Thaluins Legenden

Arien versuchte es langsam und behutsam. Sie wollte nicht mit gebrochenen Gliedern herum laufen müssen oder sich selbst irgendwie verkrüppeln. Zu ihrem eigenen erstaunen, bekam sie es tatsächlich schneller als gedacht hin. Sie spürte die Ströme, die in ihren Arm liefen und ihn stärkten. Das war unglaublich. Arien lächelte.
"Ist es so richtig?"
fragte sie und ließ die Ströme weiter fließen. Es schien ihr nahezu zu zu fliegen, einfach die Ströme durch sich selbst gleiten zu lassen. Warum ging das bei Wurzeln und Gräsern nicht auch so leicht? Vielleicht war sie da zu gehemmt?

Tavaril betrachtete ihr tun und sie schien es direkt beim ersten Mal hinzubekommen, sie sprach sogar mit ihm und Tavaril lächelte. „Sehr gut. Steh auf!“ Sie tat was er wollte. Konzentrier dich weiter auf deinen Arm.“ Sie tat es. Es fiel ihr wirklich leichter, als alles was sie bisher gelernt hatte. Dann schupste er sie plötzlich und sie verlor die Konzentration, weil er hinter ihr eine Wurzel erhoben hatte, an der sie hängen blieb und sie auf den Allerwertesten fiel. Ihr geschah dabei nicht, lediglich war der Zauber wieder vorbei. Einen kleinen Moment hatte er noch nachgehallt, war nun aber erloschen.
Tavaril sah ganz unschuldig aus und grinste dann. „Ich habe gesagt, es wird schwer.“ Dennoch war er mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. „Noch mal!“ Beim zweiten Mal packte er sie plötzlich von hinten und hob sie an. Beim dritten Mal kitzelte er sie und beim vierten Mal stellte er sich hinter sie und pustete ihr sanft ins Ohr.

Arien hatte das Gefühl etwas gut zu können, doch schon im nächsten Moment, wurde sie eines besseren belehrt. Er schubste sie und sie fiel auf den Hintern, weil er hinter ihr eine Wurzel empor hatte recken lassen. Für den Moment war sie erschrocken, doch verstand sie, was er damit bezwecken wollte. Sie sollte die Konzentration auch bei Ablenkung aufrecht erhalten, was ihr die nächsten Male überhaupt nicht gelang. Am schlimmsten war es wohl, als er ihr ins Ohr hauchte. Arien quiekte auf und bekam eine schreckliche Gänsehaut.
" ... Ist schwer sich zu konzentrieren ... wenn ihr so etwas tut, aber ich verstehe warum ihr das macht. Ich werde nicht aufgeben,"
prophezeite sie.
"Weiter."
Wieder konzentrierte sie sich auf die Ströme und es klappte wirklich gut. Sie konzentrierte sich nur auf die Ströme und was sie tun sollten. Dieses Mal durfte sie sich nicht wieder ablenken lassen. Sie musste die Magie aufrecht erhalten.

Tavaril machte noch ein paar Mal, was er eben machte, und fand es sogar irgendwie lustig, dass sie so auf quietschte, wenn er sie kitzelte oder am Ohr pustete. Schließlich aber sagte er: „Genug für heute.“ Sie hatte jedoch noch lange nicht genug und Tavaril meinte: „Denk immer daran, dass auch wenn du es jetzt gut kannst, jeder Fehler schmerzhafte Folgen haben kann. Überschätze dich nicht. Sonst-“
In dem Moment traf ihn eine schaumige Wassersalve von der Seite. Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar, wie er dort stand, wie ein begossener Pudel. Tal schlug die Hände vor den Mund und war gefühlt zu Salz erstarrt. Er wollte im Erdboden versinken und Tavaril musste wohl noch zuordnen, was eben passiert war. Er starrte einfach weiter in Ariens Richtung, ehe Tal piepste: „Tschul… digung?“

Eigentlich hätte sie ja schon all zu gern noch weiter gemacht, doch wenn Tavaril meinte, das sie aufhören sollten, musste sie wohl klein bei geben. es dauerte auch nur einen Moment, ehe er in seinem Vortrag über Vorsicht, und so weiter, unterbrochen wurde, als er plötzlich ordentlich nass gemacht wurde. Arien schnappte nach Luft vor Überraschung, konnte dann aber nicht anders als fürchterlich los zu lachen. Sie bekam sich gar nicht unter Kontrolle, so musste sie lachen. Dieser stolze Eleda stand da, wie ein begossener Hund und schien gar nicht zu realisieren, woher das gekommen war. Arien ging in die Knie und schüttete sich richtig aus vor lachen, während Tal versuchte unsichtbar zu werden. Seine gepiepste Entschuldigung machte das ganze nicht besser. Arien versuchte Luft zu holen, doch das schien gerade wirklich sehr schwierig, angesichts der Situation und Tavarils Blick.

