Vaelastrasz schaute eine ganze Weile einfach auf den Boden. Drakon wollte ihn zum Reden bringen und das hatte er nun auch geschafft, auch wenn Vael nicht genau wusste, welchen Sinn das nun noch machen sollte. Er sah Drakon wieder an. Kurz fiel sein Blick zu Aya, dann aber wieder auf Drakon.
“Du willst ALLES wissen… Ich werde dir meine Geschichte erzählen, aber dann, wirst du mich endlich töten, Drakon. Schwöre es!” Drakon sah ihn an. “Du wirst sterben.” Vaelastrasz war sich durchaus bewusst, dass diese Formulierung sehr viel mehr Spielraum hatte, als er es sich erhoffte.” “Nein. Du musst es sein, der mich tötet.” Drakon sah ihn eine ganze Weile an. “Also gut. Ich werde dich töten.” Vael suchte eine Lüge in Drakons Augen, fand diese aber nicht und schließlich schien er zufrieden. “Also schön. Wo fange ich an? Am besten am Anfang…”
“Als ich das erste Mal das Licht der Welt erblickte, war die Welt ein Ort so groß, dass ich ihn nicht fassen konnte. Ich schlüpfte aus meinem Ei und erinnere mich nicht mal mehr genau daran, wie ich das erste Mal ein Bewusstsein erlangte, aber ich wusste, dass ich existiere. Ich war mir meines Seins voll und ganz bewusst und versuchte mich zurecht zu finden. Ich kannte nur Hunger, Müdigkeit und Langeweile als Antrieb. Also fraß ich, schlief und spielte. Ich war ganz allein und die Welt um mich herum - wie ich sehr schnell lernte - war mein Spielplatz. Nichts konnte mir gefährlich werden. Nichts konnte mich verletzen oder mir Schmerzen zufügen und so wuchs ich zwar alleine auf, aber ohne Furcht und ohne Schmerzen. Ich erkundete die Welt, die mir so unendlich fremd und groß erschien und lernte. Ich erforschte die Flora und die Fauna und lernte, was ungenießbar für mich war und was gut schmeckte.
Irgendwann traf ich das erste Mal auf die Menschen. Sie lebten damals noch in kleinen Familien, waren nicht sesshaft und primitiv. Ich lernte, dass sie schmeckten und eine weitaus leichtere Beute waren, als alles zuvor. Sie waren langsam und hatten kaum Schutz vor mir. Ihre Haut war weich und alles andere als robust. Sie fürchteten mich und versteckten sich. Es war mir zu mühselig extra nach ihnen zu suchen, also fraß ich, was ich fand. Ich erfand eine Sprache und eine Schrift für mich, und fing an mein Wissen aufzuschreiben. Ich meißelte es in Stein schrieb es auf Tierfelle und erschuf Schriftrollen mittels Magie.
Es vergingen viele viele Jahre und Jahrzehnte und Jahrhunderte. Manchmal verschlief ich ganze Perioden, aber in all der Zeit in der ich lebte, habe ich niemals auch nur einen anderen Drachen meiner Statur gesehen. Ja, es gab solche wie Pock und auch welche die Größer waren als er, aber keiner entsprach annähernd meiner Art und ein jeder senkte das Haupt vor mir. Aber auch sie verschwanden. Und dann… Plötzlich waren die Menschen … anders. Sie hatten gelernt sich zu verständigen. Sie hatten Siedlungen gegründet und gelernt Tiere zu domestizieren. Ich weiß nicht, wie viel Zeit seither vergangen war, es gab noch keine Methode sie zu messen, aber eigentlich beginnt meine wirkliche Geschichte zu dieser Zeit. Ich hatte bereits ein sehr gutes Verständnis von der Welt. Ich wusste, dass die starken, die schwachen fraßen und dass niemand in der Welt auch nur annähernd so war wie ich. Ich war das stärkste Wesen, was die Welt hervorgebracht hatte und die Menschen konnten mir nicht egaler sein. Bis zu jenem Tage, als sie es sich erdreisteten in meinem Vorgarten zu siedeln. An sich gehörte die Welt natürlich nicht mir und eine Zeit lang empfand ich es als amüsant sie dabei zu beobachten, was sie so trieben. Doch irgendwann schwärmten sie aus und eine größere Siedlung entstand. Sie erkundeten die Umgebung und als ich mich eines Tages ein wenig in der Welt herum trieb auch meine Heimstätte. Aus heutiger Sicht konnten sie es natürlich nicht besser wissen, aber ich offenbarte mich ihnen kurz darauf und brannte ihre Siedlung hinfort. Ich weiß nicht mal mehr, wieso mich das alles so zornig gemacht hatte… Jedenfalls vergingen wieder einige Jahre. Ich lernte die Sprache der Menschen und lernte über ihre Kultur und wie erfinderisch sie waren. Später benutzte ich ihren Baustil ihre Bücher und schließlich sogar ihre Gestalt. Es war praktischer. Ich erkannte den Nutzen der Menschen und stahl ihr Vieh, was sie mir so offensichtlich auf dem Silbertablett offenbarten. Hin und wieder fraß ich einen von ihnen und schließlich brachten sie mir Opfer da, damit ich sie in Frieden ließ
Ich errichtete ein schwarzes Schloss aus Drachenglas, wie ihr es nennt. und irgendwann fingen die Menschen an, mich gleichsam zu fürchten und zu verehren. Ich war wie Gott für sie. So ging das über viele Jahre und eines Schicksalhaften Tages klopfte es an der Tür…”
Vaelastrasz unterbrach die Erzählung und er hätte nicht trauriger aussehen können. Drakon riet mal ins Blaue: “Mina.” Vaelastrasz antwortete nicht, aber die Antwort war offensichtlich.
