Drakenhorst um 997 LZ

Nun für Tessa fühlte es sich jedenfalls so an, als würde ihr Kind sterben. Sie war froh, das Drakon ihre Schwiegermutter weg geschickt hatte. Jetzt herrschte Ruhe und Luna konnte sich erholen.
Am nächsten Tag war das Fieber herunter gegangen und am Tag drauf, sogar nur noch erhöht. Tessa hatte nur wenig geschlafen. Drakon blieb oft länger wach, als sie, aber ihm merkte man die Erschöpfung weniger an. Luna war noch schlapp, aber sie war schon wieder ganz anders, als noch vor zwei Tagen. Hoffentlich war das nun nicht ein vorübergehender Zustand.
Luna öffnete die Augen, als sie auf wachte. Ihr ging es deutlich besser und sie hatte auch ein wenig Hunger.
"Papa ... Mama ... ich möchte aufstehen. Ich hab Hunger."

Tessa hatte es auch wirklich nicht so einfach, wie Drakon. Er war das lange wachen in so fern sowieso gewöhnt, da sie her von klein auf so erzogen wurdn, lange Wachen zu halten. Drakon konnte unter Umständen mehrere Tage wach bleiben, ohne zu erschöpft zu werden. Tessa hingegen sah man die Müdigkeit extrem an. Alls Luna nun die Augen aufschlug, wollte sie direkt aufstehen und Drakon fühlte kurz ihre Temperatur. Sie war tatsächlich nur noch leicht erhöht. Er sah zu Tessa, die tiefe Augenringe hatte und sagte dann leise: "Vielleicht eine kleine Weile?" Tessa musste sich ausruhen und Drakon gähnte einmal. Auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansah. Auch er war wirklich müde. Dennoch wollte er seiner Kleinen nun nicht verwehren ein wenig herumlaufen. "Du darfst aber noch nicht so lange und musst bei mir bleiben ok?" Drakon erhob sich schwerfällig und sagte dann zu Tessa: "Ruh dich aus. Ich passe auf." Dann nahm er Luna an die Hand. Er war ein wenig in Gedanken. Der Trank hatte geholfen, was bedeutete das nun im Umkehrschluss? Sein "Freund" hatte Recht behalten. Hieß das dann nicht auch, dass Drakon nun seinerseits sein nicht gegebenes Versprechen einlösen musste? Er seufzte. Die nächste Zeit würde schwer werden...

Tessas Erziehung bestand aus allem Anderen, als Wache halten. Sie war behütet aufgewachsen und hatte Schlussendlich ihren Vater sehr enttäuscht, als sie Drakon ihr Jawort gab. Er hatte sie nie als Wächterin sehen wollen und schon gar nicht als Frau eines Wächters. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Es war hart gewesen, aber sie hatte sich an dieses Leben gewöhnt und nie gejammert. Jetzt war sie an den Grenzen ihrer Kräfte angekommen. Das Luna so krank geworden war, war für sie das schlimmste, was hatte passieren können. Der Freund von Drakon, hatte recht behalten. Darüber wollte Tessa aber nun nicht nachdenken. Luna ging es viel besser. Drakon sah ihr an, das sie nicht mehr konnte. Würde sie jetzt widersprechen, er würde sie eigenhändig ins Bett verfrachten. Sie nickte also, küsste Luna noch einmal liebevoll auf die Stirn, streichelte ihr über den Kopf und gab auch ihrem Mann noch einen sanften Kuss, ehe sie sich hinüber begab, um sich selbst hin zu legen. Es war auch mal Zeit, sich aus zu ruhen. Gerade jetzt, wo sie kein Training hatte.

Luna nickte zustimmend. Sie hatte genug gelegen und wollte nun auch wieder hinaus und ihre Großeltern und Aya besuchen gehen. Dann noch etwas Zeit mit ihrem Vater verbringen und schließlich würde sie sich geschlagen geben sich wieder ins Bett zu begeben.
"Wir müssen Mama was schönes mit bringen. Sie sorgt sich immer so sehr um uns."
Für ihren vater wollte sie sich auch noch was einfallen lassen, nur da hatte sie leider noch so gar keine Idee.