Tavarils blick ging zur Seite, ehe seine Kopfdrehung und dann sein Körper folgte. „TAL!“, rief er und der suchte sein Heil in der Flucht. „Ah!“ Tavaril rief ihm nach: „Hiergeblieben!“ Sylphie schüttete sich alleine Arien wegen aus und Tavaril lief Tal hinterher, der keine Chance gegen Tavaril hatte. Er wurde im Nacken gepackt und zurück ins Lager gebracht, wie eine Kätzchen, dass man eben an der Stelle trug. Nur dass Tal vor Tavaril herging und er ihn nicht anhob. „Gnade! Ich sagte doch es tut mir Leid! Aua!“ Tavaril setzte ihn ans Lagerfeuer. „Dort bleibst du jetzt sitzen und rührst dich nicht mehr, bis ich es erlaube, verstanden?!“ Tal saß da wie ein gescholtenes Hündchen und sagte leise: „Ja.“
Tavaril murmelte irgendwas auf Alteledisch und klopfte sich auf die rechte Seite seines Kopfes, um das Wasser aus seinem linken Ohr zu bekommen. „Also echt… ist doch nicht zu fassen!“ Dann kam er wieder zu Arien, die glücklicherweise nicht an ihrem Lachanfall erstickt war und er sagte nur: „Lach du nur. Morgen werdet ihr beide nichts zu lachen haben. Versprochen!“ Er war nicht wirklich wütend oder sauer. Eigentlich fand er es selbst auch gar nicht so schlimm, was ihm widerfahren war, aber er fand es bedenklich, wie unachtsam Tal gewesen war. Auch wenn es nur Wasser war…

Arien verschluckte sich fast, als sie endlich wieder auf sah und den Beiden nach sah. Das war so urkomisch, sie hätte sich fast nicht mehr ein gekriegt. Das er Tal nun auch noch wie ein kleines Tier, das irgendeinen Mist gebaut hatte, zum Feuer brachte, war beinahe zum Brüllen. Arien wischte sich nun die Tränen aus dem Gesicht, als Tavaril ankam und sich das Wasser aus dem Ohr schüttete.
"Hach es tut mir wi-irklich leid,"
brachte sie raus,
"aber euer Gesichtsausdruck,"
wieder musste sie lachen.
"Das ... das war ... unbezahlbar,"
kicherte sie, bemüht nicht noch mehr zu lachen. Schließlich konnte sie sich wieder beruhigen ... auch wenn sie immer wieder ein wenig kichern musste, aber sie schaffte es, machte sich ebenfalls auf zum Lagerfeuer und bekam endlich auch etwas zu essen. Sie lobte die alte Frau für ihre Kochkünste und legte sich schließlich schlafen. Wenn Tavaril ankündigte, das der nächste Tag nicht mehr zum Lachen war, wollte sie sich doch wenigstens weitestgehend ausruhen.
"Gute Nacht,"
wünschte sie den Anderen und schlief lächelnd ein. Selbst im Schlaf, musste sie ab und zu kichern.

Die Nacht war kurz und Tavaril hielt wie jede Nacht Wache. Anfangs hatte sich noch Marco zu ihm gesellt. Wobei „gesellt“ vielleicht das falsche Wort war, denn der Mensch hatte größten Respekt und vielleicht auch ein wenig Angst vor Tavaril. Er hielt Abstand, saß aber mit am Lagerfeuer, wo seine beiden Kinder je links und rechts auf seinem Schoß lagen und er ihnen beruhigend über die Köpfchen streichelte. Irgendwann legte er sich jedoch auch hin und so kuschelten die vier Menschen gemeinsam auf und unter einer Decke.
Tavaril selbst beobachtete die Umgebung mit allen Sinnen, er hatte keine Lust, dass noch irgendwer getötet wurde, weil diese Banditen ihr Revier „verteidigten“. Er konnte sich zwar nicht an seine Vergangenheit erinnern, aber ihm war so, dass die Menschen früher auch schon eher kämpferisch waren. Jedoch hatten sie auch sehr kluge Köpfe hervorgebracht. Nicht nur Magier, sondern auch Wissenschaftler. Die Samseraner waren im Punkt Technik jedoch am ausgereiftesten gewesen. War ja auch egal.