Mina hatte den beschwerlichen und gefährlichen Weg zu seinem Schloss auf sich genommen. Sie hatte gewusst, dass der Herrscher-Gott Eindringlinge einfach tötete, aber sie hatte dieser Angst schlichtweg getrotzt. Sie wusste, dass er sich in ein riesiges schwarzes Monster verwandeln konnte, aber auch das schreckte sie nicht ab. Sie stand nun vor den schweren Pforten und stemmte die Hände in die Hüften.
“Haaallloooo!”
Vaelastrasz hatte gerade an einem Buch geschrieben. Was war das? Konnte da wirklich jemand vor seinem Schloss stehen? Was wollte diese Person? Er hastete zu einem der Fenster, die zwar nicht verglast waren, aber eben Fenster darstellten. Er sah hinab. Ein Menschenkind. Tatsächlich! Was wollte sie hier?! Er ging hinab und mittels Magie öffnete er die Tür. Sie kratzte über den Boden, als sei sie Jahrhunderte nicht geöffnet worden. Die Frau sah erstaunt und neugierig, aber keinesfalls ängstlich aus.
“Was sucht ein Mensch hier auf meinem Berg?”, fragte Vaelastrasz düster. Die Frau sah ihn nun an. Sie musterte ihn von oben bis unten und wieder hinauf. Sie schien nicht antworten zu können und Vaelastrasz glaubte, dass es an ihrer Furcht vor ihm lag, aber was wollte sie dann hier? “Verschwinde, ehe ich dich auffresse.”
“Moooment.”, sagte sie und Vaelastrasz stockte. SIe räusperte sich. “Ich war etwas in Gedanken, mein Name ist Mina.” Der Drache musterte sie erneut und sie hielt seinem Blick stand. Ungewöhnlich. Er drehte sich wieder zu ihr. “Und was möchte die kleine Mina von mir? Wieso bist du hier?” Sie lächelte, und ihre Brust hob sich stolz geschwellt. “Ich will lernen!” Vaelastrasz sah sie einen Moment vollkommen verdutzt an. “Eh?” Sie überlegte, ob sie auch alles richtig gesagt hatte und schließlich wiederholte sie sich einfach. “Ich will lernen.”
“J-ja.”, sagte Vaelastrasz, räusperte sich ebenfalls und sammelte sich. “So? Und WAS willst du lernen?” “Einfach ALLES!” Vaelastrasz sah sie immer noch verwirrt an und schließlich fing er an zu lachen. “Du willst ALLES lernen? Ohhh, kleiner Mensch, dafür reicht deine Lebensspanne nicht aus.” “Aber das macht doch nichts. Dann lerne ich eben so viel wie ich kann.” Vaelastrasz konnte nicht glauben, dass sie das ernst meinte. “Bist du von Sinnen? Weißt du nicht, wer ich bin?” Er packte sie an ihrer Bluse, aber sie zeigte keine Furcht. “Ich weiß wer ihr seid.” “Dann weißt du auch, dass ich dich jederzeit einfach umbringen könnte.” Sie nickte. “Und das macht dir keine Angst?” Sie schüttelte den Kopf. Vaelastrasz fletschte die Zähne. “Ich werde dich fressen…” Sie hatte noch immer keine Angst und sagte: “Das macht nichts.” “Und wieso nicht? Willst du etwa sterben?” Sie schüttelte heftig den Kopf. “Nein.” “Wieso bist du dann hergekommen…? So furchtlos?”
“Ich möchte lernen.”
“Und das ist dir so wichtig, dass du deinen eigenen Tod in Kauf nimmst?”
“Ein Leben ohne das Wissen ist bedeutungslos. Ein bedeutungsloses Leben will ich nicht führen. Dann kann ich auch ebenso gut tot sein.” Vaelastrasz sah sie mehr als überrascht an.
“Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass die Menschen mehr meiner Aufmerksamkeit wert waren. Sie hatte mich überrascht und ihr unbändiger Wille hatte mich fast sogar erschreckt.”