Nicht nur Tessa sorgte sich ständig. Auch Lanara schien die Sorge in Person. Ständig war sie vor der kleinen Wohnung herumgeschlichen und heute sollte es dann wohl so weit sein. Sie sah Drakon und Luna herauskommen. Drakon hatte Luna vorher ausgiebig gebadet und ihr beim Anziehen geholfen. Er hatte sie zur Ruhe gemahnt und versucht zu verbergen, dass er eigentlich wirklich müde war. Was tat man nicht alles für den kleinen Schatz. „Was möchtest du ihr denn mitbringen?“, fragte Drakon nun im Rausgehen.
Lanara begrüßte die beiden jedenfalls als sie sie sah und winkte verhalen. Drakon musterte sie und fragte: „Warst du die ganze Zeit hier?“ Sie sah ihn ein wenig vorwurfsvoll an. „DU hast mich schließlich weggeschickt!“ Dann beugte sie sich zu Luna herab. „Meine kleine Maus! Wie geht es dir?“ Drakon verfolgte das Gespräch stumm und wartete einfach. Lanara drückte Luna liebevoll und sanft. „Ich bin ja so froh, dass es dir besser geht!“, sagte sie schließlich. Dann sah sie Drakon wieder an. „Wo ist Tessa?“ „Schläft.“ „Oh. Nun, sie hat sicher nicht viel geschlafen, hm?“ „Nein.“ „Und du? Bist du nicht müde?“ „Geht.“ Lanara lupfte die Braue hoch. „Ganz schön einsilbig bist du heute.“ Drakon seufzte kurz. „Ja.“ Nun verschränkte Drakons Mutter sogar die Arme. Sie sah unzufrieden aus. „Warum gehst du dann nicht schlafen und überlässt es mir, mit ihr ein wenig herumzulaufen?“ Drakon sah seine Mutter lange an und schließlich fragte er: „Was willst du eigentlich?“ Na, das schien Lanara nun so gar nicht zu gefallen. „Was ich will? Na, vielleicht nach meinem Sohn, meiner Schwiegertochter und meinem Enkelchen sehen?“ Drakon seufzte abermals. „Es geht uns gut. Ich bin nur ein wenig müde und Luna ist auf dem Weg der Besserung. Tessa schläft einfach nur. Das haben Luna und ich dir bereits mitgeteilt. Was ist denn noch?“ Drakon war wie immer so taktlos, dass ein Vorschlaghammer schwingender Steinmetz vermutlich mehr Feingefühl bewies als er. Lanara seufzte nun ihrerseits. „Du wirst dich wohl nie ändern.“ Sie wirkte schon ein wenig enttäuscht. „Dann werde ich euch nicht weiter belästigen.“ Sie drehte sich um, sodass ihre Haare flogen und Drakon sah ihr nach. Er verstand gar nicht, was seine Mutter hatte und brummte kurz vor sich hin. Dann sah er zu Luna und meinte: „So. Wo möchtest du hin?“

Luna hatte versucht alles ruhig an zu gehen, aber wie Kinder eben sind, konnte sie es nicht lassen, auch ungeduldig zu sein. Ein paar Tage im Bett, dann diese komischen Fieberträume ... all das wollte nun endlich mal verarbeitet werden. Sie ließ sich an ziehen und dann konnte es endlich los gehen. Tessa schlief als sie aus der Tür traten, doch Lunara stand schon da und wartete. Luna begrüßte sie ausgiebig und kuschelte sich an sie. Luna liebte ihre Oma sehr. Das Papa dann nun so gemein zu ihr war, verstand sie nicht. Zumindest musste es ja gemein sein, wenn Oma so reagierte. Luna verstand die Erwachsenen im Allgemeinen nicht. Sie sorgten sich .. aber warum? Wenn Luna sich sorgte, dann wusste sie warum, aber bei Erwachsenen ... auch wenn sie mit anderen Kindern zusammen war, fragte sie sich oft, wie ihre Gedanken wohl aussehen mochten, was sie dachten, wie sie fühlten. Luna winkte ihrer Oma nach und sah dann auf zu ihrem Papa.
"Hier gibt es nicht viel, womit wir Mama eine Freude machen können, oder?"
fragte sie ihren Vater. Sie wusste wirklich nicht genau, was sie ihrer Mama schenken sollte, als kleine Anerkennung dafür, das sie immer da war.
"Ob Liam ihr einen Pudding spendiert, wenn ich ihn ganz brav frage?"
Das war nicht das was ihr vor schwebte, aber sie würden die Burg sicher nicht verlassen dürfen, um so etwas wie ein Blumengebinde für Mama zu besorgen.