Am nächsten Morgen weckte Tavaril Tal mit einer Wasserdusche und dieser weckte Arien dann mit einem Ausruf der Überraschung und des Schreckens. Dabei rief er keuchend: „Ich bin wach! Ich bin wach!“ Tavaril musterte den patschnassen Tal und der sah nun grinsend auf. „Na gut. Habe ich wohl verdient.“ Tavaril sagte nur: „Das werde ich nicht beurteilen, aber ich möchte, dass du dich so schnell es geht trocknest. Dann sah er zu Arien, die beim Erwachen festgestellt hatte, dass ihre Knöchel ein gewuchert waren. Wurzeln hielten sie fest. „Und du befreist dich, sonst werden wir den Menschen dort nicht helfen können.
Die ersten Aufgaben des Tages und das auch noch vor dem Frühstück! Tavaril selbst war ausdruckslos wie immer und Marco sagte nun leise: „Wir… kümmern uns ums Frühstück…“

Arien schlief auch recht schnell ein. Bei Tavaril fühlte sie sich sehr sicher. Er passte auf und sie vertraute ihm mehr, als irgendwem sonst. Die Menschen waren Dankbar für die Hilfe und so würden zumindest die Vier ihnen hier nichts tun. Was die Banditen an ging ... nun es waren vermutlich eben solche, wie die, die sie angegriffen und um ein Haar getötet hatten. Sie würden nicht lange fackeln, das gleiche erneut zu versuchen.

Der Nächste Morgen brach an. Was Arien weckte, war Tals Geschrei, als er geduscht wurde. Sie öffnete die Augen, saß sofort aufrecht, bemerkte aber dadurch auch gleich die Wurzeln um ihre Fußgelenke. Sie liebte die Natur und freute sich auch, wenn diese ihre Liebe erwiderte, nur das hier war wirklich ... grotesk. Sie wusste schließlich nicht ob es eher ein Angriff war oder doch die Zuneigung oder ob Tavaril, oder vielleicht sogar sie selbst das gemacht hatte. Sie nickte Tavaril auf seine Aufforderung zu, ehe sie allen einen guten Morgen wünschte."Das ist sehr freundlich, danke,"
antwortete sie Marco und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Sofort danach machte sie sich daran sich darauf zu konzentrieren, die Wurzeln ins Erdreich zurück zu schicken, denn zerschneiden wollte sie diese wirklich nicht. Es klappte natürlich nicht so schnell, wie sie es gern gehabt hätte, aber sie machte Fortschritte. Als sie es dann endlich geschafft hatte, war das Frühstück auch schon fertig und sie konnte sich zu den Menschen gesellen, während Tavaril ... ja was machte er eigentlich?

Tavaril beobachtete natürlich seine Schüler. Tal suchte gerade scheinbar nach einer Formel, die ihm helfen könnte, sich zu trocknen und Arien löste ihre Wurzelfesseln. Gerade, als sie Tavaril wieder betrachtete und nachschaute, was er trieb, schlossen sich die Fesseln erneut um ihre Knöchel. Tavaril sagte, ohne sie anzuschauen, weil er Tals Formeln überwachte: „Du musst sie schon daran hindern dich wieder einzufangen.“
Für Arien bedeutete das, dass sie die ganze Zeit ihre Magie fließen lassen müsste. Es war ja schon schwer genug, die Wurzeln überhaupt zu kontrollieren, aber nun sollte sie sie auch noch dauerhaft festhalten? Sie musste also mit Tavarils Kraft konkurrieren.
„Ich weiß nicht, wie ich mich trocknen soll, Tavaril.“, sagte Tal entmutigt und brach seine Symboliken ab. Tavaril fragte: „Was war dein Plan?“
„Ich weiß nicht. Hitze? Wind?“
„Und?“
„Und was?“
„Was hindert dich?“
„Ich habe keine Lust mich in Asche zu verwandeln, oder Windklingen abzubekommen.“ Tavaril musterte ihn nur, sah dann aber kurz zu Arien: „Du musst dich schon mehr anstrengen, wenn du ihnen deinen Willen aufzwingen möchtest.“
Tal sah ihn missmutig an. Er schien auf etwas zu warten, dann aber erkannte er, dass Tavaril ihm die Lösung nicht einfach so verraten würde. Er setzte sich nun und dachte nach. Und wie er da so am Lagerfeuer saß, ergoss sich mit einem Mal erneut Wasser über ihn. „Ah! Hey! Wieso?!“
„Ich sagte, du sollst dich selbst trocknen und dir nicht von Marcos Lagerfeuer helfen lassen. Die Kinder lachten über Tal und der lächelte darüber liebevoll. Tal mochte Kinder, und zwar sehr. Er seufzte und fing erneut an magische Formeln in die Luft zu schreiben, die Tavaril genau betrachtete. „Du fängst schon wieder an viel zu viel drumherum zuschreiben. Lass diese Schnörkelei!“
„Ich weiß es aber nicht besser!“ Tavaril wischte mit der Hand durch die Luft und löschte einige Linien einfach. Tal sah ihn nahezu entsetzt an. „Wie-“
„Das werde ich dir erst beibringen, wenn du die Grundlagen kannst.“ Tal stand auf und war offenkundig von neuem Feuer beseelt. Er zog seine Aufzeichnungen hervor und prüfte noch einmal die Lektionen, die Tavaril ihm bisher gezeigt hatte. Tavaril hingegen wendete sich nun wieder Arien zu: „Wenn du sie nicht zurückzwingen kannst, lenke sie in die Richtung, in die sie sowieso schon wollen.“

