Kylars Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war. Sie weinte. Sie weinte wie ein kleines Kind. Ach herrje… Kylar hielt sie locker im Arm und er konnte überhaupt nicht böse sein. Ganz im Gegenteil. Sie war ja vollkommen durch den Wind. Natürlich… Weder hatte sie gesehen, wie ein Tier geschlachtet wurde. Noch wusste sie wie es aussah, wenn ein Mensch starb. Wie hatte er so blöd sein können, das nicht zu begreifen. Er bereute es, sie so angefahren zu haben. Sie war eben doch noch ein unwissendes Kind, was erst lernen musste, wie die Welt funktionierte. Er fand, dass es unrecht war, sie der gemeinen Wirklichkeit auszusetzen. Mein König... War es wirklich weise, sie mit mir mitzuschicken?
„Schon gut…“ Er war ganz schlecht darin Leute zu trösten und fand auch jetzt keine Worte. Er glaubte, jedes weitere Wort würde alles nur schlimmer machen. Kylar erinnerte sich an früher:
Kylar hatte gerade einen Monat lang im Schloss herumgegammelt. Langsam aber sicher war ihm die Decke auf den Kopf gefallen und er hatte sich mit Bier und Huren die Zeit vertrieben. Nie hatte er eine Frau näher als bis zu seiner Haut an sich heran gelassen. Nie hätte er sich in eine verliebt oder sie gar geehelicht. Das war erst mal nicht sein Stil und zum zweiten, hatte er überhaupt keine Zeit dazu. Und die Kurtisanen, die ihn umschwärmten wussten das, weswegen es das für beide Seiten einfacher machte. Seit drei Jahren, war er im Dienste des Königs gewesen, hatte in Schlachten gekämpft unter der Führung dieses Armleuchters von einem General… Was für ein Panner. Dumm und arrogant. Perfekte Mischung um zu versagen… Des Königs Garde hatte ihn … gefunden und ihn hergebracht. Nachdem sie ihn befragt hatten und er ncihts als Spott für sie übrig gehabt hatte, hatte der König persönlich mit ihm gesprochen und nur Kylar selbst und der König wussten, was an jenem Tag in der dunklen finstern Zelle geschehen war, dass Kylar ihm nun diente. Und zwar mit Inbrunst und treu. Vielleicht wusste die Königin noch davon, aber sonst niemand.
Jetzt jedoch saß er gerade im Garten und genoss die Sonne. Die Prinzessin flüchtete eben vor einer Zofe und versteckte sich im Gebüsch. Kylar kannte das Mädchen nicht, da er noch nie mit der Prinzessin in berührung gekommen war und tat so als ginge ihn das gar nichts an. Die Zofe kam vorbeigelaufen. Kurz überlegte sie, ihn anzusprechen doch in der Regel hatten die meisten Leute Angst vor ihm. Gerade die Dienerschaft der Königs fürchtete seine bizarren Runen und seinen eiskalten mordlüsternen Blick. Er sah zum Gebüsch und meinte dann: „Du kannst raus kommen, sie ist weg.“ Das Mädchen konnte noch keine 5 Jahre alt sein und er sah sie nur mit diesem kühlen Blick an, der nichts Gutes verhieß.
Kylar langweilte sich hier. Er gehörte auf das Schlachtfeld und nicht in einen Burghof. Das Mädchen kam auf ihn zu und fragte: „Wer bist’n du?“ Er sah sie an und antwortete nicht. Sie trat ihm gegen den Oberschenkel und sah ihn gebieterisch an, wobei sie erklärte, dass er besser den Mund aufmachte ehe ein Unglück geschehe. „Na sag mal… spinnst du?“ Er schupste sie einfach um und sah sie böse an. Zuerst schien sie sich erschrocken zu haben, doch dann fing sie an zu grinsen. „Mein Papa ist der König! Benimm dich besser, sonst geht’s dir schlecht!“ Kylar musterte die kleine Prinzessin glaubte ihr sofort. Er sah sie herablassend an und sagte: „Ach? Als würde ich mir so was von einer Göre wie dir gefallen lassen müssen. Es würde mich ein Lächeln kosten, dir den Garaus zu machen.“
„Den was zu machen? Du bist komisch und was ist das überhaupt für ein Zeug da auf deiner Haut, es sieht blöd aus.“ In Wahrheit fand sie es schön. Sie grabschte ihm einfach ins Gesicht und Kylar wusste nicht, was er tun sollte. Die Runen leuchteten, bei ihrer Berührung, als würden sie auf sie reagieren und Kylar schupste sie erneut weg, wo sie sich ihre Hand an einem spitzen Stein verletzte. Sie sah ihr Blut und fing an zu weinen. „Geschieht dir Recht!“
Die Zofe kam – angelockt durch das Geschrei – zurück und sah das Mädchen weinend neben ihm sitzen. „Also das ist doch… Was habt ihr ihr angetan?!“ Sie nahm das Kind von ihm weg und er sah die Frau nur mit diesem gleichen zornigen Blick an. „Gar nichts! Sie ist hingefallen!“ Sie versuchte das Kind zu trösten und Kylar sah genervt aus.
