Vincent erhob sich und nickte nun. „Ja. Kommen wir doch einfach zum Punkt, dann müssen wir nicht hier herumeiern und einen Aristokratentanz aufführen.“ Kazel sah Vincent nun direkt an. Eben hatte er noch zu Diana gesehen. Sie war älter geworden. Aber nicht viel. Wie viel Zeit war seither vergangen? 12 Jahre? Kazel wusste es nicht mehr. Die Zeit hatte an bedeutung verloren. Sie hatte Tränen in den Augen, die sie zurück halten musste, aber das war Kazel egal. Er fixierte sich nur auf Vincent und trat nun vor. Er schob Kiran dabei nun einfach zur Seite und blieb mit leicht gefletschten Zähnen nur eine Hand breit vor Vincent stehen, der eben so unbeweglich auf ihn herab starrte. Kazel hatte allen Mut aufgebracht, sich diesem Mann so zu stellen und nun?
„Was ist, Kleiner? Bist du hier, um mich zu töten?“
„Nenn mich nicht so!“, faucht er. „Mein Name ist Kazel!“ Vincent fing an zu grinsen und dann lachte er sogar etwas. „Ist das so? Ich schätze, du bist erwachsen geworden“, er machte eine Pause, „Kleiner.“ Vincent grinste und Kazel fragte ihn nun zornig: „Du willst wohl sterben?“ Er packte blitzschnell zu und Vincent blieb aufrecht stehen, obwohl Kazel mit gewaltiger Kraft seine Kehle abzudrücken schien. Er sagte keinen Ton, wehrte sich nicht und sah einfach weiter auf Kazel herab. Vincent spürte nach kurzer Zeit bereits, wie er jeden Moment ohnmächtig werden würde, als Kazel ihn wieder losließ. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber er holte angestrengt Luft.
Warum Kazel losgelassen hatte, war einfach. Lima war neben ihn getreten und hatte ihren Arm auf seinen gelegt. Sie sah traurig zu Vincent und sagte dann, als dieser sich beruhigt hatte: „Ihr seid der Mann, der meinen kleinen Jungen entführt und gequält hat?“ Vincent sah zu der Frau. Er sah die furchtbaren Narben, die ihm persönlich nichts ausmachten, aber dann sagte er: „Ja.“ War auch so. Warum sollte er lügen? Lima kamen die Tränen. „Wieso?“, hauchte sie und Vincent meinte: „Weil das meine Aufgabe war. Ein Söldner fragt nicht nah dem Wieso. Er tut einfach, was verlangt wird.“ Lima musterte ihn traurig, wohingegen Kazel fast der Kragen platze. „Und gehörte es auch dazu, sie zu schänden und zu verstümmeln?!“ Vincent sah wieder zu ihm und sein Blick war gelassen. „Ich habe nichts dergleichen getan.“
„Aber du hast es auch nicht verhindert! DU hattest die Macht dazu, aber du hast es geschehen lassen. Da hättest du es auch selbst tun können! DU-“ „ICH“, donnerte er, „habe noch niemals Hand an eine Frau gelegt. Ich respektiere sie und achte sie.“
„Vielleicht legst du keine Hand an Frauen, dafür aber an Kinder…“, flüsterte er hasserfüllt. Auch dagegen konnte Vincent nichts sagen. Er sagte nur: „Du machst es dir wirklich leicht, Kleiner.“
„Du sollst mich nicht so nennen!!!“ Er sprang auf ihn zu und Lima rief erschrocken: „Kazel!“ Doch er hörte nicht. Vincent jedoch wich ihm aus und für sein Alter war er erstaunlich beweglich und fit. „Kazel!“, rief Kiran nun und dieses Mal hielt er inne. „Das bringt doch nichts!“, sagte Kiran nun weiter. „Wir sind wegen etwas anderem hier!“ Kazel entspannte sich leicht, schien aber immer noch fuchsteufelswild. Vincent sagte nun: „Als wir entkommen waren und ich Diana gesucndgepflegt hatte, wurde ich zurück in meinen Rang erhoben.