langsam kam alles zurück. Zumindest was das betraf. Die Erinnerungen blieben aus und so oft Graham sich auch erkundigte, so oft musste Dorian ihm mitteilen, dass da nichts al gähnende Leere war. Es belastete ihn. Wer war er? Suchte denn niemand nach ihm? Er saß gerade draußen und ließ sich von den Mädchen die Haare flechten. Vielmehr versuchten sie es und dachte darüber nach.
„Du machst es falsch!“ „Dann zeig doch noch mal!“ Sie schienen sich nicht daran zu stören, dass Dorian das vielleicht nicht wollte. Er jedenfalls sagte nichts dazu. Es schien, als ginge es ihn gar nichts an.

Lea nickte.
"Schon gut. Dann ist es eben so."
Sie nahm die Karte entgegen, sah Graham nach, als er ging und kümmerte sich dann wieder um Dorian,d er nun wie erschlagen mit dem Oberkörper auf dem Tisch lag.
"Ich weiß, er ist anstrengend ... aber er macht halt seinen Job."

Weitere Tage vergingen. Er war im ganzen Haus beliebt, auch bei den Schwestern und Brüdern, die hier lebten und arbeiteten. Auch die Kinder liebten ihn. Sie alle halfen, wo sie konnten, um Dorian wieder auf die Beine zu bekommen. Ein wirklich schönes Gefühl, wenn alle zusammen etwas zu bewegen versuchten. Es funktionierte auch recht gut. Dorian lernte wieder zu sprechen. Lea gab sich viel Mühe, ihm genug Zeit bei allem ei zu räumen. Überhaupt war sie unheimlich geduldig mit ihm. Heute war schönes Wetter draußen. Dorian saß da und grübelte scheinbar, während die Kinder sich an seinem wunderschönen Haar aus ließen. Lea war dabei die Blumen mit dem Schlauch ab zu sprühen. Schließlich brauchten auch diese Wasser. Unkraut zupfte sie nicht. Die Erklärung gegenüber Pater Joseph war ganz simpel.
"Gott hat alles Leben erschaffen, warum also sollte ich dann etwas nehmen, nur weil es in unseren Augen nicht schön aussieht?"
Natürlich würden die Beete dadurch fürchterlich überwuchern, aber anders herum konnten sich so auch Wildblumen mit untermischen. Lea sah zu Dorian, der wieder völlig abwesend wirkte. Er hatte sich nicht einmal an sie erinnern können ... das sie da gewesen war, als er stürzte, das er sie angesehen und vor ihr scheinbar flüchten wollte ... Es war schon irgendwie erschreckend, das er sich nicht einmal daran erinnern konnte. Anderer Seits war es wohl ein Segen, das er es nicht konnte, denn so hatte er wenigstens keine Alpträume von dem Unfall. Lea brauchte keine Dankesreden. Sie wollte auch gar keine Danksagungen von Dorian, nur wünschte sie sich irgendwie ... eine gewiss Verbundenheit zwischen ihm und ihr. Gut, das war wohl das romantische Träumen einer jungen Frau. Sie lächelte über sich selbst. Dorian ... ihr Engel ... Er und ein Mörder? Glauben wollte sie es nicht. Zweifel ließ sie gar nicht erst zu. Vielleicht sollte sie sich mal einen Scherz erlauben? Als die Kinder sich so anranzten, schwenkte sie einmal vollends in die Richtung der Kinder, den Schlauch in eben jene Richtung, so das sie nass wurden. Erschrocken quiekten sie auf. Das sollte wohl selbst Dorian wieder aus seiner Gedankenwelt reißen.