„Was ist hier los?“ Der König stand plötzlich da und Kylar begab sich schnell auf ein Knie und senkte das Haupt. „Mein König…“
Natürlich sagte die Prinzessin, dass er sie geschupst habe und sie hingefallen sei, wobei sie ihm die Zunge raus streckte. „Ist das wahr, Kylar?“
„Schätze schon, sie hat…“
„Wie kannst ausgerechnet DU es wagen?!“, wollte er nun wissen und Kylar sah auf. Seine Augen leuchteten gefährlich blau und der König sah ihm fest ins Gesicht. Kyalr biss sich so auf die Unterlippe, dass sie anfing zu bluten. Doch die unschuldigen Augen von dem Kind sahen in diesem leuchtenden Blau, was so schön aussah, nicht nur dieses vermeintlich schlechte Gefühl namens Zorn, sie sah auch Traurigkeit, Einsamkeit und Schmerz. „Verzeiht, eure Hoheit…“ Er senkte den Blick nun. Die Leibgarde, die dem König folgte, packte ihn nun links und rechts und die kleine Prinzessin sah dem Ganzen atemlos zu. Dann schlug eine dritte Wache ihm ins Gesicht und Kylar keuchte. Er spuckte Blut und sah die Wache an, als würde er ihn jeden Moment töten, als die Kleine sich plötzlich los riss und sich an ihn warf. „NEIN!“ Alle – ganz besonders Kylar – sahen nun verwundert auf das kleine Mädchen. Der König veranlasste, dass Kylar losgelassen wurde und so hockte er da nun auf beiden Knien und das Mädchen weinte für ihn. „Das wollte ich doch nicht. Ich will nicht dass sie dir wehtun.“
„Prinzessin Jelais! Geht weg von ihm!“, sagte die Zofe und die Kleine krallte sich nur noch mehr an ihm fest. Sie weinte plötzlich bitterlich. „Ich will nicht, dass ihr ihm weh tut!“
Kylars Blick war in diesem Augenblick melancholisch. Ja, das war ihre aller erste Begegnung gewesen. Sie hatte an diesem Tag etwas in seinem Herzen gerührt, was bis dahin nur ein eiskalter klumpen tiefer, schwarzer Leere gewesen war. Ohne dass die Kleine es wusste, hatte er ihr viel zu verdanken.
„Ist schon gut.“, wiederholte er sich. In seinen Augen, war sie immer noch ein verwöhntes kleines Kind und deshalb versuchte er sie nun auch ein bisschen zu trösten. „Hört auf zu weinen, Lady Jelais… Ihr wollt doch bestimmt nicht hässlich aussehen. Tränen stehen euch wahrlich nicht zu Gesicht.“ Hatte er schon mal erwähnt, dass er schlecht in so was war? Er war schlichtweg überfordert. Vor nicht mal ganz zwei Wochen war er aus dem Krieg zurückgekehrt. Er konnte noch immer die Sterbenden in seinen Ohren hören konnte noch immer das Gemetzel vernehmen, den Klang den es gab, wenn ein Schwert durch einen Leib gezogen wurde und er konnte sich gut daran erinnern, es roch. Nach Blut und Schweiß und animalischer Angst. Kyalr war kein Mann, der viel Liebe geben konnte. Er war ganze fünf Jahre weggewesen. Jelais hatte sich in der Zeit sehr verändert und er war genauso geblieben. Er seufzte. Er war kein Unmensch und fand, dass er für seine Ideale einstand. Die Königin hatte ihm damals sehr geholfen einejn anständigen Charakter zu bekommen und die Freundschaft mit dem König hatte ihm geholfen sich in seiner neuen Heimat wohl zu fühlen. Doch er verstand genauso viel von Liebe und Mitgefühl, wie sie davon einen Menschen effizient und möglichst schnell zu töten.