Arien bemühte sich wirklich. Kaum waren sie weg, kamen sie auch schon wieder hoch. Ihr Blick Tavaril gegenüber, zeugte von purer Überraschung. Natürlich. Wen sie einem anderen Magier oder Druiden gegenüber treten musste, der ihr Feindlich gesonnen war, müsste sie auch gegen diesen bestehen können. Man wusste nie, was kommen würde und auch wenn sie Erfolge hatte, so durfte sie sich nie darauf aus ruhen.
"Ich soll mich weiter fesseln lassen?"
brachte sie nach einer Weile heraus. Von wegen. Es spornte sie an und sie versuchte es viel konzentrierter, blendete alles um sich herum aus, um sich nur auf die Ströme zu konzentrieren und die Wurzeln zurück zu drängen. Sicher gab es Wurzeln, die auch über der Erde lagen, aber diese hier schienen ihr doch eher in das Erdreich zu gehören. Sie gab sich so viel Mühe und schaffte es auch irgendwann, die Wurzeln zurück zu drängen und weg zu halten. Ihr war bewusst, das Tavaril ihr weit überlegen war, doch sie gab nicht auf und zwang die Ströme in die gewünschte Richtung. Jetzt hieß es, die Wurzeln auch weg zu halten, was sie sicher nicht lang schaffen würde.

Das hätte sie wohl gerne gehabt, sie zwang die Wurzeln erneut zurück und Tavaril ließ sie zumindest erst einmal gewähren. Sein Blick zu ihr war jedoch messerscharf. Sie sah das allerdings nicht, da sie sich nur auf die Wurzeln konzentrierte. Sie hielt sie zurück und versuchte die Ströme zu halten. Tavaril sagte: „Du hörst mir nicht zu.“ Er zwang die Ströme gegen Ariens Kraft, die einen Bruchteil noch dagegenhalten wollte, aber keine Chance hatte. Tavaril wollte sie gewiss nicht gängeln, aber sie sollte lernen, wie man die Kraft eines Gegners ausnutzen konnte. Etwas zurückzudrängen war zudem deutlich schwerer, als die Ströme einfach nur abzulenken. Sie würde niemals gegen Tavarils Wille ankommen können. Zumindest noch nicht…
Tal hingegen mühte sich weiter ab, schrieb, löschte, schrieb wieder und löschte wieder. Er sah hilfesuchend zu Tavaril und der sagte dann: „Ich… komm nicht weiter.“ Er klang zwar nicht entmutigt, aber er klang tatsächlich erschöpft. Tavaril ging zu ihm und legte seine Hand um Tals Handgelenk. Dazu hatte er sich hinter ihn gestellt und schmiegte sich somit an seinen Rücken. Tal bekam rote Wangen, wegen dieser Intimität, aber Tavaril führte seine Hand nun sauber und sanft. Für Tal sah die Art, wie Tavaril die Formeln aufschrieb wunderschön und elegant aus. Er hatte einen Formelbaustein eingefügt, den Tal bisher nicht gekannt hatte: „Eine Fusionsmagie.“, sagte Tavaril und so wie er das erste Wort betonte, schien es davon mehrere zu geben. „Kontrolle“, sagte er dann und Tal erkannte, dass er die Formel damit sehr abschwächte. „Schnelle Startsequenz, sehr langsame Ausführungsmatrix.“
Tal betrachtete die Formeln mit seinem Magischen Auge voller Faszination und Ehrfurcht. Er hauchte: „Ihr… macht wirklich ALLES möglich, oder?“ Tavaril ließ ihn los. „Was fehlt noch?“ Tal grinste und schrieb einen letzten Zusatz, der die Richtung des Zaubers umkehrte und ihn so selbst föhnte. „Bravo.“, sagte Tavaril emotionslos und im nächsten Moment weiteten sich seine Augen, denn Arien hatte die Wurzeln mit aller Kraft so gelenkt, dass sie nun vor hatten IHN einzuwickeln. Er wehrte den „Angriff“ ab, ohne einen Muskel zu bewegen, wobei sie förmlich vor ihm in tausende Teile zersplitterten. Dann fragte er mit hochgezogenen Brauen: „Du hörst also doch zu?“ Dass sie jedoch so vermessen gewesen war, seine eigene Magie gegen ihn zu richten sah er als großen Fortschritt an. „Prima.“, gab er noch zu und dann lächelte er die beiden an. „Das wars. Ihr könnt jetzt frühstücken.“ Sylphie kam hinter seinen Haaren hervor und grinste. „Das war grandios!“ Tavaril musste da zustimmen.