Vaelastrasz ließ sie wieder los. Sie ordnete kurz ihre Sachen und strahlte ihn an. “Ist das ein Ja?” Vaelastrasz musterte sie. “Ich werde dich nicht versorgen. Sieh zu, wie du klar kommst. Ich habe eine Bibliothek, frag, wenn du musst, aber geh mir nicht auf den geist, sonst endet dein leben.” Mina sprang in die Luft und freute sich so sehr und Vaelastrasz spürte das erste Mal in seinem Leben ein Gefühl, was heller strahlte als jeder Stern. Freude. Und zwar die Freude darüber jemand anderem etwas Gutes getan zu haben.
Mina erkundete sein Schloss und seine Bibliothek. “Hast du das alles selbst geschrieben?” Vaelastrasz nickte nur und sie war beeindruckt. Aber was erwartete sie auch von einem Gott? Jeden Tag las sie seine Bücher und erkundete wieder das Schloss. Er hatte keine wirklichen Türen, wozu brauchte er sie auch und so war ihr auch kein Bereich versperrt. Er merkte schnell, wie sie jeden Tag schwächer wurde, da sie hier oben auf dem Berg kaum Nahrung fand und so besorgte er ihr Essen und Wasser. Sie war wie ein Haustier für ihn geworden. Er kümmerte sich um sie, studierte sie und beantwortete ihre Fragen.
“Es war die schönste Zeit meines verdammten langen Lebens…”
Irgendwann saß Mina am Fenster. Ohne Buch, ohne irgendwas in der Hand und ohne ihr Lächeln. Vaelastrasz verstand nicht, was sie hatte und er fragte auch nicht. Es war nur dieser Tag gewesen und schon am nächsten schien es ihr wieder besser zu gehen. Doch die Tage dieser Art häuften sich und Vaelastrasz fand, dass ihr Lachen schöner war, also fragte er sie: “Warum sitzt du hier?”
“Soll ich woanders sitzen?” Das machte sie immer. ER beantwortete immer alle ihre Fragen, aber sie stellte ihm nur Gegenfragen. “Nein. Wieso liest du nicht?”
“Manchmal müssen sich Menschen einfach ausruhen und ihre Gedanken sammeln.” Vaelastrasz konnte das irgendwie nachvollziehen, auch wenn das bei ihm nicht so war. Aber irgendwie erklärte das nicht, diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht, der ihm irgendwie missfiel. “Verstehe.”
Mina senkte den Blick und er wollte eben wieder gehen, als sie aufstand und zu ihm kam. sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm und fragte: “Wieso… tötet ihr die Menschen?” Vaelastrasz sah sie verdattert an. Jetzt wo sie es sagte… Sie war immer so drauf, wenn er losgezogen war, um zu fressen. “Weil sie gut schmecken.”, antwortete er nun. Woraufhin SIE nun überrascht aussah. “Was? Weil sie schmecken?” Er überlegte noch mal und zuckte die Schultern. Dann nickte er. Sie schien jedoch überhaupt nicht begeistert darüber. “DAS ist der Grund?” Vaelastrasz verstand nicht worauf sie hinaus wollte. “Welchen Grund soll es sonst haben? Warum esst IHR Schweine oder Federvieh?” Er meinte mit IHR natürlich nicht nur sie, sondern alle Menschen. Mina sah ihn nun ihrerseit verdutzt an. Er hatte eine menschliche Erscheinung. Vielleicht hatte sie es deshalb nie so gesehen. “Wir sind… wie Schweine für euch?” Vaelastrasz überlegte kurz. “Nicht ganz. Aber ja. Vielleicht.” Sie sah auf den Boden. “Und ich? Bin ich auch ein Schwein? Warum fresst ihr mich nicht?”
Vaelastrasz musterte sie. “Du bist ein Mensch. Kein Schwein. Und ich fresse dich nicht, weil du mich amüsierst.” Sie sah auf. “Dann gestattet mir eine Bitte.” Er sah sie an. “Welche?” “Bitte, hört auf damit Menschen zu fressen.” Er hob die Brauen. Sie schmeckten ihm, warum sollte er das tun? Verlangte sie auch von ihren Mitmenschen kein Schwein zu essen? “Wieso?”
“Weil es mich traurig macht.” “Traurig?” Vaelastrasz kannte das Wort nicht. “Weißt du nicht, was das ist?” “Nein.” Sie kam näher und legte behutsam ihre Hand auf seine Brust. “Das ist, wenn es hier schmerzt.” Sie hatte Schmerzen, wenn er ihre Art fraß? Das war ihm neu. Er würde es festhalten müssen! “Das… ist mir neu. Es tut dir weh, wenn ich Menschen fresse?” Sie nickte und Tränen rannen aus ihren Augen. DAS erklärte einiges. Vaelastrasz senkte den Blick. “Also gut. Ich MUSS sie ja nicht fressen.” Sie lächelte und dann fiel sie ihm einfach um den Hals. “DANKE!” Auch dieses Gefühl war ihm fremd. Es war wie das erste Mal, als er ihr eine Freude gemacht hatte, nur viel intensiver. Es erschreckte ihn, aber gleichsam erfreute er sich daran. Das war wirklich verrückt.