“ Das war vielleicht ein Krampf gewesen. „Mir scheißegal.“, sagte Kazel, aber Vincent richtete sich die Klamotten und fuhr fort: „Ich habe irgendwann von einem Mann… nein einer Kreatur gehört, die man gemeinhin als Todesengel bezeichnete.“ Kazel erstarrte. „Ich habe deine Gestalt gesehen, Kleiner.“ Er konnte es offenbar einfach nicht lassen, ihn so zu nennen. „ICH wollte nie, dass man dir diese Dinge antut.“ Kazels Augen fingen daraufhin an zu leuchten, Blitze zischten um seinen Körper und er sagte voller Zorn. „DU! Wie kannst du es wagen?“ Vincent betrachtete ihn. „DU wolltest nicht, was man mir antat? DU hast mich Nacht für Nacht gefoltert! DU wolltest meine Freunde umbringen, um meine Kräfte zu wecken!“ Vincent schüttelte leicht den Kopf. „Nein… nichts davon wollte ich. Ich tat es, weil man es mir auftrug.“
„HALT‘S MAUL!“
Dieses Mal gehorchte Vincent sogar. Kiran wartete ab, aber er würde nicht zulassen, dass Kazel diesen Mann einfach tötete, was das für Ärger nach sich ziehen würde, konnte sich der Bengel ja offenbar nicht mal vorstellen. Aber er wollte auch, dass Kazel mit seiner Vergangenheit abschließen könnte.
„Wie viele Kinder hast du ihren Eltern entrissen? Wie viele sind durch dein Zutun gestorben oder in der Sklaverei gelandet? Nenn mir nur einen guten Grund, wieso ich dich nicht in Stücke reißen sollte, wie ich es einst geschworen habe?!“
Kiran machte einen Zauber bereit, der Kazel zur Not bannen konnte. Das hier war wichtig für Kazel und vielleicht auch für Kira. Vincent sah ihm fest in die dämonisch glühenden Augen. „Das kann ich nicht.“, beantwortete er die Frage. Dann aber fügte er an. „Aber bevor du deinen Zorn auf mich nieder gehen lässt, Todesengel, habe ich eine Frage an dich: Wer gibt dir das Recht über mich zu richten?“ Er ließ das kurz wirken. „Du fragst mich, wie viele Kinder ich geholt habe? Wie viele Familien ich auseinander riss?“ Er trat wieder ganz dicht vor Kazel und seine Haare stellten sich aufgrund der Elektrizität auf. „Wie viele hast DU auseinandergerissen?“ Kazels Augen weiteten sich. Seine zusammengezogenen Brauen entspannten sich etwas und er sah den Bluthund an, wie damals. „Es mag sein, dass ich dir Leid brachte, aber ich werde mich nicht von dir verurteilen lassen. Ich verstehe deinen Wunsch nach Rache, weil ich dir Schreckliches antat. Aber ich lasse mir ganz sicher nicht von DIR mein Handeln vorwerfen. Dass du überhaupt die Stirn hast, mich das zu fragen, schockiert mich fast.“
Kazel machte einen Schritt zurück, aber Vincent setzte diesen direkt nach. „Als ich mir gewahr wurde, dass du dieser Todesengel sein musst, fürchtete ich mich vor dem Tag, an dem du eines Nachts in meine Gemächer kommen würdest, um mein Leben zu beenden. DU warst der letzte Gedanke in jeder verdammten Nacht und jetzt wo du vor mir stehst, bist du immer noch das Kind von damals. „Nein… du bist nicht hier, um mich zu töten. DU wolltest mich nie töten und tief in der drin, weißt du auch wieso…“ Kazel machte noch einen Schritt zurück, aber auch dieses Mal setzte Vincent nach. Dann aber griff Lima ein. Sie schob sich zwischen ihren Sohn und Vincent und schuppste diesen nun auch zurück. „Lasst ihn in Ruhe! Ich weiß nicht, was ihr euch gedacht habt, jemandem zu dienen, der solch grausame Befehle gibt, aber er hat genug unter euch gelitten!“