Herzogtum Amaran

„Sich selbst das Leben zu nehmen ist nicht feige, du ehrloses Imitat! Es erfordert die höchste Selbstbeherrschung und größten Mut! Dass du unsere Bräuche nicht verstehst, gibt dir nicht das Recht, sie mit Füßen zu treten!“
Velkyn hingegen packte den Kerl am Schlafittchen: „Wenn du dich umbringen willst, mach das, aber zieh mich da nicht mit rein. Du wolltest den Kampf, du hast ihn bekommen. Du-“ Er unterbrach sich selbst. Der Blick mit dem dieser Mann ihn nun ansah verschlug ihm die Sprache. Er sah so ernst und doch so flehend und gleichsam so entschlossen aus. Der wollte sich WIRKLICH umbringen!
Er löste gefasst und respektvoll Velkyns Hand von seinem Revers und kniete sich wieder hin. „Wenn das euer letztes Wort ist, dann sei es so.“ Er rammte sich das Tanto in den Bauch und die andere Frau rief: „Bitte!“ Der Mann zog sich das Tanto zur Seite und Velkyn sah das ganze nur fassungslos mit an, ehe er mit einem zornigen Schrei ein Schatten-Katana beschwor und den Mann enthauptete. Er senkte den Blick und blieb dort einfach stehen, während die stillere Frau den Kopf einsammelte und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. Sie verbäugte sich und sagte: „Danke…“
Maena hingegen hielt die Hand vor den Mund und hatte zu tun sich nicht zu übergeben.

Nein, diese Kultur musste man nicht verstehen. Naira sah nur, wie der Kopf plötzlich rollte und legte die Hand vor den Mund. Ihr wurde nicht schlecht, aber sie war denn noch schockiert. Natürlich machte sie Velkyn keine Vorwürfe. Er hatte dem Mann, in den Augen der Frauen, einen großen Dienst geleistet. Naira verneigte sich vor den beiden Frauen.
"Ihr habt recht. Es war mir nicht klar, das es euch so viel bedeutet, wie mir das Leben. Es tut mir leid."
Sie sah die Frau nicht mehr an, sondern drehte sich um und versuchte nicht auf den Leichnam zu blicken. Andere Länder, andere Sitten. Ein Leben wurde genommen ... ein Anderes würde gerade das Licht der Welt erblicken. Der Kreislauf des Lebens, nur warum erschien es ihr bei diesen Menschen hier so unvernünftig? Was hatte es denn mit Mut zu tun, sich das Leben zu nehmen? Wegen eines Schwertes? Die Begründung hatte sie in den Büchern nicht lesen können, nur das es eben so war. Dieses Volk hatte eine ganz eigene Sicht der Dinge und Naira war nicht dazu befugt, das in Frage zu stellen. Sie durfte diesen Leuten doch nicht vorschreiben, was sie tun und lassen durften. Was Velkyn an ging ... er hatte getötet ... er hatte es nicht gewollt, aber er hatte auch nicht zu sehen können, wie dieser Mann sich das Leben nahm und das auf eine so grauenvolle weise. Ein Herz das viel mehr wert wahr als Gold.

Ja er hatte getötet. Abermals. Er ließ das Schattenschwert verschwinden und sammelte sein echtes wieder auf. Hätte er gewusst, was das Zertrümmern der Waffe mit sich gebracht hatte, er hätte das ganze anders gelöst. Er wollte keine Sekunde länger mit diesen Frauen zu tun haben und ging nun einfach weiter. Er legte sich die Hand auf die Stirn und rieb sich diese.
Sie gingen in die kleine Siedlung und Velkyn nahm ein Zimmer. Das erste Mal, dass sie nun nicht in der Wildnis schlafen würden. Velkyn wollte ein Zimmer mit drei Betten, aber es gab nur ein großes Gemeinschaftszimmer. War auch ok. Es war ja auch bereits Abend und So saßen sie nun im Schankraum und Velkyn sah ausdruckslos wie immer durch das Zimmer und schien alles genau im Blick zu behalten. Sie würden nicht lange bleiben. Vorräte auffüllen, nächtigen und-
„Ihr seid ein fähiger Krieger!“, sprach ihn jemand von der Seite an und verbeugte sich. „Nicht wahr? Ich sehe es euch an.“ Velkyn musterte ihn und seufzte langgezogen. Er wollte nicht schon wieder Ärger und er hatte immer noch Kopfschmerzen! Er schwieg also und der Kerl sprach einfach weiter: „Ich habe einen Auftrag für euch. Ihr seid doch frei? Ich bezahle gut!“ Velkyn schloss die Augen: „Kein Interesse.“ „Aber so hört mich wenigstens an! Die Stadt wird bedroht!“