Drakon sah wider auf Luna herab, als sie ihren Vorschlag machte. Auf Pudding hätte er auch nicht übel Lust. Allerdings befürchtete er auch, dass Liam ihm nur wieder unterstellen würde, dass er nur für sich fragen würde. Er lächelte etwas. „Fragen wir ihn.“ Und gesagt getan, gingen sie auf die Suche. Heute hatten viele frei. Aber einige waren doch am trainieren oder gingen eben anderer Arbeit nach. Drakon fand Liam jedenfalls auf dem Gang zu den Quartieren. Liams Gesicht hellte sich sofort auf, als er Luna sah. „Luna!“, sagte er fröhlich und breitete die Arme. Drakon konnte sich nicht erinnern, dass man IHN jemals so fröhlich behandelt hatte. Entweder hatten sich die Zeiten einfach geändert oder… nun ja. Drakon wusste nicht, dass er schon als Kind sehr reserviert gewesen war und auch schon als Kind nicht so viel mit Zuneigung hatte anfangen können. Jedenfalls war nicht so ein wirbel um ihn gemacht worden, wie er fand. Aber Drakon wusste AUCH nicht, dass das nicht stimmte. Auch um IHN war ständig ein Wirbel gemacht worden. Alle Augen der Führungsriege hatten ständig auf ihm geruht. Und doch… nun schien es, als ob jeder vergessen hatte, was vor Jahrhunderten vorgefallen war. Selbst Darius. Und nun waren sich zwar alle einig, die Grenzen zu schützen, aber… niemand wusste mehr wieso…
„Hallo Liam. Wir haben uns gedacht… nun Luna wünscht sich deinen Pudding. Für Tessa!“ Er wedelte mit den Händen abwehrend und Liam lächelte. „Na dann werf ich doch mal den Herd an.“ Er lächelte und ließ Luna los, die sofort wieder Drakons Hand nahm. Sie hatte versprochen, bei ihm zu bleiben.

Luna sah Liam, wie er die Arme ausbreitete, um sie auf zu fangen. Sofort rannte Luna in seine Arme und drückte ihn. Hier in der Burg waren ja auch alle sehr lieb und freundlich zu ihr.
"Liam!"
Sie lachte und kicherte, als er die Arme um sie schloß. Papa hatte nun schon gesagt, was sie wollte und so sah man ihr das Glück in den Augen und über das ganze Gesicht an.
"Mama und Papa haben die ganze Zeit aufgepasst und jetzt sind beide ganz Müde,"
erklärte sie, als sie Drakons Hand wieder nahm.
"ich finde, die Beiden haben sich etwas schönes und leckeres verdient und du bist der einzige, der so guten Pudding kochen kann."
Wenigstens erklären wollte sie das ganze.
"Darf ich zuschauen? Ich möchte auch irgendwann mal so gut kochen können wie du,"
bat sie Liam und sah ihn mit einem treuen Hundeblick an, den nur ein Hund hätte so hin gekriegt.
"Bittööööö,"
meinte sie und drehte den Oberkörper dabei hin und her, so das es absolut niedlich und bezaubernd wirkte.

Liam lachte Herzlich. „Wie kann ich eine so herzlichen Bitte denn bitte abschlagen? Dann kommt mal mit!“ Drakon folgte also. In der Küche konnte nicht so viel schief gehen, wenn Liam auch dabei war, aber Drakon fragte sich, ob Luna denn nicht eigentlich hinaus hatte gehen wollen? Er zuckte die Schultern. Sie kamen in die Küche und Liam sagte: „Du hältst dich fern, klar?“ Er meinte natürlich Drakon, der nun schon zum zweiten Mal abwehrend die Hände hob und dann sagte: „Ich setze mich da drüben hin und rühr mich nicht.“ Liam musterte ihn kurz und nickte dann. Er stellte Luna einen Stuhl hin und ließ sie also zusehen. Es war nicht so schwer. Er machte Vanille hinein und erklärte ihr, wie er alles zubereitete, aber die Geheime Zutat verriet er nicht. Schließlich waren sie fertig und Liam sah rüber zu Drakon, der immer noch auf der Bank an der Wand lehnte. Nur schien es nun, dass er eingeschlafen sei. Er hatte einen sehr entspannten Gesichtsausdruck und sah wirklich schön aus. Der Mann hatte keine Ahnung, was für ein Glück er hatte, SO gut auszusehen! Liam wusste auch nicht, was er für eine Wirkung auf Frauen hatte… Jetzt jedenfalls lächelte er und deutete Luna an, sich umzudrehen. Drakon hatte zwei Nächte lang durchgemacht. Das forderte nun wohl Tribut und nicht mal der Puddinggeruch konnte ihn wecken. Er sah wirklich sehr zufrieden und entspannt aus.