Tavaril rügte sie und Arien ließ sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Die Wurzeln zurück zu drängen, war anstrengend und natürlich nicht wirklich wirksam. Sie wachsen zu lassen und in eine andere Richtung zu schicken, war dagegen einfacher. Es gäbe weniger Wiederstand. Also ließ Arien die Wurzeln in Tavarils Richtung wachsen, damit sie ihn umschlingen könnten, was er zweifelsohne abwehren würde. Sie sollte recht behalten, doch er lobte sie sogar und lächelte dieses wunderschöne lächeln. Es ließ Arien wider rum strahlen, denn ein Lob von ihm war ja nun nicht gerade an der Tagesordnung. Er ließ sie endlich zum Frühstück frei, gesellte sich aber, wie immer, nicht dazu. Er aß schließlich nicht. Wie auch ... Nachdem sie ihm zugenickt hatte, wobei ihre Augen regelrecht glitzerten, begab sie sich ans Feuer.
"Das duftet ganz wunderbar,"
lobte sie Marco. Sie ließ erst die Kinder frühstücken, ehe sie selbst etwas aß. Es schmeckte auch sehr gut. Nach dem Essen wurde das Lager ab gebrochen und die Reise konnte weiter gehen.
"Kannst du schon irgendwelche Präsenten der Banditen erkennen?"
fragte sie Tavaril nach einer Weile. Sie wollte auf keinen Fall erneut in einen solchen Hinterhalt geraten. Das selbst Tavaril es nicht gemerkt hatte, war wirklich erschreckend. Sonst war er nie so abgelenkt. Was war es, was ihn in diesem Moment abgelenkt hatte?

Das würde sie vermutlich nie erfahren, was ihn da abgelenkt hate. Tavaril beantwortete Ariens Frage jedoch, als sie schon wieder weiterreisten. „Nichts.“ Tal schrieb unaufhörlich seine Formeln in die Luft und schien sich zu freuen. Immer wieder konnten sie eine leichte Wärme oder einen leichten Windzug spüren, manchmal beides gleichzeitig. Mal wurde es kühler und mal stand die Luft ganz. Er experimentierte und schien dabei ziemlich erfolgreich. „Vielleicht solltest du auch üben? Ich bin nicht der Einzige, der die Umgebung spüren kann.“ Er streckte ihr seine Hand hin. Es war nicht so, dass Arien nicht allein üben könnte, aber gerade diese Magie, nämlich die Umgebung in allen Facetten zu spüren war ohne richtige Anleitung und Führung nicht nur schwär, sondern auch sehr gefährlich. Das erste Mal, als sie sich mit Tavaril verbunden hatte, um die Welt mit seinen Augen zu sehen, hätte es sie fast davongetragen. Ihr Herz war sogar stehengeblieben. „Wollen wir es üben?“ Er saß ihr im Schneidersitz gegenüber und streckte ihr beide Hände hin.