Die Frauen taten Naira irgendwie leid und sie bereute es zu tiefst, sich da so extrem eingemischt zu haben. Sie gingen gemeinsam weiter und kamen in der Siedlung an. Dort führte Velkyn sie in ein Gasthaus. Natürlich dauerte es nun nicht lange, ehe ein Mann auf Velkyn aufmerksam wurde. Dieses Mal, sagte Naira nichts. Sie wollte den Fehler nicht wiederholen und sah einfach weiterhin auf den Tisch, als der Mann sprach. Das Dorf wurde bedroht. Ob Velkyn helfen würde? Er wollte nicht töten, aber er würde sicher auch nicht zu sehen, wie Unschuldige leiden müssten. Maena hielt sich in ihrer Rolle. Dabei hatte Naira ihr noch gesagt, sie solle versuchen nicht raus zu fallen. Wie schlecht sie sich gerade fühlte, konnte sich kaum jemand ausmalen.

Velkyn schwieg weiter und der Mann fing nun einfach an zu erzählen: „Wir wissen nicht, woher die Biester kommen, aber in der Nacht überfallen sie die Höfe im Umland und ihr seht mir doch aus, wie ein reisender nun… der sich Problemen annimmt.“ Velkyn sagte: „Dem ist aber nicht so.“ Der man legte die Hände zusammen. „Zwei Menschen sind schon gestoben.“ „Nicht mein Problem.“ „Bitte, wir haben niemanden, der uns helfen kann! Wir haben nur Geld! Der letzte Söldner ist nie zurückgekehrt.“ Velkyn stieß die Luft aus. Die Leute hier verstanden kein Nein, oder? Wieder erklang Viktorias Stimme in seinem Kopf. Ich kann nicht mehr… Es ist einfach zu schwer Dachte er sich selbst als Antwort auf ihre Bitte denen zu helfen, die Hilfe brauchten. Er stand nun einfach auf und der Mann wich zurück. „Bitte… Es werden noch viel mehr sterben…“
Velkyn ging einfach an ihm vorbei in Richtung Zimmer und ließ den Mann dort stehen. Maena folgte ihm stumm und mit gesenktem Blick, aber sie sah kurz entschuldigend zu dem Mann und folgte dann weiter. Tatsächlich war bis jetzt auch noch niemand sonst hier und Velkyn setzte sich auf eines der Betten. Er legte sich den Kopf in die Hand, was aussah, als würde er angestrengt nachdenken.

Was der Mann da berichtete, klang schlimm. Sie hatte keine Ahnung, was die Höfe überfiel, aber etwas schreckliches würde geschehen. Velkyn ging einfach und Maera, als auch Naira, folgten ihm. Naira kniete sich vor ihn. Er sah nachdenklich aus.
"Es lastet so viel auf dir. Ich kann mir nicht vorstellen, wie groß die Last auf deinen Schultern sein muss,"
flüsterte sie.
"Es steht mir nicht zu, dir zu sagen, was du tun sollst, aber ich kann dich bitten, diese Leute nicht sich selbst zu überlassen. Wenn die Bewohner hier abgeschlachtet werden, wird es sich vielleicht ausbreiten und nicht nur dieses Dorf wird darunter leiden. Es ist deine Entscheidung und ich werde akzeptieren, wie du dich entscheidest, doch bitte ... denke wenigstens darüber nach."
Naira legte sich nun auf ein anderes Bett. Sie würde es akzeptieren, wenn er nicht half. Das musste sie, denn zu etwas zwingen, wollte sie ganz sicher niemanden und Velkyn ... er hatte doch bisher niemanden einfach sich selbst überlassen.