Dorian grübelte nur weiter vor sich hin und die Kinder schienen nun etwas ruppiger zu sein, weil sie sich nicht einigen konnten. Allein das riss ihn schon aus den Gedanken, aber dann kam plötzlich der Wasserschwall. Die Mädchen quietschten auf und auch Dorian fuhr zusammen. Er sah zu Lea, die herzlich lachte und Dorian musste ebenfalls lächeln. Dann kicherte er und schließlich lachte er, weshalb auch die Mädchen nun lachten. Er schüttelte die Haare leicht aus und die geflochtenen Zöpfe zerfielen wieder, weil seine Haare so unglaublich seidig waren.
Er sah zu Lea und ging nun mit eleganten Schritten zu ihr. Er sah wirklich immer perfekt aus. Auch die anderen sahen dort eine anmutige Eleganz in ihm, Graham jedoch sah den Gang eines Raubtieres. Dorian sagte: „Was haben wir getan?“ Er wirkte nicht bestürzt und die Mädchen kamen auch angelaufen. „Schwester Lea! Sieh doch mal! Jetzt sind wir ganz nass!“ Dorian sah zu der, die gesprochen hatte. „Vielleicht wollte sie euch abkühlen.“ Sie legten den Kopf schief und Dorian lächelte Lea nur an. Er verstand durchaus, dass sie eigentlich IHN hatte ablenken wollen. Sie sah es ihm immer sehr genau an, wenn er in tristen Gedanken versank. Er sollte doch einfach über das froh sein, was er hatte. Dennoch sagte er nun: „Ich möchte zu dem Haus mit der Feuertreppe.“ Alleine würde er nicht hin finden.

Es war ein wirklich zu schönes Bild, wie die Kinder quiekten und auch Dorian zusammen zuckte. Lea konnte ja gar nicht anders, als lachen. Als er lachte, spürte sie, wie ihr Herz einen Freudensprung machte. So wunderschön. Zwischen dem, was Graham sah und dem was Lea sah, lagen Welten, wenn nicht gar Universen. Sicher, er mochte wie eine Raubkatze laufen, aber Katzen waren nun mal elegante Tiere, egal ob sie Raubtiere waren oder nicht. Dorian kam zu ihr und auch die Kinder riefen, das sie ja nun ganz Nass waren. Lea betrachtete alle nacheinander.
"Du hast gegrübelt und die Beiden wurden sich nicht einig. Ihr sollt doch nicht streiten. Wenn ihr glaubt, euch nicht einigen zu können, so holt jemanden, der euch hilft und nun ab mit euch ins Haus. Umziehen."
Die Kinder liefen auch gleich los. Les machte das Wasser aus und betrachtet Dorian. Er wollte also wieder an die Unglücksstelle. Manchmal löste so etwas Erinnerungen aus. Vielleicht sollten sie einen versuch wagen.
"Also gut. Aber du musst dich auch schnell umziehen."
Lea wartete auf Dorian. es war ja nicht so, als wäre es wer weiß wie weit weg, also konnten sie bequem dorthin laufen. Die Feuerwehr hatte die Gestänge ja schon geräumt, aber etwas Schutt lag hier trotzdem noch herum. Auch an der Wand sah man deutlich, wo die Feuerleiter abgebrochen war. Überhaupt sollten die Häuser wohl abgerissen werden, wegen Einsturzgefahr. Was also hatte Dorian da oben gemacht? Lea beschloss es gut sein zu lassen. Es hatte keinen Sinn etwas zu hinterfragen, worauf sie keine Antwort bekäme. Wenn es ihm doch wieder en fiel, konnte er selbst entscheiden, ob er es ihr sagte oder nicht. Besorgt sah sie Dorian nun an.
"Hier siehst du noch, wo die Feuerleiter war und hier ..."
sie zeigte auf eine Stelle an der ein dunkler großer Fleck war,
"hier hab ich dich gefunden."
Ob wirklcih Erinnerungsfetzen zurück kämen?