Sylphie hingegen unterhielt gerade die Kinder und Oma, während Marco die Kutsche lenkte. Seine Stimmung war zwischen Sorge und Glück. Er hoffte, dass dieser Elde wusste, was er tat. Und er hoffte, dass er das Dorf mit seinen beiden Schülern retten könnte.

Wieder glitzerten Ariens Augen vor Freude. Warum hatte sie ihn nicht von sich aus gefragt? Vielleicht weil sie glaubte, er würde es ab lehnen, doch er bot es ihr nun an, fragte sie sogar, ob sie es mit ihm üben wollte. Ihr lächeln ließ einen glauben, es gäbe gerade nichts was schöner für sie wäre. Sacht ergriff sie seine Hände.
"Ja, ich möchte es gern üben, damit ich es auch irgendwann auch ohne deine Führung schaffe und wir gemeinsam aufpassen können."
Eigentlich hätte sie ihm gern mehr von seiner Last abgenommen, doch gab es eben Dinge, die man nicht übernehmen konnte. Arien schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Ströme. Sie ließ sich auf die Führung Tavarils ein und begann die Umgebung zu ertasten. Es war wundervoll, die Welt auf diese Art zu sehen und sie war Tavaril unendlich dankbar dafür, diese Art der Wahrnehmung erlernen zu dürfen.

Tatsächlich wies Tavaril sie ja auch nicht so an, wie es die Druiden im Hain getan hätten. Vielleicht hätte Astharion noch die Gabe gehabt, es so, wie Tavaril zu machen, aber die Magie der Eleda war geschwächt. Wieso das so war, würde wohl ein Rätsel bleiben, aber Arien kannte keine Geschichten über solche Macht, wie Tavaril sie ausüben konnte. Er hielt sie, führte sie, während sie ihre Reise durch die Natur machte. Sie war neugierig, wissbegierig, wollte jede einzelne Strömung und jede Veränderung ausgiebig mit allen Sinnen ertasten.
Wie fühlst du dich?
Arien fühlte sich großartig. Sie spürte nichts, was ihren eigenen Körper betraf, aber sie merkte, dass sie dieses Mal nicht davongerissen wurde. Sie atmete, sie lebte, ihr Herz schlug. Vielleicht etwas schneller. Und jetzt wo sie sich auf sich konzentrierte, so spürte sie noch etwas anderes. Nicht nur ihren Körper. Sie spürte ihre Gefühle. Sie konnte ihre Gefühle förmlich schmecken. Und wo sie nun auch darüber nachdachte, so musste es doch Tavaril ebenfalls so gehen. Er führte sie schließlich. Und waren das Gedanken, die da eben vorbeigehuscht waren?

Unglaublich gut,
antwortete sie Tavaril. Es war so wundervoll. Wie hatten Die Eledim das alles nur so vernachlässigen können? Arien war sich sicher, das sie die Magie einfach vernachlässigt hatten, durch die Uneinigkeiten und die ständige Sorge, ihr Reich könnte von irgendwem eingenommen werden. Wie auch immer. Was sie nun wahr nahm, war ganz anders, als alles, was sie vorher gespürt hatte. Gefühle hatten also einen Geschmack. Es war nicht einfach eine Redensart. Es war so überwältigend und doch behielt sie die Konzentration. Sie driftete nicht, sondern blieb.
Was war das?
wollte sie wissen, als sie diesen Gedanken? so kurz spürte.

Arien erhielt keine Antwort auf die Frage. Tavaril hielt sie fest, ohne, dass sie es merkte. Denn obschon sie glaubte, konzentriert zu sein, ließ sie sich selbstredend von allem ablenken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Dinge, die ihr begegneten.
Der Gedanke, dem sie folgte gehörte zu einem Schmetterling. Nun war Gedanke vielleicht etwas viel gesagt, aber das Beschrieb es am meisten. Diesem Folgte eine kleine Amsel und ihr Ziel war klar. Sie würde den Schmetterling erwischen, doch schon war da wieder etwas Neues. Etwas Warmes. Etwas sehr intimes. Tavaril hielt sie fest und sagte leise: Komm zurück, Arien! Er klang ganz ruhig und nicht so als wäre es dringend. Nur ein kleiner Stups in die richtige Richtung. Sie folgte ihm. Sie wusste nicht, wie sie es machte, oder was genau sie von Tavaril folgte, aber sie folgte. Die Welt war so schön und doch… irgendwas behagte ihr nicht. Waren es Feinde? Üble Gedanken oder eine Gefahr? Tavaril führte sie weiter und weiter. Viel länger, als das letzte Mal. War das hier richtig?