Wieder verging einige Zeit. Jahr um Jahr verstrich und Mina wurde älter und weiser. Sie hatte Vaelastrasz meistens in Frieden gelassen, doch seit diesem Jahr hatte sie angefangen IHN zu unterrichten. Sie erklärte ihm, wie die Menschen funktionierten. Sie räumte ein, dass natürlich nicht jeder Mensch gleich war, aber eben so die Grundlagen. Sie erzählte ihm Geschichten, Sagen und Legenden und eines Tages - sie hatte gerade eine Geschichte beendet - fragte er: “Was ist Liebe?” Mina sah ihn wissend an. “Du weißt nicht was Liebe ist?” Er schüttelte den Kopf und sie lächelte liebevoll. “Das ist, wenn man jemanden so sehr mag, dass man ihn am liebsten ständig um sich haben möchte. Man würde alles für ihn tun und sich aufopfern. Man würde selbst zurückstecken, um den anderen Glücklich zu sehen. Und echte Liebe kann durch nichts zerstört werden.” Vaelastrasz folgte ihren Ausführungen und senkte dann den Blick. “Verstehe.” Dann - so stellte er für sich fest - liebte er Mina wohl. Er hatte seit Jahren keine Menschen gefressen, ging los, um ihr Essen zu besorgen, brachte ihr bei, was sie wollte und hielt sich stets in ihrer Nähe auf, wenn er hier war. “Liebe heißt aber auch, dass man selbiges von dem geliebten zurückbekommen kann.” Er sah auf. Sie lächelte immer noch so schön. Auch er lächelte nun leicht. Ja… diese Momente erfüllten ihn mit Freude. Mehr brauchte er auch nicht von ihr. “Hast du denn einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann?”, fragte sie nun. Sie wusste durchaus, dass ihre Beziehung irgendwie sehr einseitig wirken konnte. “Nein. Ich habe alles.”, sagte er nur.
Weitere Jahre vergingen und Vaelastrasz kam von einer seiner Reisen Zurück. Mina hatte ihm nahegelegt es mal zu versuchen. Reisen wie ein Mensch. Sie kennen lernen. Er war zurückgekommen in seine Festung und Mina hatte ihn bereits erwartet. “Und? Wie war es?” Sie sah ihn an und stellte fest, dass er irgendwie anders aussah. Niedergeschlagen und irgendwie… weniger unschuldig. “Was ist passiert?” Doch er leugnete, dass irgendwas passiert war. Eines Abends saß Mina wieder an einem Fenster und sah hinaus. Es war eiskalt und sie in eine Decke gewickelt. Vaelastrasz sah dass sie fror. Und plötzlich klirrte es im Raum. Eiswände bildeten kristallklares Fensterglas und Feuer flackerte in einem eben entstandenen Kamin auf. Sie sah zu ihm. “Danke…”, sagte sie leise. “Was ist?”, fragte er. “Nichts. Ich weiß nicht, was mit dir ist.” “Mit mir?” “Ja, du hast dich verändert.” Vaelastrasz kam zu ihr und stand neben ihr. “Ich habe eine Frage.” Sie sah zu ihm auf. “Was ist Hass?” Sie sah ihn erschrocken an. Kurz senkte sie den Blick und nahm dann seine Hand. “Hass ist ein Gefühl, was nur allzu schnell in die Herzen der Menschen gerät.” Vaelastrasz sah sie an. “Und ‘Hass’ ist das Gefühl, vor dem du dich am allermeisten in Acht nehmen musst.” Er verstand nicht, was es mit ihm zu tun hatte. “Hass ist das Gegenteil von Liebe. Man möchte das Objekt seines Hasses zerstört wissen. Man will, dass es leidet oder ganz verschwindet.” Vaelastrasz musterte sie eine ganze Weile. “Verstehe.” Mina erhob sich und griff seine andere Hand auch noch. “Hast du Hass erlebt?” Vaelastrasz schwieg eine ganze Weile. “Ich hörte, wie ein Mensch es zu jemandem sagte. Dann tötete dieser den anderen. Aber er fraß ihn nicht. Er hat… ihn einfach getötet.” Mina nahm ihn in die Arme und er mochte diese Berührung. “Ich habe noch eine Frage.” “Ja?” Er hatte sich das eben überlegt und es kam ihm nur logisch vor. “Du sagst, Hass ist das Gegenteil von Liebe.” “Ja.” “Du sagtest auch, das wahrhaftige Liebe nicht zerstört werden kann.” Minas Augen weiteten sich und sie erstarrte. “Was ist mit wahrhaftigem Hass?” Sie hatte keine Antwort darauf. Denn niemals hätte sie Vaelastrasz belogen. Dennoch liefen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie hatte ihn auf die Reise geschickt und nun war es ihre Schuld, dass er dieses furchtbare Gefühl kennenlernen musste.
Erneut verging ein wenig Zeit und Mina war bereits über dreißig Jahre alt und hatte nun die Hälfte ihres Lebens hier verbracht. Sie und Vaelastrasz hatten wirkliche eine Gute Zeit. Er lachte gemeinsam mit ihr, lauschte ihren geschichten und reiste nur noch sehr selten, aber eines Tages hatte er eine neue Frage für Mina und jedes Mal, wenn er eine Solche Frage stellte, überkam sie die Furcht, dass er erneut verdorben werden könnte. “Mina, was genau IST eigentlich Angst?” Sie hatte ihm gerade eine Geschichte erzählt, wo dieses Gefühl vor kam. Sie war ein wenig erleichtert. “Nun… Angst ist etwas, was man hat, wenn man zum Beispiel dem Tod ins Auge blickt.” Vaelastrasz nickte fachmännisch. “Die Menschen hatten also vor mir Angst, bevor ich sie fraß.” “Das trifft es so ziemlich genau.” Er tat das also einfach als unwichtig ab. “Dann hatte ich noch nie Angst.”, sagte er schließlich. Sie kicherte. “Denke ich mir. Aber Angst kann auch andere Gründe haben. Zum Beispiel, wenn man jemanden liebt.” Das überraschte ihn nun. “Wie das?” “Du könntest Angst davor haben, ihn zu verlieren.” Vaelastrasz dachte darüber nach. Die Angst vor Verlust. “Oder manch einer hat Angst davor krank zu werden oder allein zu sterben.” Sie sah Vaelastrasz kurz etwas erschrocken an, als sie das gesagt hatte, aber er bemerkte es nicht. “Angst ist sehr vielseitig.”, stellte er fest. “Verstehe.” Sie wagte das zu bezweifeln. So wie jedes Mal, wenn er das sagte.
Mina hatte ihm Freude, Trauer, Liebe, Hass und Angst erklärt, aber wirklich verstehen würde Vaelastrasz es erst zu einem Zeitpunkt, der die Wende dieser Welt markierte.
Mina und Vaelastrasz lebten glücklich in ihrem Schloss. Vaelastrasz hatte die Inneneinrichtung an ihre Bedürfnisse angepasst und er hatte die Fassade verkleinert. Er hatte außerdem das Schwarze Gestein weiß verkleidet und so sah dieses Schloss nun nicht mehr Furcht erregend sondern wirklich zauberhaft aus. Mina und er hatten außerdem zueinander gefunden. Und zwar im romantischen Sinne. Sie liebten einander so sehr, wie es kein zweites Paar auf dieser Welt je gekonnt hätte. Und schließlich - da Vaelastrasz als Mensch eben so wie einer ausgestattet war - hatten die beiden auch eine sexuelle Beziehung. Vaelastrasz dachte nicht mal an die Möglichkeit, dass dabei ein Kind entstehen könnte, das es in seinen Augen physiologisch unmöglich war. Und lange Zeit geschah auch nichts. Doch irgendwann…
“Ich glaube ich erwarte ein Kind.”, sagte mina eines Morgens. Vaelastrasz stritt das ab. Es sei unmöglich und Mina versicherte, dass sie das ja auch geglaubt habe, aber sie würde ihren Körper doch kennen! Und so erging Monat um Monat, aber nichts deutete weiter darauf hin, dass ihr Bauch wachsen würde. Vaelastrasz und sie konnten sich nicht erklären, wieso Minas Monatsblutung ausblieb und Vaelastrasz entschied sich dazu eine Magie zu entwickeln, um in ihren Körper zu sehen. Aber je mehr Monate verstrichen, um so schwerer fiel es ihm. Ganz so, als würde etwas seine ihm innewohnende Magie absaugen. Es störte ihn zwar nicht wirklich, aber irgendwann kam es ihm doch merkwürdig vor und schließlich nach drei Jahren war Minas Bauch tatsächlich langsam gewachsen. Sie WAR schwanger geworden, nur dauerte diese Schwangerschaft offenkundig viel länger, als bei Menschen. Obwohl Vaelastrasz und Mina es nicht glauben konnten, strömten sie beide über vor Glück und Vaelastrasz entdeckte wahrhaftige Liebe. Zu seiner Partnerin und dem Kind, was geboren werden würde. Er entdeckte aber auch die Furcht, dass einem der beiden etwas geschehen könnte. Trotzdem war die Zeit eine sehr glückliche. Mina lernte weiter und Vaelastrasz sah ihr weiter dabei zu. Sie hatte nun auch hin und wieder selbst das Schloss verlassen und war in der Siedlung gewesen, die sich am Fuße des Berges gebildet hatte. Mina beharrte darauf, dass sie auch selbst besorgungen machen konnte, ohne, dass er ständig ihre Hand hielt und sie habe es auch geschafft, wenn er auf reisen gewesen war und so ließ er sie gewähren.
Eines Tages jedoch… Mina sah aus, als sei sie kurz vor der Niederkunft war sie in die Stadt gegangen. Sie hatte etwas besorgen wollen, von dem Vaelastrasz nichts hatte wissen sollen. Eine Überraschung hatte sie gesagt. Vaelastrasz lief in seinem Schloss auf und ab. Er betrachtete die Baby-Wiege und das Nest. Sie hatten keine Ahnung, was aus Mina heraus käme ein Ei oder ein Baby und Vaelastrasz hatte es aufgegeben gehabt, den Zauber entwickeln zu wollen. Allerdings hatte er heilmagie entwickelt, um Mina helfen zu können. Auch wenn diese Magie Zeit und Konzentration brauchte, so hofften sie beide das beste.
Jetzt aber lief er unruhig auf und ab. Und nachdem es weit in der Nacht war und Mina noch immer nicht zurück war hielt er es nicht mehr aus. Er verwandelte sich in den Drachen, der er nun mal war und just in jenem Moment wehte Minas Stimme an sein Ohr.
“Vergebe ihnen, mein Liebster… nicht für sie… aber für dich… Sie wissen es nicht besser…” Vaelastrasz fegte seinen Berg hinab. Die Legenden und Geschichten über den Drachen der dort angeblich hauste, waren hier nur eine Geschichte und niemand glaubte daran, wohl aber hatten die Menschen geglaubt, dass ein böser Zauberer auf dem Berg wohnte.
Vaelastrasz sah das Feuer auf dem Platz und in jener Nacht lernte er Trauer… Man hatte Mina verbrannt. Man hatte sie für eine Hexe gehalten, die mit ihm einen düsteren Pakt geschlossen hätte und sie alle verzaubert habe. In der Stadt war eine seuche ausgebrochen und man gab ihr die Schuld. Vaelastrasz landete auf dem Platz. Damals schon war er gigantisch gewesen und riss dabei Gebäude ein und zerquetschte jeden, der nicht schnell genug weggekommen war. Sie war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, aber er wusste dass sie es war. Ein Schrei ertönte aus seiner Brust, der so furchtbar klang, dass die Menschen selbst in ihrem Zorn auf die Hexe und ihrer Angst vor dem Drachen die Traurigkeit spürten, die von diesem Geschöpf ausging. Vaelastrasz löschte das Feuer und nahm den toten Leib seiner Liebsten. Er trug sie davon, ohne zu wissen, dass man die Frucht ihrer Liebe bereits geraubt hatte.
Wahre Liebe konnte nicht zerstört werden, hatte Mina ihm erklärt und was war mit wahrhaftigem Hass? Sie hatte ihm diese Frage nie beantwortet und das brauchte sie auch nicht, denn Vaelastrasz lernte die Antwort darauf an jenem Tag kennen. Sie hatte ihm gesagt, er solle vergeben, aber sie hatte ihm nie erklärt, wie das ging. Noch was Vergebung war. Und so bettete er ihren Leib in einem Bett aus Schneelilien, ehe er ihr Aussehen wiederherstellte. Ihre Seele jedoch war fort. Erneut schwang er sich in die Nacht hinauf und kreiste über seinem Berg er schrie seine Trauer in die Welt und mit jedem Schrei wuchs sein unbändiger Hass auf die Menschen, die das getan hatten. Tiefschwarze Energie löste sich von ihm und Schattenschlieren zogen sich durch die Luft. Das Land verdarb, und die Menschen flohen vor dem Zorn des Drachen. Nicht wenige fanden an jenem Tag den Tod. Doch es war nicht der Hass, der an diesem Tag die Schwarzen Lande erschuf, sondern seine unendliche Traurigkeit, die er einfach nicht ausdrücken konnte und so musste die Antwort auf die nicht beantwortete Frage Lauten: Nein… nicht der abgrundtiefste Hass konnte die wahre Liebe zerstören. Vaelastrasz respektierte Minas Wunsch. Er tötete die Menschen nicht, obwohl er es so gern getan hätte, doch die Menschen in ihrer Angst und ihrer Dummheit verkannten die Lage. Sie glaubten in dem Übel die Rache des Drachen spüren zu müssen.
Vaelastrasz saß in seiner Festung. Er hatte viel Magie verbraucht und das Schwarze Land, was er erschaffen hatte, hatte auch einige Schattenkreaturen erweckt. Er hatte Leben geschaffen, ohne es zu wollen. Und dieses “Leben” verzehrte sich nach nichts weiter, als den Menschen den Tod zu bringen. Seine Hand ruhte auf seinem Herzen, als er auf Mina herab blickte, die dort lag, als schliefe sie. Seine andere Hand lag auf ihrem Bauch und sein Tränenfluss versiegte keine einzige Sekunde.
Doch wie töricht die menschen nur waren… Sie begehrten erneut gegen ihn auf. Und obwohl Vaelastrasz geglaubt hatte, dass man ihm keinen größeren Schmerz zufügen könnte, fanden die Menschen einen Weg. Sie forderten ihn heraus und das Ende vom Lied war, dass ein einzelner Mann vor ihm stand und ein Kind vor ihn hielt. Es war, als habe Vaelastrasz niemals etwas schöneres in seinem leben gesehen. Und erneut obsiegte die Liebe in seinem Herzen und nicht der Hass. “Du erkennst es! Es ist DEINS!” Sie sahen in dem Kind eine Ausgeburt der Hölle, aber für Vaelastrasz war es die ganze Welt.
“Gebt mir mein Kind.”, forderte er unr. “Und ich werde euch kein Leid zufügen.”
“Nimm die Dunkelheit zurück!” Er schüttelte den Kopf. “Das kann ich nicht!” Nur, dass er es wirklich nicht konnte. Er hatte sie erschaffen, aber er war nicht in der Lage, sie zurückzunehmen. Nicht mehr. Hätten die Menschen nur auf ihn gehört. Nichts von allem, was folgte, wäre geschehen, denn Hätte Vaelastrasz die Liebe zu seinem Kind neu erforscht und begriffen, wäre er durchaus in der Lage gewesen Licht zu erschaffen, um die Dunkelheit zu vertreiben. Doch so kam es nicht.
“Dann werden wir dein Kind als Geisel behalten, BIS du es getan hast!”
Vaelastrasz versuchte die Menschen zu überreden, doch sie blieben hart. Sie verstanden nicht, was sie ihm antaten und in welchen Fluch sie die Welt stürzen würden. Sie schafften das Kind fort, während Vaelastrasz nur zusehen konnte. Sein gewaltiger Zorn entlud sich erneut und dieses Mal stieg er in den Himmel. Damit er in seinem Zorn nicht die Welt vernichtete entlud er seine Kraft in das Himmelszelt der Nacht und an jenem Tag zersplitterte der Mond, der heute nur noch als Splittermond bekannt war. Das Bild jenes Tages wurde das Wächtersymbol. Aber erst viele jahre später. Was für eine Farce.
Erneut vergingen die Jahre, in denen Vaelastrasz nicht in der Lage war die Schwarzen Lande aufzuhalten, sich auszubreiten. Er versuchte über die Schatten zu gebieten und alleine das kostete ihn eine enorme Anstrengung.
“Ich habe versucht sie zu zivilisieren, habe versucht ihnen Vernunft zu geben, aber ihr Instinkt, euch zu vernichten, war unbeschreiblich. Sie wurden aus meiner Trauer geboren und ich konnte sie nicht vernichten… Und das war die Schuld meines Hasses…”
Nach weiteren 30 Jahren und eben so lange anhaltendem Krieg forderten die Menschen Vaelastrasz erneut raus. Er war geschwächt. Seine Bemühungen, die Grenzen der schwarzen Lande zurückzuhalten und das Volk zu kontrollieren, hatten ihn ausgelaugt. Es war eine Frau, die den Kampf anführte. Ioria. Der Name der heutigen Hauptstadt. Sie war die wahre Heldin dieser zeit und letztlich standen sie sich gegenüber. Vaelastrasz erkannte sofort, wer sie war und begab sich in seine Menschliche Gestalt.
“Du bist groß geworden.” “Dann weißt du wer ich bin?” “Wie könnte ich es nicht wissen, wo du deiner Mutter so aufs Haar gleichst…” Es tat so weh, sie zu sehen. Sie war in Hass und Zorn aufgewachsen. Man hatte sie zu einem Instrument der Rache an ihm gemacht und er wusste es. “Ich fordere ein sofortiges Ende, dieses Krieges.” “Ich bin nicht der Agressor.”, erwiderte er. “DEINE Monster überfallen uns! Du musst sie zurückziehen! Vernichte sie!” “Du weißt wen du vo dir hast und trotzdem kommst du hierher und forderst das Unmögliche. Wieso zerquetsche ich dich nicht einfach, Ioria?” “Weil ich dein Kind bin. Weil du mich liebst.” Da hatte sie Recht. “Dennoch verkennst du die Lage. IHR tötet meine Kinder. IHR fordert ein Land, was ihr selbst aus den Händen gabt, als man mir deine Mutter nahm. Sinnlos und ohne Reue. Ich habe die Menschen in Frieden leben lassen, soweit ich es konnte. Ihr habt euch diese Dämonen selbst erschaffen und…” Er hielt inne. “Nein… Nicht ihr alle. Nur einige von den Menschen. Auch du bist nur ein unschuldiges Opfer.”