Lea lief zusammen mit Dorian also zu seinem Unfallort. Unfall… Ob es überhaupt ein Unfall gewesen war? Dorian blieb in der Gasse erst mal stehen. Er sah zu der Stelle, die noch etwas dunkel war. Hatte es nicht geregnet? Scheinbar nicht. Dorian erinnerte sich an nichts. Sie liefen zu der Stelle und Lea sagte ihm, was genau passiert war. Oder zumindest, was sie gesehen hatte. Er kniete sich auf den Boden und legte die Hand leicht auf die Stelle. Er verzog leicht das Gesicht und legte sich die andere Hand an die Schläfe. Er gab ein leises Stöhnen von sich. Sie war dort gewesen. Ja. Sie war bei ihm gewesen! „Du warst da.“, sagte er leise. Er sah zu ihr auf. „Du… hast mich gerettet.“ Nun, sie hatte zumindest zum Großteil beigetragen. Wäre sie nicht direkt dagewesen, wäre er verblutet.
Dorian erhob sich und sah hinauf zu dem Gebäude. „Was habe ich nur dort oben gemacht?“, fragte er niemand bestimmten. Es war zermürbend. Er blickte zum zugenagelten Eingang des Gebäudes und dann zur Feuertreppe des Nachbargebäudes. Er sah zurück zu Lea und sie wusste genau, was er vorhatte. Sein Blick verriet ihr genau, welche Schnapsidee ihm da in den Sinn kam.
Sie protestierte jedenfalls, aber Dorian ließ sich nicht davon abbringen. Er ging zur Feuertreppe und sah hinauf. Kurz schloss er die Augen und dann sprang er gegen die Wand, drehte sich dabei halb um sich selbst und packte den unteren Rand der Feuertreppe. Er kletterte flink, wie ein Eichhörnchen hoch und löste oben den Mechanismus. Woher er wusste, wie das ging, wusste er nicht. Er wusste nur, DASS er es wusste und er wusste auch, dass sein Körper alles andere als ungeschickt war. Er sah zu Lea hinab und sagte: „Wenn du willst, kannst du ja hier warten.“ Wie frech! Er lächelte aber wieder wunderschön.

Erinnerte er sich nun wirklich an sie? Lea hatte keine Ahnung, was er allerdings vor hatte, entging ihr ganz und gar nicht.
"Bist du verrückt? Da hoch? Das Gebäude ist einsturzgefährdet und du hast doch eben erst im Krankenhaus gelegen. Muss das noch mal sein? Beim nächsten Mal wirst du vielleicht nicht so viel Glück haben. Was ..."
Aber weiter kam sie nicht. Sie sah zu, wie geschickt er sich da and er Feuerleiter hoch hangelte. Er war außergewöhnlich. Vielleicht war die Idee, er könne ein Mörder gewesen sein nicht so abwegig ... oder er war einfach nur ein guter Sportler. Auf Zweifel wollte sie sich jetzt auch gar nicht ein lassen.
"Das hättest du wohl gern, hm? Und wenn dir da oben was passiert, ist niemand da der dir helfen kann."
Entschlossen erklomm sie die Feuerleiter, um ihm zu folgen. Gott ... dieses wunderschöne Lächeln. Wie konnte jemand nur so sein, wie er? So ... so perfekt?

Diese Frage würde sich Lea wahrscheinlich noch öfter stellen und ja doch keine Antwort bekommen. Dorian jedenfalls ging nun einfach hinauf. Er setzte jeden Schritt mit Präzision und Vorsicht, weil er nicht wollte, dass diese Treppe auch noch zusammenbrach. Als er oben war, sah er zum anderen Gebäude hinüber, wo die alte Treppe gewesen war. Er sah sich kurz um, und dann schien er in einem Wimpernschlag einen Plan zu machen.
Lea hatte erneut kaum eine Möglichkeit zu zwinkern, ehe er schon in die Tat umsetzte, was er ausgeheckt hatte. Er ging ein Stück auf das flache Dach, nahm Anlauf und sprang rüber zum Nachbargebäude. Es sah perfekt und grazil aus, als wäre er eine Katze. Dann ging er ein Stück auf dem anderen Dach entlang, nahm ein breites Brett auf und legte es rüber zum anderen Haus. Das Brett selbst war drei oder mehr Meter lang und er hatte tüchtig zu tun, es zu tragen.
Dann schien er darauf zu warten, dass Lea herüberkam, während er sich die Hosen sauberklopfte. Bei seinem Sprung zum anderen Dach war er nämlich gerade so an der Dachkante gelandet. Allerdings war auch genau das sein Plan gewesen.