Luna strahlte über das ganze Gesicht. Sie folgte Liam mit Drakon und kicherte, als Liam ihrem Papa Anweisungen gab. Sicher hatte sie lieber raus gewollt, aber da sie nun die Gelegenheit hatte, das Rezept des Puddings mal mit zu verfolgen, wollte sie es auch nicht verpassen. Sie kochte mit Liam zusammen, war dabei sehr aufmerksam und fragte ab und zu auch, warum dies oder jenes mit rein musste. Liam erklärte alles sehr sorgfältig und Luna merkte sich das Rezept so gut es ging. Eine Geheime Zutat entdeckte sie allerdings nun nicht. Als sie fertig waren, stellten sie fest, das Papa eingeschlafen war.
"Mama und Papa haben die ganze Zeit an meinem Bett gesessen. Ich wollte nicht krank werden, aber es ist einfach passiert und jetzt sind Beide so müde und erschöpft, das sie erst mal ausruhen müssen. Papa soll ruhig schlafen. Ich geh dann solange zu Oma. Kannst du mich da hin bringen und den Pudding für die Zwei bei uns im Haus abstellen?"
bat sie Liam. Sie hatte ja keine Ahnung, das ihr Vater vermutlich einen Herzinfarkt bekäme, wenn er wach wurde und sie nicht da war.

Nun, Drakon würde vermutlich keinen Herzinfarkt bekommen, da er eigentlich immer eine recht entspannte Persönlichkeit hatte. Davon abgesehen, würde er vermuten, dass Liam bei ihr wäre. WAS ihn jedoch dann mit Sicherheit beschäftigen würde, war, dass Tessa ihn zusammenstauchen würde, wenn Luna mit einem Lal verschwunden wäre. Was sollte ihr hier in der Wächterfestung auch passieren? Wie auch immer.
Liam stimmte zu, stellte Drakon aber auch eine Schüssel hin. Wenn er erwachte, könnte er erst mal futtern. Gemeinsam ging er nun also zu Ragnar und Lanara. Er klopfte. Ragnar öffnete und sah Liam fragend an, dann erkannte er Luna und sah etwas verwirrt aus, dann aber sehr glücklich. Sofort nahm er sie hoch und drückte sie an sich! „Es geht dir wieder gut!“, rief er aus und so kannte man den strengen Kommandanten kaum. Normalerweise war er viel kühler und reservierter. Liam grinste. „Melde gehorsamst: Luna wurde in eure Obhut überbracht. Drakon sitzt in der Küche und schläft.“
„Wieso schläft er in der Küche?“
„Ich denke seinem Körper war egal, wo er zur Ruhe kommt.“
Ragnar nickte. „Verstehe.“ Liam verkrümelte sich nun und würde den Pudding in die Wohnung schaffen. Ragnar ließ Luna wieder herab und meinte dann: „Oma ist im Gemüsegarten. Sollen wir mal zu ihr?“

Liam war ja wirklich ein Schatz. Luna liebte ihn, wie einen Onkel oder einen Bruder eben. Sie war froh, das er sie nun zu ihren Großeltern brachte und umarmte ihren Großvater auch gleich, als dieser sie so hoch hob. Wieder lachte und quiekte sie auf.
"Ja, dank Mama und Papa. Sie waren die ganze Zeit bei mir und haben mich nie allein gelassen, ausser sie mussten mal kurz."
Ihre Erklrung mochte ein wenig wirr wirken, aber das sollte einem Kind in dem Alter durchaus verziehen werden.
"Jaaaa Ich will Oma sehen."
Vorhin hatte sie ja nicht wirklich die Möglichkeit gehabt, sie richtig zu begrüßen. Papa war manchmal aber wirklich sonderbar. Er hatte Oma scheinbar weh getan und es nicht mal gemerkt. Bei Mama war er irgendwie ... naja ein bisschen vorsichtiger. Zumindest glaubte Luna das. Als sie im Gemüsegarten an kamen, rannte Lun gleich los auf ihre Oma zu. Sie wollte sie überraschen.

Ragnar ging mit Luna also in den Garten, wo die Wächter ihre ganzen Gemüsesorten anbauten. Dort stand Lanara und verbreitete schon die frohe Kunde, dass ihre Enkelin wieder gesund war. Man hatte hier große Sympathie für sie und die ganze Familie Drakaris. Luna rannte schon auf sie zu und Lanara drehte sich noch im rechten Moment um um sie einzufangen. "Luna!" Sie sah zu ihrem Ehemann, der sie dieses Mal nicht einfach abladen wollte. Er wollte Zeit mit ihr verbringen und er wollte Drakon noch einmal bitten, ihm zu erklären, wo er diesen ominösen Trank hergehabt hatte. Aber nicht jetzt.
"Wir dachten, wir besuchen dich." Lanara schien jemanden zu suchen. "Ach. DU darfst also mit deiner Enkelin zusammen sein und ich nicht?" Ragnar sah sie fragend an und sie fügte an: "Drakon war mal wieder sehr unhöflich zu mir. Aber bei dir würde er sich das wohl nie erlauben." "Liam hat sie mir gebracht." Sie sah nun überrascht aus. "Liam? Und wo ist Drakon dann?" "Er schläft in der Küche." Sie war kurz sprachlos. Dann fing sie an zu lachen und Ragnar stimmte mit ein. Wie auch alle umstehenden. "Ares sollte wohl am Ende doch Recht behalten.", sagte sie nun lächelnd. Dieser hatte nämlich mal behaupten, wenn Drakon dürfte, würde er sogar in der Küche schlafen. Dann widmete sich Lanara aber wieder Luna. "Und? Bist du schon fit genug?" Ragnar und sie nahmen je eine Hand und gingen zu einem Bereich in der Festung, wo man oben auf einen halbhohen Turm konnte und eine Aussicht in das Vorland des Reiches hatte. Nicht jedoch zu den schwarzen Landen.