“Vater” Vaelastrasz’ Augen weiteten sich. “dieser Kampf muss ein Ende haben. Ich verlor meine Mutter, habe sie nie kennengelernt und jetzt kämpfe ich gegen meinen Vater, dabei will ich ihn nur in den Armen halten.” Vaelastrasz senkte den Blick. Erneut rannen blutige Tränen seine Wangen hinab. “Ioria…” Er ging auf sie zu. Er hatte keine Waffe. Er hatte nie eine gebraucht. Sie ließ ihr Schwert ebenso fallen und schließlich nahm sie ihren Vater einfach in ihre Arme. “Ich habe 30 Jahre auf diesen moment gewartet.”, sagte er. “Ich auch.”, erwiderte sie und stieß ihm einen Dolch in den Rücken. Vaelastrasz lächelte. Er ließ sie nicht los. “Weißt du… Ich wusste, dass das passieren würde.” Ioria erstarrte. Er hatte es gewusst? “Warum … bist du dann…?” Vaelastrasz sagte es ihr in ihr Ohr. “Weil ein Leben ohne Liebe nicht lebenswert ist. Lieber sterbe ich, als ohne Liebe zu sein.” Mina war zu ihm gekommen, weil ihr durst nach Wissen unermesslich gewesen war. Und er hatte sich nun seiner Tochter gestellt, weil sein Durst nach liebe keine Grenzen kannte. Er ließ sie los. “Mutter hat sich nichts sehnlicher als Frieden gewünscht.”, sagte sie nun mit tränen in den Augen, aber mit Zorn im Gesicht. Wer auch immer ihr das erzählt hatte… Er schüttelte den Kopf. “Nein. IHR Wunsch war es, dass ICH glücklich bin. Mit dir. Mit ihr. Frei von Hass und Furcht und Trauer.” Er zog sich den Dolch aus dem Rücken. “Ein Dolch kann mich nicht töten. Ein Mensch kann mich nicht töten.” Sie setzte ein überlegenes Gesicht auf und blieb hochmütig. “Er sollte dich auch nicht töten…” Vaelastrasz sah sie an und nun entbrannte erneut ein Kampf. Sie hatte ihm die Magiekraft entzogen. Sie verwendete sie gegen ihn und auch sie kämpfte als Drache. Die Schlacht war episch und letztlich konnte Vaelastrasz nicht gewinnen, weil er nicht bereit war, sein Kind zu töten. Er sprach seine letzten Worte: “Ich werde wieder erwachen und wenn es so weit ist, werde ich die Menschen vernichten! Ich werde euch mit Strunk und Stiel ausreißen und den Frieden auf dieser Welt erschaffen, den ihr euch wünscht! Frei von Hass und Angst und Trauer!” “Das werden wir verhindern!”, rief einer der “Magier” Und hielt den Dolch in der Hand. Ioria hatte auch ihr Blut darüber laufen lassen und nun schien das Ritual fertig. Sie hatte ihn nur aufgehalten. “DU wirst für alle Ewigkeit gefangen bleiben! In dem Gefängnis, was du dir selbst erschaffen hast!”
Ioria landete als Mensch neben ihm und er stieß ihr den Dolch in den Bauch.
“Nein…”, hauchte er. Er sah zu seiner Tochter und sagte nur: “Dracaris…”
An jenem Tag verschwand der Drache Vaelastrasz von der Welt und die Finsternis die er zurückgelassen hatte, blieb ein Sinnbild des Hasses, der niemals wieder so in die Welt gelassen werden durfte. Die Sieger schrieben die Geschichte und Vaelastrasz war der größter Verlierer… nein, der der am meisten verloren hatte in dieser Geschichte. Doch darüber wurde nie mehr auch nur ein Wort verloren.
“Ich erinnere mich nicht, was genau passiert ist. Ich erinnere mich nicht an mein Kind und ich erinnere mich nicht daran, wie es sich angefühlt hatte, sie zu umarmen. Ich weiß nicht mehr, wie furchtbar die Trauer und der Schmerz war, aber ich fühle noch immer das Echo…” Und das allein sagte ihm, wie unerträglich es gewesen sein musste.
Drakon sah ihn nun einfach an. Auch ihm waren die Tränen gekommen, aber er schwieg. Die Klinge war noch immer in seiner Hand und Vaelastrasz betrachtete sie. Er sagte: “Du hast mir mal geschworen, mich nie mehr zu belügen…”, sagte Drakon und Vaelastrasz senkte den Blick. Vaelastrasz mochte schon immer furchterregend ausgesehen haben, aber er musste früher auch eine so reine Seele gehabt haben… Die Menschen hatten ihn verdorben. SIE hatten ihm das Lügen beigebracht. Drakon sagte: “Sag mir…” Drakon sah ihn unentwegt an. “Ist Ioria… mein Urahn?” Vaelastrasz schloss die Augen nun. “So ist es…”
Drakon biss die Zähne aufeinander. Erneut hielt der den Griff der Klinge SO fest, dass seine Knöchel weiß wurden. “KANN ich dich überhaupt töten?”, fragte er nun. “Du bist der einzige der es KANN.”, antwortete er. Drakon wartete bis Vaelastrasz ihn wieder ansah und als Vaelastrasz den Blick hob, erschrak er etwas vor dem, was er sah. Drakon war entschlossen und er schien zornig. “Du hast dich gefragt, ob Hass über die Liebe obsiegen kann.” Vaelastrasz hörte einfach zu und Drakon machte eine Pause. “Hier hast du deine Antwort:” Er warf ihm das Schwert vor die Füße. “Töte dich selbst.” Natürlich meinte Drakon das nicht wirklich so. Er drehte sich von Vaelastrasz weg und dieser sank auf die Knie.