Lea kletterte die Leiter hinauf, folgte somit Dorian und hoffte, er hatte nicht noch mehr ... zu spät. Den Gedanken hatte sie nicht mal zu Ende gedacht, da war er schon auf dem anderen Dach. Lea glaubte ihr müsse das Herz stehen bleiben, als sie sah, WIE knapp er es geschafft hatte. Oben angekommen, traute sie sich ja gar nicht nach unten zu sehen. Besser sie tat es nicht. Die ganze zeit über starrte sie nur Dorian an und schob sich vorsichtig weiter vor, wobei sie tatsächlich einen Fuß vor den Anderen schob. Lea hatte fürchterliche Höhenangst und das Brett, ohne Geländer, war sicher alles andere, als eine gute Idee für sie, zumal sie sich zwingen musste nicht hinunter zu sehen. Die Sorge Dorian könne etwas zustoßen, überwog jedoch. Es war unwahrscheinlich, das überhaupt irgendwas geschehen würde, so wie er sich bewegte. Da würde sie vermutlich eher einen großen Flecken Brei da unten bilden. Nun stand sie also vor dem Brett, welches Dorian ihr so schön über den Abgrund der Häuser gelegt hatte und starrte es an, als hoffe sie, es würde sich daraus eine stabile Steinbrücke mit hohen Wänden bilden. Leider tat es das natürlich nicht. Lea breitete also die Arme aus, warf einen letzten Blick auf den Anfang des Brettes um die Breite ab zu schätzen und versuchte ihr Glück. Es hielt ... zumindest die ersten Schritte, doch dann machte sie einen fehlerhaften Blick nach unten. Augenblicklich überkam sie die Panik. Alles drehte sich und Les lag plötzlich Bauchlängs auf dem Brett und klammerte sich fest, wie ein Koala an einen Baum. Leises Wimmern war deutlich von ihr zu vernehmen. Sie keuchte regelrecht vor Angst und konnte den Blick einfach nicht von der Gasse unter sich wenden. Es wirkte so tief, wie der Grand Canyon und es schien immer tiefer zu werden.

Dorian konnte ja nicht ahnen, dass das Mädchen Höhenangst hatte. Er sah, wie sie eben noch darüber laufen wollte, als sie plötzlich einfach stehen blieb, in die Hocke ging und sich bäuchlings auf das Brett legte, um sich dann festzuklammern. Das Brett war etwa einen halben Meter breit, also eigentlich überhaupt kein Problem, aber… nun ja. Für Lea hatte es sich vielleicht angefühlt, als habe sie plötzlich dort gelegen, aber Dorian sah ihr dabei zu, wie das alles ganz gemächlich passierte. Das hatte er ja nun wirklich nicht wissen können.
Er ging zurück zum Brett, was sie beide locker tragen konnte und kniete sich vor Lea herab. „Sieh mich an, Lea.“ Sie tat es nicht, sie war in Panik. Er legte also seine Hand auf ihre Wange, dann nahm er die andere auch an die andere Wange und so drehte er ihr Gesicht, ganz langsam zu sich. Ohne Gewalt, und sehr vorsichtig tat er dies. „Sie mich an.“, sagte er sanft. Ihre Blicke trafen sich und Dorian ließ eine Wangenseite los, um ihr die Hand entgegenzuhalten. „Ich helfe dir.“ Sein Gesicht war dicht vor ihrem und wie immer lächelte er ganz leicht. Er tat dies immer, wenn er mit ihr sprach, weil er gern mit ihr sprach.
Er nahm ihre Hand, die sich nur schwer und nach einigem Zögern von dem Brett löste. Dann sagte er. „Sieh mich einfach an.“ Er lief rückwärts auf dem Brett ganz vorsichtig und doch, wie ein Profi. Dass jemand wie ER irgendwo runtergefallen war, war absurd. Irgendwer musste ihn gestoßen haben. Schritt für Schritt ging er mit Lea über das Brett und dann waren sie auf dem anderen Dach. Er ließ sie erst los, als sie weit genug von der Dachkante weg waren und schließlich lächelte er etwas mehr und sagte: „Wir nehmen nachher die Treppe.“

Warum hatte sie sich noch mal in eine solche Lage gebracht? Ach ja richtig. Dorian, der nun mit ihr sprach. Wo kam er denn plötzlich her? Lea war völlig panisch.
"i-ich kann nicht,"
gab sie zu erstehen, als er sie aufforderte ihn an zu sehen. Sie spürte seine Hände an ihren Wangen. Jetzt ließ ihr Körper auch zu, das sie ihn an sah. Er half ihr ... Unglaublich, aber er schaffte, was bisher nicht einmal diverse Trainer geschafft hatten. Sie erinnerte sich noch gut an die Zeit bei ihren Eltern, als diese sie ständig fördern wollten und sie mit in den Urlaub nach sonst wo hin nahmen. Obwohl sie wussten, wie Ängstlich sie war, seit sie vom Skilift heruntergerutscht war und sich in wirklich großer Höhe nur eben so halten hatte können. Immer wieder verfrachteten ihre Eltern sie in Simulatoren, oder in Seilbahnen oder andere Dinge die hoch waren, um sie von ihrer Angst zu kurieren. Sie engagierten Psychologen, Trainer und diverse andere Leute, die ihr helfen sollten, nur verstand niemand, das Lea einfach nicht anders konnte. Sie hatte kein Vertrauen mehr zu anderen ... aber Dorian ... Er ging ganz anders an die Sache heran. Er war liebevoll, freundlich und half ihr wirklich. Auf ihn konnte sie sich ein lassen. Überhaupt war es alles irgendwie anders, seit sie zuhause abgehauen war. Dorian brachte sie sicher auf die andere Seite, wo sie ihm auch glatt in die Arme fiel. Sie war ihm so dankbar.
"Danke,"
flüsterte sie und ließ ihn wieder los. Sie sah sch um. Er hatte dafür gesorgt, das sie weit genug von der Kannte weg war. Eigentlich sah sie nie nach unten, aber vorhin ...
"Ja .. die Treppe wäre besser."
Lea zitterte vor Aufregung noch immer. Sie sah sich hier ebenfalls um. Ja, Dorian musste gestoßen worden sein. Vielleicht war die Feuertreppe ja auch manipuliert gewesen? Wer wusste das schon.
"Kannst du dich an irgendwas erinnern?"
fragte sie schließlich.

Auch Dorian ließ nun den Blick schweifen. Er sagte nichts auf ihre Danksagung. Für ihn war das selbstverständlich gewesen. Aber er wusste, wie es war, wenn man sich trotzdem bedanken wollte und so ließ er es einfach dabei bewenden. Noch fiel ihm nichts zu alle dem ein und so ging er übers Dach. Nichts hiervon kam ihm bekannt vor und nach ungefähr 20 Minuten des Herumsuchens setzte er sich auf den Sims der Dachkante, der ein wenig höher stand, als die Dachkante und sagte: „Das bringt nichts.“ Dass Lea nun wieder tausend Tode sterben würde, war ihm gar nicht bewusst. Er sah sie an. „Ich kann mich an nichts erinnern, ich kann mich nicht mal genau an dich erinnern. Es ist nur so ein vages Gefühl. Etwas vertrautes zu dir. Ich… was ist?“

Und wie sie tausend Tode starb. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, sie suchte nach Halt und wollte Dorian am liebsten von dem Sims weg holen, aber so nah würde sie an die kante nicht ran gehen. Sie wusste, das sie dann Gefahr lief, selbst zu fallen. Sie fühlte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich.
"Dorian ... bitte ... komm .. komm da weg ja? Das ... oh Gott wie kannst du so seelenruhig da sitzen? Bitte ... tu mir den Gefallen."
Sie hatte gehört was er gesagt hatte, aber es war ihr irgendwie gerade nicht wichtig. Das da aber schon: Sie sah richtig vor sich, wie das Stück Mauerwerk herausbrach und sch nach vorn neigte. Natürlich nur in Gedanken.
"Vielleicht ... vielleicht ist es besser, wenn du dich nicht erinnerst, oder vielleicht wäre es besser, wenn du unten am Boden versuchst deine Erinnerung wieder zu finden,"
brabbelte sie einfach drauf los. Sie wollte einfach nur von diesem Dach heir runter.

Kurz sah Dorian sie noch ein wenig verwirrt an. Dann aber schien ihm klar zu werden, was eigentlich los war. Wie konnte er nur so dämlich sein? Er erhob sich langsam und offensichtlich vorsichtig, um sie nicht noch mehr zu erschrecken und ging von der Dachkante weg. „Tut mir leid.“ Er kratzte sich am Hinterkopf. Es schien so, als sei er vollkommen wiederhergestellt. Nur die Erinnerungen waren fort. Aber sowohl Sprache als auch Körperbeherrschung schien er zurückzuhaben. Auch hatte er keine Schmerzen mehr oder andere Beeinträchtigungen. Er blieb nun bei Lea stehen und sagte: „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht sollte ich damit aufhören. Vielleicht sollte ich dankbar für diese zweite Chance sein.“ Er seufzte. Man sah ihm deutlich an, dass ihn das nicht zufrieden stellte.
Er ging zur Dachtür und versuchte diese aufzumachen. Sie war abgeschlossen. Sie sah aber auch marode und rostig aus. Er trat sie kurzerhand ein und war überrascht, wie leicht es ging. Scheppernd rutschte sie das erste Stück des Treppenhauses herab und krachte unten gegen eine Wand, wo sie dann liegen blieb. Er blickte zu Lea und zuckte leicht die Schultern. „Ich sehe nach, ob es sicher ist.“ Er meinte damit natürlich nur die Beschaffenheit des Aufgangs. Er fürchtete zumindest nicht, hier auf irgendwelche Menschen zu treffen. Irgendwann sagte er laut nach oben. „Schein sicher! Pass auf, wo du hintrittst!“ Er war zwei Stockwerke hinabgegangen.

Lea atmete erleichtert aus, als Dorian so vorsichtig von der Kante weg kam. Schlimmer noch war es für sie, das bei Kindern zu sehen, aber Dorian ... Diese Körperbeherrschung ... als habe er nie etwas anderes gemacht. Dieser Mann war wirklich Traumhaft.
"Schon gut,"
lächelte Lea nun sichtlich erleichtert. Sie ließ Dorian den Vortritt bei der Tür, wie auch bei der Treppe hinunter. Lea stieg auch eher sehr vorsichtig hinab, als das sie gleich runter rannte. Sie behielt jede Stufe im Auge, soweit es ihr möglich war, und mied es zwischen die Geländer hinunter zu sehen. Nach einer Weile hatte sie es schließlich geschafft nach unten zu gelangen. Ab und zu war sie auf Schotter ausgerutscht oder war gestolpert auf einem Podest, aber letztlich kam sie unbeschadet bei Dorian an.
"Weißt du ... Ich bin nicht gerade Gläubig ... zumindest nicht in Hinsicht auf das, was die Kirche so von sich gibt, aber ich glaube, es hat einen Grund, das du dein Gedächtnis verloren hast. Wenn du es wieder erlangen sollst, wirst du es auch wieder bekommen. Vielleicht ... solltest du nicht zu viel graben, sondern eher ... auf dich zu kommen lassen."
Ja, vielleicht. Wer wusste schon, welche bösen Überraschungen auf ihn warteten, wenn er sein Gedächtnis zurück bekäme.