Luna freute sich riesig ihre Oma zu sehen. Lanara hatte nur noch ein Bein, das Andere war ein Holzersatz. Sie hatte es in den schwarzen Landen verloren, aber es schien ihr nichts aus zu machen. Jedenfalls war Luna sehr stolz darauf, einer solchen Familie an zu gehören, die nicht nur mutig, sondern auch gütig war. Luna fühlte sich verpflichtet ihren Papa in Schutz zu nehmen.
"Papa schläft doch nur in der Küche, weil er die ganze Zeit auf mich aufgepasst hat und Mama auch. Er wäre bestimmt nicht eingeschlafen, wenn ich nicht zu Liam gewollt hätte."
Sie fand es nicht schön, das alle über ihren Papa lachten. Nun ... zumindest empfand sie es so. Auf Lunaras Frage antwortete sie schelmisch grinsend:
"Ja!" Sie konnte nicht wissen, das sie sich übernahm. Als Kind fehlte ihr dafür einfach die Erfahrung.

Luna verbrachte den ganzen restlichen Tag mit ihren Großeltern. Sie hatte gesehen, wie schön es auf der anderen Seite des Landes war und wünschte sich, sie könnten dort auch öfter mal raus. Es war das ganze Gegenteil der schwarzen Lande und doch glaubte sie, das irgendwas dort in den schwarzen Landen auf sie warten würde. Luna sprang gerade voller Begeisterung die Treppe zum Hof runter, als sie merkte, das ihr schwindelig wurde. Unten angekommen, auf den letzten zwei Stufen, drehte sich dann plötzlich alles und sie fiel. Luna hörte rufen aus weiter ferne, die Sicht war verschwommen. Von irgendwo kamen Leute angelaufen.

Ragnar blieb bei der Treppe eigentlich immer bei seiner Frau, da er nicht wollte, dass sie mit ihrem Holzbein stürzte, aber Luna sprang nun einfach herunter. „Luna nicht! Sei vorsichtig und warte auf uns!“, rief Lanara und wollte eben Ragnar losschicken, als das Unglück schon perfekt war. Sie stürzte die letzten beiden Stufen herunter und lag dort.
Auch Drakon war gerade um die Ecke gekommen, als Luna stürzte. Er machte noch zwei lange Schritte auf sie zu, doch es war zu spät. „Luna!“, rief er. Sie schlug auf dem Boden auf und Drakon schlitterte auf den Knien zu ihr. Er sammelte sie vom Boden auf und prüfte ihren Kopf. Sie hatte eine Platzwunde an der Schläfe. „Luna?“ Sie wirkte verwirrt. Sicherlich würde sie gleich den Schmerz merken. Drakon sah besorgt aus, dann sah er hoch zu seinen Eltern, die die Treppe herunter kamen. Drakons Blick war schneidendscharf, wie die Klinge seiner Glefe. „Drakon…“, sagte Lanara bestürzt und er erhob sich mit Luna. Er schien nicht mal Worte hierfür zu haben. „Drakon.“, sagte sein Vater nun noch einmal und Drakon antwortete steif: „Ich bring sie zum Arzt!“ Er trug sie vor sich her und betrachtete sie nun besorgt. Er schien nicht böse auf sie zu sein.

Luna bekam erst mal gar nichts mit, doch dann ... Jemand hob sie hoch. Es fühlte sich an, als würde sie schweben. Dieses Gefühl ließ dann aber gleich nach, als die Schmerzen sich bemerkbar machten. Luna versuchte es sich zu verkneifen, aber es ging nicht. Sie weinte los, weil es ihr so weh tat. Gerade auch das Bein mit dem sie auf die Stufe geschlagen war. Die Schläfe schmerzte auch als habe man ihr einen spitzen Stein entgegen geschleudert. Sie war völlig aufgelöst und wusste im Moment gar nicht, wo sie war.
"Papaaa,"
weinte sie und versuchte zu erkennen, wer sie nun auf den Armen hatte.