Ein Schmetterling, der vor einer Amsel flüchtete. Die Natur war eben unerbittlich. Es war klar, wie es ausgehen würde. Sie sah so viele Dinge und ja, sie glaubte konzentriert zu sein, merkte auch gar nicht, das Tavaril sie hielt. Er rief sie und sie folgte ihm. Es war so schön ... doch irgendwie ... sie sah sich erneut um, versuchte zu erfassen, was da geschah. Er antwortete ihr doch sonst auch immer. Wo wollte er sie hin bringen?
Wohin bringst du mich?

Wohin möchtest du?, antwortete er nur. Sie antwortete ihm: Dahin, wo es sicher ist. Sie spürte etwas. Vielleicht ein Gedanke Tavarils. Oder ein Gefühl. Er wirkte amüsiert. Du bist sicher, solange du bei mir bleibst. Und jetzt atme weiter. Konzentriere dich auf deinen Körper. Sie hatte es kurz vergessen, aber Tavaril erinnerte sie daran. Sie würde das hier niemals meistern, wie es schien und dann wurde die Welt fokussierter. Ihre Wahrnehmung ebbte weitestgehend wieder auf ihr irdischen Sein ab, all ihre Reflexe waren wieder da und plötzlich fiel es ihr wie schuppen von den Augen. Jetzt in diesem Moment, konnte sie so fokussiert spüren, welche Lebewesen sich um sie herum befanden. Zumindest was die größeren Betraf. Tiere, huschten durchs Unterholz. Ein Dachs schlüpfte in seinen Bau. Sie Spürte Tal und die anderen Reisenden und dann ging ihre Aufmerksamkeit zu Tavaril in ihrem Rücken. Seine Erscheinung blendete sie förmlich. Sie wich zurück, fiel und… der Zauber war vorbei. Sie war vom Kutschdach gefallen und Tavaril hatte die Kutsche angehalten. „Geht’s?“, fragte er erschrocken und sah von dort oben auf sie herab. „Was war los?“ Auch Tals Kopf erschien.

Ja, bei ihm war sie sicher. Ein beruhigender Gedanke. Denn noch... Dieses Unbehagen machte ihr schon ein wenig zu schaffen, auch wenn Tavaril nun wieder ganz normal zu sein schien. Sie tat, was er von ihr verlangte. Was dann geschah, war unglaublich. Es fühlte sich nicht wie eben an, sondern eher, als wenn sie wieder ganz normal zurück in ihre Alltägliche Wahrnehmung schlüpfte, doch dann spürte sie die Tiere um sie herum, spürte Tal und sah Tavaril in seiner wundervollen Erscheinung, die sie nahezu um warf. Nun der Fall dauerte nicht lang und sie landete ungemütlich auf dem Boden, doch sie war wieder voll da. Der Zauber war fort, doch an seine Stelle trat Schmerz. Sie war genau auf einen blöden kleinen spitzen Stein gefallen. Man war das fies. Arien schnappte nach Luft. Das tat weh. Wie hatte sie sich so überrumpeln lassen können? Ob es ging?
"Tut ganz schön weh,"
erklärte sie und verzog das Gesicht.
"Ich wurde überrascht ..."
Sicher würde sie ihm nicht auf die Nase binden, wie sie ihn gesehen hatte.
"Moment noch,"
meinte sie und rieb sich die Stelle am Rücken, wo der Stein, vermutlich grinsend, zugeschlagen hatte. Arien erhob sich langsam. Sie kletterte auf das Kutschendach zurück, setzte sich Tavaril gegenüber wieder auf ihren Platz und versuchte zu vergessen, das sie eben gefallen war.
"Es war ... anders..."

Tavaril wartete, bis sie wieder bei ihm auf dem Dach saß und die Kutsche zog wieder an. Auch Tal hörte nun zu. „Ja, das war es.“, antwortete Tavaril. „Du hast erreicht, was du wolltest, aber du konntest es nicht festhalten. Wieso nicht?“ Dass sie ihm nun nicht auf die Nase binden wollte, dass ER sie so aus der Fassung gebracht hatte, leuchtete wohl ein, stellte Tavaril aber eben vor ein Rätsel. „Am Ende warst du so im Einklang mit dir selbst. Es hat mich überrascht, dass du ausgerechnet da die Konzentration vollkommen fallen lassen hast, ich musste dich aus dem Zauber herausschneiden.“ So wie er es sagte, klang es irgendwie eklig. Er hatte wohl die Ströme durchtrennt, damit sie sie nicht … nun, ja was eigentlich?
§Er würde nicht nachbohren, aber Arien spürte die tiefe Erschöpfung, die ihre Reise in ihr ausgelöst hatte. Tavaril schlug also vor: „Mach eine Pause.“ Er musterte sie, als erhoffte er sich davon irgendeine Antwort zu bekommen.
Die Reise ging ansonsten ohne viele Zwischenfälle weiter. Arien wurde immer besser in ihrem Wirken und Tal ebenfalls. Tavaril überwachte die beiden nun viel mehr, als dass er sie anleitete, da er ihnen im Moment nichts neues beibringen wollte. Sollten sie erst einmal mit dem klar kommen, was sie gelernt hatten. Er spürte ihn den beiden sehr viel Potential.

Arien spürte ganz deutlich, wie sehr es sie angestrengt hatte. Am liebsten würde sie sich jetzt hin legen. Ausruhen und eine kleine Pause machen ... ja, das war wohl das Beste. Natürlich würde sie es ihm nun nicht direkt sagen. Er war ihr Lehrer ... wie konnte sie ihm sagen, das sie ihn so strahlend schön gesehen hatte ... so unglaublich schön, das es ihr nicht nur den Atem, sondern vor Überraschung sogar aus der Konzentration geholt hatte? Sicher. Schönheit war eine Sache , der Charakter eine ganz andere und doch ... was konnte sie denn dafür, das er so strahlte, so wundervoll aus sah und eigentlich sogar unglaublich lieb sein konnte?
"Ich habe mich erschrocken,"
erklärte sie nun doch. Eigentlich war es eher Überraschung, als Schreck, aber das musste er jetzt noch nicht wissen. Es war Arien einfach viel zu peinlich. Die Reise ging ohne Zwischenfälle weiter. Sie kamen der Siedlung näher. Mit jedem Tag wurden Tals und Ariens Fähigkeiten besser. Es machte auch Spaß zu üben und Tavaril war ja nun wirklich der beste Lehrer für die Zwei. Arien konzentrierte sich gerade auf eine Aufgabe, als sie das Erklingen einer laute hörte. Jemand sang dazu, brach dann aber ab und fluchte vor sich hin. Ein Barde, dem eine Saite gerissen war? Nein wohl kaum. Arien sah, das seine Saiten durchaus noch da waren. Es musste also etwas anderes sein, was den jungen Barden störte.

Ein Barde? Die Eledim hörten ihn eher, als dass sie ihn sahen und auch beides vor den Menschen. Es würde schon ziemlich Spät und der Kerl strauchelte hier durch die Gegend. Tavaril interessierte überhaupt nicht, was der Kerl hier machte, aber es wunderte ihn, dass er hier herum lief, wo die Gegend doch angeblich so gefährlich wäre. Tal saß vorne bei Marco und behielt den Kerl im Auge, schließlich fragte er aber: „He du! Weißt du nicht, dass es hier sehr gefährlich ist? Wer bist du?“ Tal war von sich aus nicht misstrauisch anderen gegenüber, aber komisch kam es ihm doch vor.
Tavaril machte sich nicht die Mühe sich zu verstecken und saß beinahe lässig auf dem Kutschdach, während die Kinder und die alte Frau ganz ruhig blieben. Ebenso, wie Sylphie.

Arien beäugte den jungen Mann etwas genauer. Es war wirklich ein Rätsel, wie er nicht längst den Löffel abgegeben hatte.
"Oh. Reisende, wie ich selbst einer bin. Cedric ist mein Name. ich bin fahrender Barde, auf der Suche nach neuen Geschichten, denen ich Melodien geben kann. Gefährlich soll es hier sein?"
Er sah sich direkt um, ob da vielleicht irgendwer wäre, ausser eben diesen Reisenden.
"Sehe ich recht? Gleich zwei Eledim? Von eurem Volk habe ich sehr viel gehört, begegnet bin ich bisher niemandem. Sicher habt ihr ein paar Geschichten zu erzählen, die ich weiter tragen könnte?"
Er schien ja gar keine Sorge wegen Banditen zu haben. Nun gut ... wie viel verdiente ein Barde? War dieser hier gut oder eher ein möchte gern Barde? Arien konnte das kaum sagen.