Niemand. Zumindest wusste das niemand der anwesenden. Dorian nickte auf ihre Aussage. „Es war einen Versuch wert.“, sagte er und ging nun gemeinsam mit ihr nach unten. Er achtete sowohl auf ihre als auch auf seine Schritte und Lea hatte das Gefühl, dass sie unter seiner Führung weniger tollpatschig war, als allein. Er versuchte unten die Tür aufzudrücken, doch sie war fest verschlossen. Er ging zu einem der Fenster und tatsächlich konnte er dort die Bretter aufhebeln. Es war die Seite, wo der Schmale Durchgang zum anderen Haus war.
Er machte das Fenster also auf und entfernte die Bretter und sprang hinaus. Dort stand er nun und reichte Lea die Hand. „Komm!“, sagte er leicht hin. Er hatte ihr vorher einen alten Stuhl vor das Fenster innen gestellt, damit sie leichter auf das Fensterbrett kam und sich nicht noch schmutziger machte.
Letztlich waren sie beide draußen und Dorian sagte nach einiger Zeit, als sie schweigend nebeneinander hergelaufen waren: „Wieso sucht niemand nach mir?“ Es klang sogar in seinen Augen trauriger, als er es gemeint hatte und für Lea klang es herzzerreißend.

Hatte sie sich jemals so sicher gefühlt? Nein. Niemand konnte ihr ein Gefühl der Sicherheit geben. Nicht mal Pater Joseph, der ja nun wirklich alles tat, damit es ihr gut ginge bei ihnen. Dorian schien wirklich Sorge dafür zu tragen, das sie sich nicht verletzte oder beschmutzte. Er war einfach großartig. Lea kletterte also aus dem Fenster, mit seiner Hilfe und lief eine Weile neben ihm her. Als er fragte, warum niemand nach ihm suchte, gab es wohl nicht wirklich viele Antworten auf seine Frage. Es war wirklich so herzzerreißend, das sie sofort schockiert zu ihm auf sah. Ihre Miene wandelte sich dann jedoch in Mitleid.
"Ich würde dich suchen,"
erklärte sie auf seine Frage hin.
"Aber ... vielleicht ... gibt es niemanden, der nach dir suchen kann. Vielleicht ... warst du zuvor schon allein? Jetzt bist du es jedenfalls nicht mehr. Ich bin immer für dich da und solltest so etwas noch einmal passieren, werde ich auf jeden Fall nach dir suchen."
Sie biss sich auf die Lippe. Natürlich hoffte sie nicht, das so etwas erneut geschehen würde, aber sie hoffte irgendwie auch, das es, wenn doch jemand nach ihm suchte, es nicht jemand war, der ihm schaden wollte.

Dorian lief weiter neben Lea her. Er sah im Augenwinkel, wie bestürzt sie ihn ansah. Das tat ihm jetzt irgendwie leid. Aber war doch so… offenbar hatte er niemanden, der sich um ihn scherte. Und dann sagte sie, was sie sich dabei dachte. Er sah sie überrascht an. SIE würde nach ihm suchen? Das war wirklich richtig lieb von ihr, das zu sagen. Sie sagte auch, dass er vielleicht ganz allein auf der Welt gewesen war, aber war das nicht traurig?
Jetzt hatte er eine neue Familie und Dorian war über die Maße glücklich darüber. Er hatte solches Glück, dass ausgerechnet Lea ihn gefunden hatte. Er blieb stehen und sah sie nun lächelnd an. „Ich bin froh, dass du es warst.“ Auf ihren fragenden Blick sagte er: „Ich bin froh, dass du mich gefunden hast.“ Er sah wieder ziemlich glücklich aus und fügte an: „Ich würde auch nach dir suchen.“ Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas zustieß. Er wusste nichts über sie oder ihre Vergangenheit und es war ihm auch egal. Er würde sie niemals im Stich lassen.
Plötzlich vernahm er im Augenwinkel, dass sich jemand in die Gasse stellte. Er sah dort hin. Der Mann war nicht zu erkennen, da das Licht hinter ihm keinen Blick auf sein Gesicht ermöglichte. Dorian stellte sich dicht zu Lea und legte schützend den Arm um sie. Dieser Kerl sah nicht aus, als wolle er hier nur friedlich vorbei laufen.

Lea lächelte glücklich. Dorian war so lieb und seine Bekundung war irgendwie ... schön. Sie hatte es als selbstverständlich genommen, ihm zu helfen, als er den Unfall hatte. Auch das sie ihn besucht hatte war für sie ... nun nicht selbstverständlich, aber es hatte sich richtig angefühlt. Letztlich hatte er dadurch ein Heim und eine neue Familie bekommen. Vielleicht war das Schicksal? Kismet? Wer wusste schon, warum etwas geschah, was man nicht erwartete?
"Würdest du? Es ist schön zu wissen, das man wenigstens einem etwas bedeutet, so wie man ist."
Das klang wohl am Ende etwas bitter aber sie meinte es ja auch so. Nicht das sie auf Mitleid aus war, nur manchmal konnte sie einigen Ärger nicht so herunter schlucken. Sie wurde abgelenkt, als Dorian ihr plötzlich den Arm um legte. Da vorn war jemand. Ein Typ der nicht so aus sah, als würde er auf eine Gelegenheit warten, die sich ihm soeben ergab. Lea wusste, das die Gassen hier gefährlich sein konnten. Hätte sie es Dorian doch nur gesagt. Jetzt würden sie sicher ausgeraubt oder so was. Dabei hatten sie ja nicht mal was, was sich lohnen würde.
"Oh nein ... Die Gassen hier .. sie sind immer recht gefährlich weißt du? Es wird bestimmt ärger geben. Deshalb gehen die Leute so selten hier durch .. weil es immer wieder Überfälle gibt."
Da fragte man sich doch, wenn sie das wusste, warum sie diesen Weg ausgerechnet an dem Abend genommen hatte, als Dorian hier so schwer verletzt wurde.

Der Mann, der dort stand, schien zu warten und Lea wisperte Dorian zu, was sie über die Sache dachte. Dorian hörte hinter sich noch jemanden und sah kurz auch dort hin. Die schienen zu zweit. Dorian nickte nur kurz und sagte dann an den ersten gewandt: „Kann man ihnen helfen?“ Der Mann setzte sich nun in Bewegung und kam auf ihn zu.
„Helfen? Wir wollen euer Geld! Her damit!“ Dorian sah ihn verständnislos an, aber auch nicht so, als würde er ihn irgendwie aus den Augen lassen wollen. „Wir haben keins.“ Hatten sie wirklich nicht. Sie brauchten ja auch keins. „Klar. Und das Kreuz? Ist bestimmt echt viel wert, nicht?“ Dorian sah an sich herab. Es war das einzige aus seinem vorherigen Leben. „Und die Kette von dem Mädel sieht auch ziemlich wertvoll aus!“ Der andere kam nun näher. Dorian war gespannt, wie ein Regenschirm. Er würde nicht zulassen, dass Lea was geschah.
„Hören sie: Fühlen sie sich wirklich wohl damit andere auszurauben? Wollen sie Gefahr laufen, geschnappt zu werden? Warum suchen sie sich nicht eine ehrliche Arbeit?“
„Na hör sich den einer an. Bist wohl wirklich ein Priester?“ Dorian senkte den Blick. Er hatte keine Ahnung, wer oder was er war, aber die meisten Priester, die ER kennengelernt hatte, hatten weder so gute Reflexe, noh eine derartige Körperbeherrschung, wie er.
„Her mit dem Schmuck! Sonst setzt es was!“ Er zückte ein Springmesser und Dorian sah die Klinge kurz an.