Nun, ihr Papa hatte sie auf den Armen. „Ich bin ja hier.“, sagte er beruhigend. „Das wird gleich wieder besser.“ Sie würde einen fiesen blauen Fleck am Bein bekommen. Aber es war nichts ernstes. Der Kopf blutete zwar ganzschön, aber an sich war auch das ungefährlich. Es tat eben weh. Drakon machte ihr also auch keinen Vorwurf, dass sie weinte. Er trug sie bis zum Krankenflügel und schließlich setzte er sich mit ihr auf einen Hocker. „Ach je.“, sagte eine Wächterin, die sich das Unglück ansah. „Keine Sorge, das wird wieder.“, wiederholte sie Drakons Worte. Sie verarztete die Kleine und Drakon hielt sie die ganze Zeit auf dem Schoß. „Wie ist das denn passiert?“, wollte sie nun von Drakon wissen. Dieser sah nun grimmig aus und sagte: „Keine… Ahnung!“
Ragnar und Lanara warteten draußen. Sie machten sich beide bitterböse Vorwürfe.

Luna klammerte sich an ihren Vater. Sie war wirklich ganz aufgelöst und noch ganz durcheinander. Dann waren sie im Krankenflügel und Luna wurde verarztet. Als dann die Frage kam, was passiert war, hatte Papa zwar geantwortet, aber Luna erinnerte sich.
"Ich habe nicht auf Oma gehört ... und bin die Treppe runter gesprungen. Papa war nicht da und Oma und Opa haben auf mich aufgepasst. Oma hat noch gerufen, aber ich bin einfach gesprungen. Mir war schwindelig und ich bin gefallen."
Mehr wollte sie wohl auch nicht dazu sagen. Schließlich schien Papa schon böse genug zu sein.
"Tut mir leid Papa. "
Was konnte sie auch sonst dazu sagen. Sie hatte schließlich nicht befolgt, was er gesagt hatte.

Die Wächterin nickte nur. „Na dann. Ihr könnt wieder los.“ Drakon sah auf Luna herab und fragte: „Warum hast du denn nicht auf sie gehört?“, fragte er nun. "Ich war so aufgeregt, weil wir zu dir wollten."
Drakon seufzte leise und hob sie nun mit sich hoch, als er aufstand. „Ach, Luna…“ er drückte sie einmal etwas an sich und trug sie dann vor sich her. Ihre Beine waren links und rechts von seinem Bauch und sie hing an seiner Seite, während er die Tür öffnete. Sie mit nur einem Arm zu tragen war für ihn Kinderleicht. Draußen waren Lanara und Ragnar. Er blieb kurz stehen. Seine Mutter war kurz vor den Tränen und Ragnar hielt sie an der Hüfte. Drakon schüttelte den Kopf. „Schon gut.“, sagte er mit seiner tiefen und ruhigen Stimme. Oh, Tessa würde ihn erwürgen, wenn er mit einem verletzten Kind nach Hause käme. Er zig ein langes Gesicht und sagte: „Genug für heute. Morgen bleiben wir zuhause.“ Sein Magen machte ein lautes Geräusch. Er war ja SO hungrig!

Luna wollte nicht, das Papa wütend auf Oma und Opa war. Sie traf ja auch keine Schuld daran, das sie gefallen war. Luna war müde und legte ihre Wange auf Drakons Schulter, als sie aus dem Krankenflügel kamen.
"Tut mir leid Oma."
nuschelte sie vor sich hin. Hunger hatte sie zwar auch, aber sie war auch wirklich schrecklich müde. Wenigstens eine Kleinigkeit wollte sie noch essen, bevor sie ein schlief. Sie hörte Papas Magen knurren.
"Ist schon Abendessenzeit?"
Luna kam es vor, als wäre der Tag so unglaublich lang gewesen, wie sonst nicht.
Zusammen kamen sie schließlich Zuhause an. Drakon musste die Tür nicht öffnen, denn das tat Tessa schon. Sie sah ihre Beiden Lieblinge an und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Lippen bildeten einen einzigen Strich und ihre Augen sprühten regelrecht Funken. Tessa nahm Drakon ihre Tochter ab. Für die Kleine lächelte sie wieder liebevoll und küsste sie auf die Stirn.
"Was ist passiert?"
Luna schilderte kurz den Tag und den Vorfall. Ihr fielen die Augen nun schon beinahe zu.
"Ich hab Hunger und Papas Bauch knurrt auch schon ganz laut Mama."
Tess lächelte, sah Drakon dann jedoch mit einem schneidenden Blick an, so das Luna das nicht direkt sah. "
"Aha ... Papa hat also in der Küche geschlafen ... nun der Pudding war wirklich gut und ich habe mich sehr darüber gefreut. Schön das Liam so aufmerksam war. Wir gehen jetzt zum Abendessen. Danach gehts dann ins Bett und morgen ... morgen ruht ihr zwei euch erst mal,"
legte sie fest. Natürlich war sie nicht sauer, weil er eingeschlafen war. Sie war nur sauer, das Luna gefallen war und er nicht da gewesen war.

Natürlich war Tessa total sauer auf die gesamte Lage. War Drakon ja auch. Scheiße. Und das nur, weil er eingeschlafen war. Drakon sah seine Frau an, der sogleich von Luna berichtet worden war, was vorgefallen war. Drakon senkte den Blick. Sie wollte zum Essen. War ja nun auch nicht so, dass er sich das so ausgesucht hatte... Er übergab Luna und musterte Tessa noch mal. "Kein Hunger.", gab er zu verstehen. DAS war eine Lüge. Wohl eher: Keine Lust!
Er wendete sich nun einfach ab. Ja, er war auch sauer auf sich. Er drehte sich wieder um zu Tessa und meinte dann: "Ich geh Wache halten." Er wollte nicht ganz wortlos verschwinden. Und so wusste sie, dass er auf der Mauer sein würde.

Drakon sollte doch wohl wissen, das Tessa ihm nicht direkt einen Vorwurf machte. Sie wusste doch selbst, wie schwer es war, so lange wach zu bleiben. Nun sie war zugegebener Maßen auch nicht ausgeschlafen, sondern hatte nur ein paar Stunden geschlafen. Das Drakon sich nun davon machte, fand sie nicht gerade toll, aber sie verstand auch, das er ein bisschen Zeit für sich brauchte. Sie selbst ging mit Luna zum essen. Luna aß nicht sehr viel, aber das war in Ordnung. Wenigstens bekam sie überhaupt was runter. Tessa packte einen Teller voll mit Essen, denn sie wusste genau, wie hungrig Drakon war. Vom Teller fielen fast schon Lebensmittel herunter, aber er war nun mal auch ein Vielfraß. Sie nahm Luna an die Hand und brachte sie nach Hause. Das Kind war völlig erschlagen und schlief schon fast beim laufen ein. Den Teller stellte Tessa erst mal auf den Tisch, um sich dann um Luna zu kümmern. Sie wusch sie schnell, denn die Kleine konnte kaum mehr stehen, zog ihr etwas zur Nacht an und legte sie dann hin. Ein Kuss auf die Stirn gab es auch noch. Tessa ging zur Tür, öffnete sie und ließ Aya herein.
"Sie ist gleich eingeschlafen. ich will nur nicht, das sie hier allein ist. Drakon hat nichts gegessen und er wird müde sein. Ich beeile mich und komme so schnell es geht zurück,"
meinte Tessa. Aya sah sie nur lächelnd an.
"Bleib ruhig. Ich bin hier und werde aufpassen. Hab mir extra was zum lernen mit gebracht. Geh du zu deinem Mann und lass dir Zeit."
Tessa sah Aya einen Moment lang an. Sie wusste welche Gefühle Aya für Drakon gehegt hatte und war froh, das Aya ihr nicht grollte oder eifersüchtig war. Sie nahm Aya in die Arme und drückte sie.
"Danke Aya. Ich mach's wieder gut. Versprochen."
Tessa ließ Aya los, nahm den Teller und Besteck und machte sich auf zu ihrem Mann, der auf der Mauer wache halten wollte.

Drakon stand auf der Mauer und starrte in die Dunklen Lande. Er dachte darüber nach, dass er eingeschlafen war, obwohl er auf Luna hatte acht geben sollen. Er war nur einmal während einer Wache eingeschlafen. Damals bei seiner Initiierung in den Spähtrupp. Ragnar hatte ihm seinen Umhang über den Kopf gelegt und Drakon war kniend eingeschlafen. Jetzt sah er in die Dunkelheit und senkte den Blick. Ihm war schon ganz schlecht vor Hunger. Tessa war zu Recht zornig gewesen, aber er hatte irgendwie so gar keine Lust mehr gehabt, sich für irgendwas zu rechtfertigen. Wie sie da gestanden hatte… Drakon machte ein langes Gesicht. Kaum etwas konnte ihn wirklich aus der Ruhe bringen, aber Tessa konnte ihm allein mit einem Blick ein derartiges Unbehagen verschaffen, dass er weglaufen wollte. Er seufzte und stützte sich auf die Mauer.
Er dachte über den geheimnisvollen Freund nach. Er war hin- und hergerissen. Was sollte er nun machen? Es hatte alles gestimmt, was in dem Brief gestanden hatte. Und so überlegte er den ganzen Abend über diesen Brief, den er auch gerade bei sich trug und immer wieder las. Dann hörte er Schritte. Er hätte sie überall erkannt. Tessa. Er steckte den Brief weg, ehe sie oben war.

Tessa trug den Teller, der wirklich voll gepackt war, vor sich her. Das Besteck hielt sie zusätzlich in der einen Hand. Drakon kam immer hier her, wenn er nachdenken, oder eben einfach nur allein sein wollte. Tessa fand allerdings, das er nun genug Zeit gehabt hatte und endlich was essen musste. Sie kam die Treppe hoch und sah ihn direkt an der Mauer.
"Ich dachte, du musst auch was essen. Ich sollte dir nicht böse sein. Du warst eben so lange wach, wie ich. Sogar länger. Das du eingeschlafen bist, ist nicht weiter verwunderlich. Zum Glück ist nicht mehr passiert. Wenn sie eine eben so gute Wächterin wie ihr Vater wird, wird sie noch ganz andere Verletzungen erleiden."
Sie stellte ihm den Teller hin, gab ihm das Besteck und streichelte ihm über den Arm.
"Ihr Fieber ... es hat mich an dich erinnert ... als wir allein waren ... nachdem wir den Abhang herunter gestürzt sind. Weißt du noch? In der Hütte? Du warst so schlecht zurecht. Hohes Fieber und ich glaubte, es würde dich umbringen, wenn ich nicht irgendwas tue. Ich hätte nie gedacht, das ich etwas ähnliches noch einmal erlebe."
Tesse lehnte sich an die Zinne der Mauer.

Drakon schüttelte leicht den Kopf, als Tessa meinte, sie solle ihm nicht böse sein, doch er fand schon, dass sie das sollte. Natürlich behagte es ihm dennoch nicht, aber er hatte seine Aufsichtspflicht verletzte und das Resultat, war eine Platzwunde an Lunas Kopf gewesen. Er senkte den Blick und Tessa fuhr fort, dass Luna noch viele weitere Verletzungen erleiden müsste. Drakon sah sie nun an und sie fragte nach der Zeit, wo er so krank gewesen war. Ja… das war schrecklich gewesen und er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was genau es gewesen war. Nur dass er entsetzliche Schmerzen gehabt hatte. Und natürlich war er von dem Sturz geschwächt gewesen.
„Wie könnte ich das vergessen?“, fragte er leise. Er schloss kurz die Augen und sah zurück in die Schwarzen Lande. Er sagte schließlich klar deutlich und ohne Kompromisse: „Ich werde nicht wieder hinaus gehen.“ Doch auch, wenn er so fest und überzeugt klang, so schwang Schwermut und Wehmut mit seiner Stimme mit. Wie könnte er auch? Er schuldete diesem Freund das Leben seiner Tochter, egal aus welchen Gründen und er hatte davon gesprochen, dass er dieses Versprechen vergessen hatte und nun erneut geben sollte… „Ich bin es ihm schuldig.“ Diesem „IHM“, von dem niemand wusste, wer er war. „Ich werde es Darius morgen sagen.“

Tessa löste die Arme und kam zu ihm. Sie legte ihm die Arme um die Hüften und lehnte sich an ihn.
"Seien wir froh, das nichts schlimmeres geschehen ist."
Das Essen schien er immer noch nicht anrühren zu wollen. Statt dessen redeten sie über die damalige Krankheit, die ihn Heimgesucht hatte und über das Versprechen, das er diesem Freund nun erneut geben sollte. Tessa ließ ihn wieder los, stellte sich neben ihn und sah zu ihm auf. Sie wusste, wie viel es ihm bedeutete, dort hinaus zu gehen. Nichts würde sie sich mehr wünschen, als ihn hier bei sich zu haben, aber dort draußen hatte er immer sein wollen.
"Deine Entscheidung steht fest, hm? Ich weiß wie schwer es dir fällt, aber so wirst du unsere Tochter aufwachsen sehen. Du kannst ihr ein guter Lehrer oder Trainingspartner für sie sein. Wir können es dir nicht ersetzen ... aber ich denke, dein Freund, wer immer er ist, hat unserer Tochter mit seiner Vorhersage gerettet. Es ist nur recht, das du seiner Forderung nach kommst. Die Frage ist, was wirst du statt dessen machen?"
Hatte er sich da überhaupt mal Gedanken drum gemacht? Vermutlich nicht.
"Du solltest endlich essen. Ich habe deinen Magen bis an die Treppe unten knurren gehört."
Sacht streichelte sie seinen Arm.
"Ich liebe dich Drakon Dracaris und das werde ich immer tun. Egal wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir."